Seite 66 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2014_08

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Wohntrends 2030
Zentrale Aufgabe: Quartiers- und Bestandsentwicklung
Wie wird sich das Leben der Menschen bis 2030 verändern? Welche Auswirkungen werden
neue Entwicklungen auf ihre Wohnwünsche haben? Und wie wird sich dies auf die Arbeit von
Wohnungsunternehmen auswirken? Das sind die zentralen Fragen, denen die Studie „Wohntrends 2030“
nachgeht, die Analyse & Konzepte und InWIS im Auftrag des GdW erstellt haben. Die DW stellt
in einer zweiteiligen Serie die wichtigsten Erkenntnisse für die Wohnungswirtschaft vor – Teil 2.
Bei der Weiterentwicklung und Modernisierung
der Wohnungsbestände wird es zunehmend
wichtiger, die Wohnwünsche unterschiedlicher
Zielgruppen zu berücksichtigen. Die Wohnungs-
nachfrage wird maßgeblich von mehreren, zum
Teil grundlegenden Trends beeinflusst. Einen
immer größeren Stellenwert nimmt das Thema
Nachhaltigkeit in der Bevölkerung ein.
Einerseits lässt sich dies an Einzelthemenwie einer
nachhaltigen Energieversorgung festmachen. Das
Bewusstsein für einen ressourcenschonenden Um-
gang mit Energie ist deutlich gewachsen. Erneu-
erbare Energieträger erfahren großen Zuspruch.
Rund zwei Drittel der Mieterhaushalte wünschen,
dass der Einsatz erneuerbarer Energien über den
heutigen Standard hinausgeht, und sind bereit,
dieses Engagement für Umwelt und Klimaschutz
mit einer höheren Miete zu honorieren.
Andererseits steckt dahinter eine fundamentale
Verschiebung in den Präferenzen vieler Haushal-
te, wie dies an dem ungebremsten Wunsch zum
Wohnen und Leben in einer kompakten Stadt zum
Ausdruck kommt. Viele Haushalte können sich
heute mehr den je vorstellen, mitten in der Stadt
zu wohnen. Das gilt nicht nur als chic, sondern
wird auch als nachhaltig eingestuft.
„Neo-Ökologie“: der starke Wunsch
nach Natur mitten in der Stadt
Die Stadt und ihre Vielfalt – die guten Arbeitsmög-
lichkeiten, ihre attraktive Infrastruktur, das Plus
an Freizeit und Kultur – lösen bei vielenMenschen
eine große Faszination aus. Städte wandeln sich
zu kreativen Gestaltungszentren. Es ist Ausdruck
von Partizipation und Bürgerengagement zugleich
geworden, sich Flächen anzueignen und sich dafür
verantwortlich zu fühlen. Urban Farming und Ur-
ban Gardening stehen für den Wunsch, Natur und
Stadt in Einklang zu bringen, und sind Beleg für
den wieder erwachten Gemeinsinn der heutigen
Bürgergesellschaft.
Stadt lebt vor allen Dingen durch die Vielfalt in
Quartieren mit jeweils eigenem und ganz beson-
derem Charme. Das Wohnumfeld und die Nach-
barschaft entscheiden maßgeblich mit über die
Bindung der Mieter an den Standort. Über 80 %
wünschen sich eine Nachbarschaft, in der man sich
gegenseitig hilft und unterstützt. Für über 70 %
sind Nachbarn wichtig, die man des Öfteren trifft
und mit denen man reden kann. Das stellt hohe
Anforderungen an Belegungs- und Integrations-
management. Angesichts hoher Zuwanderungs-
zahlen ist es erforderlich, Integrationskonzepte zu
entwickeln, damit sich die Menschen wohl fühlen
und nicht bei nächster Gelegenheit wieder fort-
ziehen. Wohnungsunternehmen sind wichtige
Protagonisten, um reale und virtuelle Netzwerke
in den Quartieren zu schaffen und zu organisieren.
Hohe Anforderungen an die persönliche
Sicherheit imWohnquartier
An Quartiere werden generell hohe Anforderun-
gen gestellt: Über alle Wohnkonzepte hinweg
steht im Quartier der Wunsch nach persönlicher
Sicherheit ganz vorn, gefolgt von der Sauberkeit
im Wohnumfeld. Einkaufsmöglichkeiten, medi-
zinische Versorgung und ÖPNV-Anbindung sind
für viele Haushalte gleich wichtig. Parallel zu den
allgemein gestiegenen Ansprüchen an das Wohnen
ist auch die Gestaltung bzw. das Äußere in den
Quartieren wichtiger geworden.
Viele Herausforderungen – wie die Energiewen-
de – können im Quartiersmaßstab besonders gut
gelöst werden. In zukunftsorientieren Energiever-
sorgungskonzepten werden der Strom- und Wär-
memarkt integriert betrachtet, leisten energeti-
sche Modernisierungsmaßnahmen einen Beitrag
sowohl zur Bestandsentwicklung als auch zumKli-
maschutz. Und auch die Frage der Mobilität wird
nachhaltig gelöst: Elektrisch betriebene Bikes
(E-Bikes) und PKWs (E-Cars) können als Sharing-
Angebote im Quartier gemeinsam genutzt wer-
den. So bleibt man mobil, obwohl immer mehr
Menschen in der kompakten Stadt auf das eigene
Auto verzichten.
Nachhaltige Quartiersentwicklung
als Herausforderung
Quartiere nachhaltig zu entwickeln ist eine große
Aufgabe. Quartiere sollen gemischt und vielfäl-
tig sein. Dafür wird mit den Wohnungsbeständen
und deren Ausstattung die Basis gelegt. Bestands-
und Quartiersentwicklung gehen daher mehr und
mehr Hand in Hand. Bei der Weiterentwicklung
der Bestände ist es wichtig, in den Quartieren
bezahlbaren Wohnraum zu erhalten und auch
neu zu schaffen. Vor allem für diejenigen, die im
hohen Alter nur eine geringe Wohnkaufkraft be-
sitzen, aber auf eine altersgerecht ausgestattete
Wohnung angewiesen sind. ImQuartier steigt die
Nachfrage nach ambulanten Pflegeleistungen, vor
allem getragen von den konventionellen und be-
scheidenen Wohnkonzepten.
Bettina Harms
Geschäftsführerin
Analyse & Konzepte
Hamburg
Michael Neitzel
Geschäftsführer
InWIS Forschung & Beratung GmbH
Bochum
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8|2014
MARKT UND MANAGEMENT