Seite 59 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2014_08

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ein Leben ohne Internet und Smartphone jemals
möglich? Auch dieWohnungswirtschaft nimmt sich
der Herausforderungen an, die mit dem digitalen
Zeitalter einhergehen. Internet, Tablet-PCs und
Smartphones haben nicht nur das Kommunika-
tionsverhalten von Mietern grundlegend verän-
dert, sondern vor allem ihre Erwartungshaltung.
Serviceleistungen sowie schnelle Reaktionszeiten
sind Merkmale, an denen sich entscheidet, ob ein
Unternehmen bei seinenKunden punkten kann oder
eher nicht. Und der Kundemacht dabei keinen Un-
terschied, ob es sich um ein Telekommunikations-
unternehmen oder eineWohnungsgenossenschaft
handelt.
Kundenbeziehungen digital managen
78 Mitarbeiter kümmern sich um die rund 8.700
Mietwohnungen der FLÜWO, die sich auf insge-
samt 23 Standorte in Baden-Württemberg und
Sachsen verteilen. Der persönliche Kontakt zu den
Mietern ist der Genossenschaft wichtig, gestaltete
sich aber angesichts der Dezentralität zunehmend
schwieriger. Umdenwachsenden Ansprüchen der
Mieter gerecht zu werden und auch die Arbeits-
abläufe bei den Vermietungsprozessen effizienter
zumachen, wurde entschieden, ein digitales Kun-
denbeziehungsmanagement einzuführen. Denn
abgesehen von den etwa 900Mieterwechseln, die
imJahr bearbeitet werdenmüssen, wollenmonat-
lich auch die bis zu 1.000 Interessentenanfragen
professionell beantwortet werden.
Aus dieser Vielzahl der Kontakte ergibt sich ein
enormes Potenzial, umMitarbeiter durch die Au-
tomatisierung von standardisierten Prozessen so
zu entlasten, dass siemehr Zeit für die persönliche
Betreuung von Mietern bzw. Mietinteressenten
haben.
Eingehende Analyse und Testphase
Eine Projektgruppe war zunächst damit beauf-
tragt, sämtliche Prozesse im Bereich der Mieter-
kommunikation eingehend zu analysieren. Auch
die Bearbeitung von Schadensmeldungen und das
Beschwerdemanagement wurden in diese Analyse
einbezogen. Die Zielsetzung lautete, Schwachstel-
len zu beseitigen und Soll-Prozesse zu optimieren.
Bei der Entwicklung des Portals lag der Fokus des-
halb vor allem auf der Meldungsfunktion. Sämt-
liche Anfragen bzw. Anliegen der Mieter sollten
rasch von dem zuständigen Sachbearbeiter bear-
beitet werden können. Mithin war es notwendig,
dass das zu entwickelndeMieterportal unmittelbar
an das bereits vorhandene ERP-Systemgekoppelt
ist. Sämtliche Meldungen, die eingehen, sollten
dort erfasst, archiviert und auch gleich dem rich-
tigen Ansprechpartner zugeordnet werden kön-
nen. Damit verfolgt die FLÜWO zugleich mehrere
Zielsetzungen: Der Status quo der Bearbeitung
eines Vorgangs bleibt transparent und somit auch
kontrollierbar. Darüber hinaus entfallen unnötige
Suchvorgänge, weil alleMeldungen eines Mieters
auf einen Blick sofort ersichtlich sind. Zudemwar
es Wunsch der FLÜWO, bis zur abschließenden Be-
arbeitung eines Vorgangs eine systemdefinierte
Erinnerungsfunktion zu implementieren, umeine
zeitnahe Rückmeldung an denMieter garantieren
zu können. Zugleich sollte den Mietern die Mög-
lichkeit gegebenwerden, ihre persönlichen Daten
– wie zum Beispiel die Telefonnummer – jederzeit
eigenständig zu aktualisieren. Jede Änderungwird
sodann direkt in das ERP-System übertragen.
