06 | 2012
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Der Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft, die de-
mografische Entwicklung und die Aufholjagd von Schwellenlän-
dern in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft machen das
„human capital“ zu einem strategischen Produktionsfaktor. In-
folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise zwingen die
zunehmend komplexeren Anforderungen, der eingeschränkte
Zugang zu Fremdkapital und der steigende Wettbewerbsdruck
Immobilienunternehmen, Innovationen voranzutreiben, eige-
ne Kapitalquellen zu erschließen, schlanke Kostenstrukturen
aufzubauen, Wachstum durch branchenweite Investitionen zu
generieren und verstärkt strategische Partnerschaften mit an-
deren Marktteilnehmern einzugehen.
Der demografische Wandel wird den schon heute spürbaren
Fachkräftemangel stark verschärfen. Im Kampf um die besten
Köpfe, dem „War for talents“ wie es Ed Michael, amerikanischer
Direktor der Unternehmensberatung McKinsey, 1998 formu-
lierte, weist die Immobilienwirtschaft jedoch Nachholbedarf
auf. Die Branche genießt bei High Potentials noch wenig Anse-
hen, und bei zahlreichen Unternehmen bedarf es einer grund-
legenden Änderung der Denk- und Handlungsweise, um im
internationalen Wettbewerb um die Besten zu bestehen. Ausge-
fallenes Recruiting und eine am Bedarf und dem Potenzial der
einzelnen Mitarbeiter orientierte Personalentwicklung sind da-
bei ebenso gefragt wie das Branding als Arbeitgebermarke und
qualifizierte Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Laut ak-
tuellen Untersuchungen des Bundesverbands deutscher Woh-
nungs- und Immobilienunternehmen GdW verfügen weniger
als 30 Prozent der Mitgliedsunternehmen über eine Personal-
entwicklungsstrategie.
Wandel zum Arbeitnehmermarkt
Die derzeitige Konjunkturschwäche hat, im Gegensatz zu
früheren Zyklen, auf dem Arbeitsmarkt kaum Spuren hinter-
lassen. Mit 41,2 Millionen liegt die Zahl der Erwerbstätigen auf
Personalentwicklung Mangelware
Recruiting.
Immobilien gelten als wenig sexy. High Potentials suchen sich häufig
Jobs in anderen Bereichen. Nicht nur in der Positionierung einer Arbeitgebermarke
hat die Immobilienwirtschaft noch Nachholbedarf.
Auf einen Blick
Im „War for talents“ weist die Immobilienwirtschaft Nachholbe-
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darf auf. Die Branche genießt bei High Potentials wenig Ansehen.
Auch das zunehmende Thema Demografie ist in den meisten Un-
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ternehmensleitungen noch nicht ausreichend angekommen.
Erste Ansätze zur Problemlösung gibt es jedoch inzwischen, etwa
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die Ausbildungskampagne des GdW Bundesverband deutscher
Wohnungs- und Immobilienunternehmen.
dem höchsten Stand seit 20 Jahren. Auch die Arbeitslosigkeit
ist mit 2,31 Millionen Personen so niedrig wie seit Jahren nicht.
Die Absorption der Arbeitskräfte am Markt findet vor allem im
Bereich der Fachkräfte und der Hochqualifizierten statt. In die-
sen Segmenten wird sich der heute schon spürbare Mangel in
den kommenden Jahren deutlich verstärken.
Für die Unternehmen bedeutet dies, dass qualifizierte Mit-
arbeiter zu einem immer wertvolleren Teil des Wertschöp-
fungsprozesses werden. Eine Verknappung des Guts „Arbeits-
kraft“ wird dem Prozess von Angebot und Nachfrage folgend,
zu steigenden Löhnen führen. Zudem dürfte die Dauer der
Arbeitsverhältnisse für ein Unternehmen sinken und es damit
erschweren, unternehmensspezifisches Fachwissen und Erfah-
rung in der Firma zu halten.
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen und damit die
Export- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern,
beschreitet die Politik unterschiedliche Wege. Hier stehen frei-
willige Verpflichtungen, wie beispielsweise der Nationale Pakt
für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs, neben speziellen
Initiativen wie dem Bundesprogramm „Perspektive 50plus“
oder dem Ausbau der Kinderbetreuung. Gesetzesänderungen
sollen darüber hinaus ausländischen Arbeitskräften den Zu-
gang zum Arbeitsmarkt erleichtern. So trat am 1. April das
Anerkennungsgesetz des Bundes in Kraft, das erstmals einen
Rechtsanspruch auf ein Verfahren zur Anerkennung auslän-
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Titelthema
Gabriele Bobka, Staufen
Fortsetzung auf Seite 22
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