MARKT UND MANAGEMENT
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11|2017
Bilanz- und Steuerwissen –
Aktuelles aus den Prüfungsorganisationen des GdW
Aufstellung des Jahresabschlusses unter
Ergebnisverwendung bei Wohnungsgenossenschaften
Der Jahresabschluss einer Wohnungsgenossenschaft darf auch unter Berücksichtigung der
vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt werden. Scheint dieses
handelsrechtliche Wahlrecht zunächst recht klar formuliert zu sein, so stellen sich in der Praxis doch
diverse Anwendungsfragen. Der folgende Beitrag greift einige dieser Fragen auf.
Das Handelsrecht gewährt einWahlrecht, wonach
der Jahresabschluss auch unter Berücksichtigung
der vollständigen oder teilweisen Verwendung
des Jahresergebnisses aufgestellt werden kann.
Bereits bei einer zentralen Begrifflichkeit dieses
Wahlrechtes, der Ergebnisverwendung, ergeben
sich Unsicherheiten.
Die Unsicherheit darüber, was unter einer Ergeb-
nisverwendung im Sinne von § 268 Abs. 1 HGB zu
verstehen ist, liegt nicht zuletzt daran, dass die-
ser Begriff im Handelsrecht selbst nicht definiert
wird. Nach der überwiegenden Auffassung ver-
steht man unter „Ergebnisverwendung“ im Sinne
des genannten Wahlrechtes sämtliche Vorgänge,
die vom Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag zum
Bilanzgewinn/Bilanzverlust überleiten. Es muss
sich um Vorgänge handeln, die im Zuge der Auf-
stellung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen
sind. In diesemSinn sindMaßnahmen der Ergebnis-
verwendung bspw. die Einstellung von Beträgen in
bzw. die Auflösung von Rücklagen. Nicht dagegen
fällt unter diesen Begriff z. B. die Ausschüttung der
Dividenden, da es sich bei der Dividendenzahlung
nicht um einen Vorgang im Zuge der Aufstellung
des Jahresabschlusses handelt.
Voraussetzungen des Wahlrechts
Die Inanspruchnahme des Wahlrechts, d. h. die
Aufstellung des Jahresabschlusses unter Be-
Dr. Matthias Zabel
Referatsleiter
Genossenschaftsrecht,
Genossenschaftswesen
GdW Berlin
WP/StB Ingeborg Esser
Hauptgeschäftsführerin GdW
Vorstand GdW Revision AG
Berlin
rücksichtigung der vollständigen oder teilweisen
Verwendung des Jahresergebnisses ist nicht ohne
weiteres möglich. Es muss z. B. eine gesetzliche
oder satzungsrechtliche Pflicht zur Einstellung
von Beträgen in oder zur Auflösung von Rückla-
gen bestehen, oder es besteht eine entsprechende
satzungsrechtliche Ermächtigung und diese wird
in Anspruch genommen.
Aufstellung versus Feststellung
Von der Aufstellung des Jahresabschlusses ist die
Feststellung desselben zu unterscheiden. Betrifft
die Aufstellung des Jahresabschlusses die techni-
sche Erstellung des Jahresabschlusses seitens des
Vorstandes unter Abschluss der laufenden Buch-
führung, so handelt es sich bei der Feststellung des
Jahresabschlusses umeinen konstitutiv wirkenden
Akt, durch den der Inhalt des Jahresabschlusses
verbindlich durch die Mitglieder festgelegt wird.
Jahresüberschuss versus Bilanzgewinn
Nach der Feststellung des Jahresabschlusses
kann die General- bzw. Vertreterversammlung
über die Verwendung des Ergebnisses beschlie-
ßen. Ist von dem genannten handelsrechtlichen
Wahlrecht kein Gebrauch gemacht worden, so
wird grundsätzlich über die Verwendung des
Jahresüberschusses oder die Deckung des Jah-
resfehlbetrages beschlossen.
Sofern von demWahlrecht der vollständigen oder
teilweisenVerwendung des Jahresergebnisses Ge-
brauch gemacht wird, tritt an die Stelle der Posten
Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag der Posten
Bilanzgewinn/Bilanzverlust. D. h., die Mitglieder-
bzw. Vertreterversammlung beschließt dann „nur
noch“ über dieVerwendung des Bilanzgewinns oder
die Deckung des Bilanzverlustes. Ungeachtet des-
sen kann die Mitglieder- bzw. Vertreterversamm-
lung den Jahresabschluss ändern, soweit dieser
noch nicht festgestellt ist. DieGdW-Mustersatzung
für Wohnungsgenossenschaften geht grundsätz-
lich von einer Inanspruchnahme des Wahlrechts
aus und bestimmt daher, dass die Mitglieder- bzw.
Vertreterversammlung über die Verwendung des
Bilanzgewinns oder die Deckung des Bilanzverlus-
tes beschließt.
Beispiel: Einstellungen in die
Ergebnisrücklagen
Gemäß den Bestimmungen in der GdW-Muster-
satzung für Wohnungsgenossenschaften kann
der Jahresabschluss unter vollständiger oder
teilweiser Verwendung des Jahresergebnisses
aufgestellt werden. Zum einen enthält die GdW-
Mustersatzung eine „allgemeine“ Ermächtigung
an Vorstand und Aufsichtsrat, bei der Aufstellung
des Jahresabschlusses unverbindliche Vorweg-
zuweisungen in die Ergebnisrücklagen vorneh-
men zu können. Zum anderen findet sich in der
GdW-Mustersatzung in Anlehnung an § 20 Satz 2
GenG eine „spezielle“ Ermächtigung, wonach der
Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates bei
der Aufstellung des Jahresabschlusses bis max.
50% des Jahresüberschusses verbindlich in die
Ergebnisrücklagen einstellen kann. Je nachdem,