Im Oktober 2013 war es schließlich so weit, dass
das neu entwickelteMieterportal unter realen Be-
dingungen getestet werden konnte. Dazu wurde
eine Gruppe von Mietern identifiziert, die über
drei Monate die Gelegenheit bekamen, das neue
Instrument eingehend zu nutzen. Die Rückmel-
dung darauf hat alle vorsichtigen Erwartungen
deutlich übertroffen: Von den 491 potenziellen
Nutzern haben 16 %die Gelegenheit beimSchopfe
ergriffen. Kalkuliert hatte die FLÜWO mit einer
Teilnahmequote von 10%.
Intensive Kommunikationsarbeit
Dass sich mehr Mieter als ursprünglich erwartet
an dem Test des Mieterportals beteiligt haben,
kam nicht von ungefähr. Intensive Kommuni-
kationsarbeit ist vorausgegangen, um auf das
neue Instrument aufmerksam zu machen. Ein
Gewinnspiel schaffte einen zusätzlichen Anreiz,
sich als Tester anzumelden. Die Resonanz auf das
Portal fiel schon in der Testphase überwiegend
positiv aus. Gelobt wurden vor allem die Über-
sichtlichkeit und die unkomplizierte Anwendung.
Überraschend war in diesem Zusammenhang die
Feststellung, dass Design-Aspekte für die Nutzer
nur eine untergeordnete Rolle spielten. Auch dass
Mieter als Tester ihre Anregungen in die Feinjus-
tierung des Portals einbringen konnten, wurde
positiv aufgenommen, denn die Testgruppe war
nach der offiziellen Inbetriebnahme auch zu einem
speziellen Workshop eingeladen worden.
Nach Ablauf der Testphase erfolgte schrittweise
die Einbindung aller Mieter in das Portal. Seit Mitte
Mai 2014 haben die 8.700 FLÜWO-Mieter – so-
wohl in Baden-Württemberg als auch in Sachsen
– Zugriff darauf. Dazuwurde jeder Mieter in einem
persönlichen Anschreiben über das neue Portal
informiert und konnte sich direkt mit seinem indi-
viduellen Registrierungscode anmelden. Auch die
bestandsweite Einbindungwurde zusätzlich durch
zahlreiche Kommunikationsmaßnahmen flankiert.
So gab es regelmäßige Berichterstattungen in der
Mieterzeitung, entsprechende Hinweise auf der
Internetseite der FLÜWO und beim Facebook-
Auftritt der Genossenschaft. Mit am meisten
Aufmerksamkeit erzeugten jedoch vor allem die
Informationsplakate, die in den Hauseingängen
aufgehängt wurden. Bereits in den ersten drei Wo-
chen nach der offiziellen Inbetriebnahmemachten
10% aller Mietern rege Gebrauch von demPortal.
Kontinuierliche Weiterentwicklung
Die Funktionalität des FLÜWO-Mieterportals soll
kontinuierlich erweitert werden. Dabei liefert der
Dialog mit den Mietern wertvolle Hinweise. So
wurde beispielsweisemieterseitig der Wunsch ge-
äußert, die persönlichen Verbrauchswerte abrufen
zu können. Auch die Vermittlung von Essensser-
vices wurde angeregt. Einige Zusatzfunktionen
sind bereits vorgesehen und sollen sukzessive frei-
geschaltet werden. Wie zumBeispiel das virtuelle
schwarze Brett, bei dem Mieter stadtteilbezoge
Aushänge kostenfrei in den Rubriken „kaufe-
suche-biete” platzieren können. Auch steht die
Überlegung im Raum, das Mieterportal mit dem
Handwerkerportal zu verbinden, um den Prozess
von einer Reparaturmeldung bis zur Erledigung
ebenfalls effizient zu gestalten.
Intensive Kommunikationsarbeit führte zu einer höheren Beteiligungsquote
als die FLÜWO ursprünglich kalkuliert hatte
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