Seite 72 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2013_06

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Flächenkühlungen zufolge wird für eine konven-
tionelle Konstruktion etwa 65 mm Estrich benö-
tigt. Das bedeutet eine zusätzliche Belastung der
Bodenkonstruktion von rund 130 kg/m
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.
Umendlich auch imModernisierungsmarkt Fuß zu
fassen, haben die Anbieter daher spezielle Syste-
me entwickelt, deren Konstruktionen wesentlich
dünner aufgebaut und die entsprechend leichter
sind (siehe Kasten). Eine weitereMöglichkeit sind
Wand- oder Deckenheizungen. „In vermieteten
Objekten sind Wandheizungen allerdings proble-
matisch, weil der Mieter nicht einfach einen Nagel
in die Wand schlagen kann“, gibt Rehau-Experte
Baumgart zu bedenken.
Vivawest baut nur „mit“
Anders als im Bestand baut die Gelsenkirchener
Vivawest in neue Gebäude grundsätzlich Fuß-
bodenheizungen ein. Für das Unternehmen, das
Anfang 2012 durch den Zusammenschluss von
Evonik Wohnen und THS Wohnen entstand und
in Nordrhein-Westfalen 130.000 Wohneinheiten
bewirtschaftet, ist die Nutzung erneuerbarer
Energien wie Erdwärme und Sonnenenergie ein
wichtiges Thema. Bereits seit 2009 realisiert das
Unternehmen imMietwohnungsbau Projekte mit
Geothermie und ist dabei auch offen für innovative
Ansätze. Aktuell entstehen in der Ziegeleistraße
in Marl Mehrfamilienhäuser, die mit Erdwärme
gespeist aus den stillgelegten Schächten der Ze-
che Auguste Victoria versorgt werden. Auch in der
Kersthover Höhe in Essen werden Mehrfamilien-
häuser seit 2010 über Geothermie beheizt. Die
Erdwärme dient jeweils als Energiequelle für eine
Wärmepumpe, die Fußbodenheizung verteilt die
erzeugte Wärme besonders effektiv.
Insgesamt baut Vivawest jährlich rund 250 neue
Bestandswohnungenmit einem Investitionsvolu-
men von 45 bis 50 Mio. €. „Zum Einsatz kommen
Kunststoffrohr-Fußbodenheizungen namhafter
Hersteller“, berichtet der Vivawest-Gebäudetech-
nikfachmann Ulrich. Die Qualität der Systeme sei
vergleichbar, Entscheidungskriteriumdaher in der
Regel der Preis. Für Kunststoffrohre spricht aus
Ulrichs Sicht die einfache und schnelle Verlegung.
Außerdem ließen sich diese besser reparieren.
Wärmemengenzähler sind obligatorisch
Neben der Effizienz und der großen Wohnbehag-
lichkeit nennt Ulrich die vereinfachte Ablesung der
Verbräuche als Vorteil der Fußbodenheizungen in
den neuen Vivawest-Gebäuden. An die Stelle von
Heizkostenverteilern an den Heizkörpern treten
im Flächenheizungssystem Wärmemengenzäh-
ler. Diesemessen die Temperatur des Heizwassers
beim Wohnungseintritt und -austritt und ermit-
teln somit direkt die jeweilige Wärmeabgabe in
Kilowattstunden. Solche Wärmemengenzähler
können zwar prinzipiell auch in Wohnhäusern
mit Radiatorheizungen eingesetzt werden, Heiz-
kostenverteiler etwa in Form von Verdunstungs-
röhrchen an jedem Heizkörper sind aber oft die
kostengünstigere Lösung.
Kühlfunktion als Dreingabe
„ImNeubaubereich ist der Einbau von Flächenhei-
zungen durch den Preisverfall der Komponenten
mittlerweile nicht mehr teurer als die klassische
Radiatorheizung“, betont Joachim Plate, Ge-
schäftsführer des Bundesverbandes Flächenhei-
zungen und Flächenkühlungen. Dabei bieten sie
den Vorteil, dass sie eine Doppelfunktion erfüllen.
