Seite 66 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2013_06

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Unzureichende Vorsorge
Wer ist verantwortlich, wenn der Blackout alles
lahmlegt? Die Ressourcen öffentlicher Organe
wie Polizei und Katastrophenschutz dürften je-
denfalls schnell erschöpft sein. Wie beim Brand-
schutz auch, trägt sicherlich jedes Unternehmen
Verantwortung, ausreichende Schutzmaßnahmen
zu installieren. Und Deutschland ist insgesamt
schlecht aufgestellt, wenn flächendeckend die
Lichter ausgehen. Echte, nationale Katastrophen
hat es seit Ende des Zweiten Weltkrieges nur ver-
einzelt und punktuell gegeben. Entsprechend sank
die Vorsorge. Die Menschen sind es nicht mehr
gewohnt, Papiere, Kerzen und Taschenlampe
schnell griffbereit zu haben sowie haltbare Le-
bensmittel einschließlich Trinkwasser zu lagern.
Die Infrastrukturen wie Vorratskammern sind
entsprechend nicht mehr vorhanden. Man kauft
just-in-process, das bedeutet, man geht nach
der Arbeit in den Supermarkt und besorgt, was
abends in der Mikrowelle schnell zubereitet ist.
Das erschwert die Situation zusätzlich.
Das Undenkbare denken
Stromintensive Industrieunternehmen und Be-
triebe mit hochsensiblen Geräten wissen um die
möglichen Gefahren und sind daher viel weiter
als das Gros der Immobilienunternehmen, denen
bisher eine Präventionsstrategie fehlt. Nicht so
die WGLi, sie sieht Handlungsbedarf. Seit Kurzem
bereitet sie sich gemeinsammit demKompetenz-
zentrum Kritische Infrastrukturen (KKI) auf den
Ernstfall vor. Die Genossenschaft möchte weder
Hausmeister noch Mieter im Fall einer Katastro-
phe alleine lassen. Bevor sie in Luxussanierungen
investiert, sichert sie lieber die Grundbedürfnisse
der Menschen. In Workshops analysiert sie der-
zeit gemeinsammit den Beratern Abhängigkeiten
und Risiken. Es geht darum, möglichst genau zu
ermitteln, was bei einer kurzen, mittel- und lang-
fristigen Unterbrechung droht. Danach überlegt
man gemeinsam, welche Abhängigkeiten sich im
Ernstfall wie ersetzen lassen. Das ist eine Frage der
individuellen Risikoeinschätzung, der Finanzkraft
und der Effizienz. Früher hatten beispielsweise
viele Industriebetriebe, Flughäfen und Wasser-
werke eigene Kraftwerke. Um effizienter zu sein
und Kosten zu sparen, wurden sie jedoch oftmals
stillgelegt.
Schrittweise zur Lösung
Es muss aber nicht gleich das eigene Kraftwerk
sein. Bereits kleine Dinge können viel bewirken.
Die WGLi plant, alle Mieter mit Dynamohandlam-
pen auszustatten. So sensibilisiert sie die Mieter
für das Thema, ohne gleich unnötige Angst auszu-
lösen. In der Diskussion sindweitereMaßnahmen.
Zum Beispiel Pufferbatterien in die Hausflurbe-
leuchtung einzubauen. Der Flur ist schließlich der
amhäufigsten genutzte Hausbereich und dieMie-
ter passieren diesen imFall des Falles gefahrenfrei,
können sich dort treffen und gegenseitig helfen.
Auch Notstromaggregate in den Aufzügen stehen
zur Diskussion. Im Notfall kommuniziert die Ge-
schäftsleitungmöglicherweise über Funkmit den
Hausmeistern, im Hof treffen sich die Mieter an
Notfallinseln, wo sie eine warme Suppe essen und
sich informieren können. All dies sind Lösungssze-
narien. Am Ende des gesamten Prozesses steht
ein Notfallplan.
Die goldene Stunde
Den Notfallplan erhalten dann alleMitarbeiter der
WGLi. Priorität genießen die Hausmeister, die in
einer Krise an vorderster Front stehen und erster
Ansprechpartner für die Mieter sind. So wissen
diese gleich, was sie bei einer solchen Katastrophe
zu tun haben. Wenn sie nämlich erst anfangen zu
überlegen, geht wertvolle Zeit verloren. Erfahrun-
gen aus der Praxis zeigen, dass die Bewältigung
einer Krise von den ersten 60 Minuten abhängt.
Das ist die »goldene Stunde« des Krisenmanage-
ments. Treffen die Verantwortlichen in dieser Zeit
die richtigen Entscheidungen, vermeiden sie viele
weitere Schäden. Damit schützen sie sich auch
vor möglichen Regressansprüchen und vereinfa-
chen Regulierungen mit Versicherungen. Damit
das richtige Verhalten auch in Fleisch und Blut
übergeht, absolvieren die Mitarbeiter der WGLi
Krisenschulungen. Den Ernstfall proben sie, damit
bei einer tatsächlichen Katastrophe die richtigen
Verhaltensweisen fest verankert sind. Die Krisen-
experten der KKI unterstützen dieWGLi dabei, ein
funktionierendes Krisenmanagement im Falle ei-
nes Blackouts zu implementieren.
Eine Wohnanlage der WGLi
Kurzfristiger Ausfall
Die Stromversorgung bricht für wenige Sekundenbruchteile ab. Diese Ausfälle werden um-
gangssprachlich auch als Netzwischer bezeichnet. Nach kurzer Zeit ist die Energieversorgung
automatisch wieder hergestellt.
Mögliche Ursachen: Blitzeinschläge in Freileitungen, Schaltfehler bei Umspannwerken.
Brownout oder Sag
Kurzfristige Spannungsabsenkungen infolge von Überlastungen. Treten insbesondere in klei-
neren Stromnetzen oder unterdimensionierten Netzen mit zu gering verfügbarer Regelleistung
auf. In Deutschland eher selten.
Totalausfall oder Blackout
Mittel- bis langfristiger Stromausfall durch einen kompletten Spannungsausfall für mehrere
Minuten bis hin zu Stunden, Tagen oder Wochen. Lange Ausfallzeiten sind mit großräumigen
Schäden an der Infrastruktur wie Leitungen verbunden. Beispielsweise durch extreme Wetter-
ereignisse.
Risiken eines Stromausfalls
• Rahmenbedingungen haben sich in den letzten zehn Jahren erheblich geändert
• Systeme sind deutlich komplexer und die Abhängigkeiten untereinander sind erheblich
gestiegen; Folge: Systeme sind deutlich verletzlicher
• Ausfälle in einem Bereich können massive Auswirkungen auf die Gesamtsysteme haben
• Energiewende mit Ad-hoc-Auswirkungen in der Stromerzeugung und auf die Netzstabilität
• Naturereignisse
• Terrorismus
Die Vorbereitung und Bewältigung von Ereignissen zeigt einen deutlichen Handlungsbedarf.
STROMAUSFALL
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6|2013
ENERGIE UND TECHNIK