DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2016 - page 24

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2|2016
NEUBAU UND SANIERUNG
de undmaximal rund 400 Bewohner pro Standort
unterzubringen. Als bisherige Obergrenze gelten
maximal vier Gebäude sowie als Untergrenze we-
nigstens zwei Gebäude je Standort. Zentralisierte
Massenunterkünfte sollen unbedingt vermieden
werden, weil diese erfahrungsgemäß deutlich
mehr Konfliktpotential im Betrieb erzeugen.
Schnelles Bauen im System
Die neuen Systembauten sind aus bau- und brand-
schutzrechtlichen Gründen zweigeschossig, da-
mit sie sich planungsrechtlich auf jeden Fall in die
Umgebung einfügen. Die zweigeschossige Bau-
weise bietet in diesem Fall für Fertigbausysteme
erfahrungsgemäß einen optimalen Kompromiss
zwischen Grundstücksausnutzung und baukonst-
ruktiver Einfachheit. Die freundliche Farbgebung
und die Details der Stuttgarter Systembauten über-
zeugen auch architektonisch und finden als Bautyp
breite Akzeptanz bei der Bevölkerung.
Beim Stuttgarter Weg der Flüchtlingsunterbrin-
gung werden darüber hinaus in Abstimmung mit
der Wohnungswirtschaft bewirtschaftungsbe-
dingt leerstehende Wohnungen vorübergehend
belegt. Die SWSG stellt interimsweise 145 Woh-
nungen für rund 560 Menschen zur Verfügung:
Wohnraum, der für eine anschließende General-
modernisierung und imanderen Fall für den Abriss
und Neubau vorgesehen ist.
Die Landeshauptstadt Stuttgart hatte sich bereits
2013 für den Neubau von Flüchtlingsunterkünf-
ten entschieden. Die SWSG, eine 100%ige Tochter
Stuttgarts, kam als Projektsteuerer und Baube-
treuer von Anfang anmit ins Boot. Angesichts der
immer schneller steigenden Flüchtlingszahlen
lautete das Ziel, inmöglichst kurzer Zeit möglichst
viele Unterkunftsmöglichkeiten zu errichten, die
einen guten Standard bieten und so den Erstan-
tragstellern eine solide vorläufige Bleibe auch für
längere Aufenthaltszeiten bieten können.
Vorteile der gewählten Ausschreibung
Die SWSG hat dazu eine beschränkte Ausschrei-
bung nach VOB/A ausgelobt. Diese war bewusst
bautechnisch systemoffen gefasst. In diesem
frühen Stadium sollte es noch keine Festlegung
auf ein spezielles Bausystem geben, um allen
Bauverfahren, die das nötige Tempo mitbringen,
von vorneherein eine Chance zu geben. Um über
die Tragstruktur hinaus die Mindestqualität aller
Baustandards zu sichern, wurde eine klare Funk-
tionalausschreibung gewählt.
Schlagendes Argument für die systemoffene Aus-
schreibung waren der breite Wettbewerb, die Be-
schleunigung der Prozesse und die bauliche Flexi-
bilität, mit der die Bauten angeboten werden. Bei
einem Planungsvorlauf von drei bis vier Monaten
inklusive Bauantragsverfahren können dieGebäude
samt Außenanlage binnen weiteren vier bis fünf
Monaten errichtet sein. Grundvoraussetzung war,
dass überall nach demselben Grundtypus gebaut
wird. Planänderungen sind trotz unterschiedlicher
Standorte allenfalls in sehr begrenztem Umfang
vorgesehen. Überall sind dieselbenGrundrisse und
Standards der Gebäudeinfrastruktur vorgegeben.
Dies verkürzt den Planungsaufwand deutlich. Den-
nochwerden die Systembauten laufendweiterent-
wickelt und die Standards ständig hinterfragt.
Entwicklungszeiten für konventionelle Häuser
dieser Größenordnung sind erfahrungsgemäß um
das Dreifache länger als die der Systembauten.
Dabei gibt es kaum einen Abschlag bei den Bau-
standards gegenüber einfachenWohnbauten. Die
Stuttgarter Systembauten halten alle gesetzlichen
Maßgaben für Neubauvorhaben hinsichtlich des
Mindestwärmeschutzes (EnEV), des Schallschut-
zes und des Brandschutzes ein. Eine Befreiung gab
es einzig bei der Stellplatzverpflichtung und dem
Erneuerbaren-Energien-Wärmegesetz.
Zwei verschiedene Bausysteme wurden dabei
bisher gewählt. Ein Anbieter setzte eine teilvor-
gefertigte Massivbauweise mit Betonfertigteilen
um, ein anderer wählte eine Stahlkonstruktionmit
Gipskartonbau. Grundsätzlich sind pro Geschoss
maximal 16 Zimmer für die Unterbringung von
Flüchtlingen vorgesehen. Auf den jeweils 14 m
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verteilen sich drei Betten – zwei als Stockbetten
– sowie Schränke, Tische und Stühle. Für Familien
lassen sich dank der Trockenbauweise zwei Zim-
mer leicht mit einer Verbindungstür zusammen-
schließen. Rechnerisch teilen sich zwölf Menschen
ein Bad. 24 Bewohner nutzen jeweils eine Küche.
Jeweils zwei Systemgebäude erhalten einen gro-
ßen Gemeinschaftsraum.
Konkrete Umsetzungen im
Stuttgarter Stadtgebiet
Nach diesem Muster sind bereits an sechs ganz
unterschiedlichen Standorten imgesamten Stadt-
gebiet verteilt 15 Systembauten entstanden. Die
Gebäude bieten mehr als 1.100 Menschen eine
Unterkunft. An weiteren 20 Standorten sind Ge-
bäude geplant. Einige Projekte befinden sich in
der Bauvorbereitung, andernorts wird auf den
Grundstücken schon gebaut. Weitere Standorte
sind im Frühherbst vom Gemeinderat der Lan-
deshauptstadt beschlossen worden und damit in
der Planung. Gegen Ende 2016 soll das letzte von
insgesamt 68 Gebäuden, die in zeitlich gestaffel-
ten Tranchen errichtet werden, gebaut werden.
Danach wird Wohnraum zur zwischenzeitlichen
und angemessenen Unterbringung für über 5.400
Menschen entstanden sein. Die Genehmigung für
die Systembauten gilt zunächst für fünf Jahre, es
gibt die Option auf eine Verlängerung der Bauge-
nehmigung auf zehn Jahre.
Die Stadtverwaltung versucht, den Bau der Sys-
tembauten zu beschleunigen. Hierzu hat Stuttgart
einen Krisenstab, die sog. Task Force Systembau-
ten, ins Leben gerufen. Unter der Leitung des Ers-
ten Bürgermeisters stellt ein Expertenkreis auf
Bürgermeister- und Amtsleiterebene dieWeichen
für Baugenehmigungen und bereitet sehr zügig
Entscheidungen für den Gemeinderat vor. Mit
einem zeitweise wöchentlichen Sitzungsrhyth-
Blick ein ein Zimmer mit 14 m
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,
drei Betten, sowie Schränke,
Tische und Stühle
1...,14,15,16,17,18,19,20,21,22,23 25,26,27,28,29,30,31,32,33,34,...68
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