Zwar spielt die Kühlfunktion in der Wohnungs-
wirtschaft bislang kaumeine Rolle, aber das kann
sich ändern. Professor Bert Oschatz vom Institut
für Technische Gebäudeausrüstung ITG Dresden
geht davon aus, dass der Bedarf an Kühlleistung
angesichts steigender Temperaturen zunehmen
wird. Dementsprechend sagt er Flächenheizun-
gen eine rosige Zukunft voraus. „Sie senken die
Investitionskosten gegenüber einem getrennten
Heiz- und Kühlsystem und steigern den ganzjäh-
rigen Komfort”, sagt er.
Der Großteil der heute verkauften Flächenheizun-
genwird imFußboden verlegt. In Zukunft ist aber
auch der vermehrte Einsatz in Wand und Decke
denkbar, was einige zusätzliche Vorteile bietet.
„Die Decke kann nicht mit Möbeln, Teppichen oder
Ähnlichemverstellt werden. Damit wird die Heiz-
beziehungsweise Kühlleistung optimal genutzt“,
erläutert Baumgart. Der Business-Team-Leiter
Gebäudetechnik Deutschland bei Rehau bricht
eine Lanze für die Betonkerntemperierung, für
die aus seiner Sicht auch die geringeren Investi-
tionskosten sprechen. Ein weiterer Vorteil seien
die im Vergleich zu einer herkömmlichen Fuß-
bodenheizung schnelleren Reaktionszeiten der
oberflächennahen Betonkerntemperierung. Die
Rohre werden nur wenige Zentimeter über der
Deckenunterseite verlegt. Außerdem sei die Be-
haglichkeit im Kühlfall größer, da über die Decke
gekühlt wird, es also keine kalten Füße gibt.
Bauteilaktivierung
verspricht zusätzliche Vorteile
Das Prinzip der Betonkerntemperierung beruht auf
der Nutzung der Speichermassen von Betonteilen
in Gebäuden. Andere Systeme nutzen ebenfalls die
Speicherfähigkeit der Gebäudesubstanz. So zum
Beispiel die Unitherm-Flächenheizung der Unipor-
Ziegel-Gruppe, ein Ziegelelement, das imunteren
Bereich einer Wand eingebaut wird. Von dort ak-
tiviert es das umgebende Mauerwerk, das heißt,
die gesamte Wand wird erwärmt und strahlt die
Wärme an den Raum ab. „Wird der untere Wand-
bereich über das Heizelement auf 25° C erwärmt,
beträgt die Wandtemperatur oben an der Decke
noch 23° C” , berichtetet Unipor-Geschäftsführer
Thomas Fehlhaber.
Die Abmessungen der Heizelemente sind Uni-
por zufolge so gewählt, dass sie sich gut in eine
massive Ziegelwand einbauen lassen. Ein Ele-
ment entspricht genau zwei Steinhöhen nach
DIN-Steinraster. Der Vorteil gegenüber anderen
Wandsystemen: Für die Bewohner gibt es kaum
Einschränkungen beim Bohren oder Nageln. Ab
etwa einem Meter über Bodenniveau verlau-
fen keine wasserführenden Rohre mehr. Für die
Verwendung von Unitherm in großen Wohnan-
lagen spricht laut Unipor zudem die thermische
Entkopplung. Da die Wände wärmer sind als die
Raumluft, wird Schimmelbildung wirkungsvoll
vorgebeugt. Derzeit wird das System in den drit-
ten Bauabschnitt des Ludmilla-Wohnparks imbay-
erischen Landshut eingebaut. Dort soll es seine
Praxistauglichkeit in einemgroßenWohnkomplex
unter Beweis stellen.
Flächenheizungselemente im Rohbau einer Ziegelwand
Quelle: Unitherm
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ENERGIE UND TECHNIK