Seite 48 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2013_06

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Wenn die Wohnungswirtschaft bezahlbare
Mieten sichern will, dann muss sie sich des
Themas „Energie – sicher und bezahlbar“
annehmen. Und zwar aus ureigenem Inte-
resse: Nur so kann sie gewährleisten, dass
die Kunden in der Lage sind, die Miete auch
künftig zu bezahlen. Denn die Energiepreise
sind viel stärker gestiegen als die Kaltmie-
ten. Zwischen 2000 und 2012 stiegen die
Verbraucherpreise für Haushaltsenergie um
117%. Die Nettokaltmiete verteuerte sich dagegen im selben Zeitraum im
Durchschnitt nur um 16%. Hier wird eine eklatante Diskrepanz deutlich.
Wenn wir uns dann noch vor Augen führen, dass die Verbraucherpreise
für Haushaltsenergie alleine von Dezember 2009 bis Juni 2012 um 20,2%
gestiegen sind, dann wird deutlich, dass sich diese Dramatik noch zuspitzt.
Noch gar nicht berücksichtigt ist dabei die in der Öffentlichkeit heiß disku-
tierte Frage der Strompreise. Diese haben sich allerdings zwischen 2000
und 2012 mit einer Steigerung um 70 % längst nicht so stark verteuert
wie die Heizkosten. Darauf müssen wir in der Öffentlichkeit immer wieder
hinweisen, weil die Medien in der Debatte über die Energiewende leider so
gar nicht auf diesen Sachverhalt eingehen.
Natürlich müssen wir unsere Bestände auch energetisch sanieren. Aber
wenn die Häuser einmal komplett durchsaniert sind, wäre es völlig unwirt-
schaftlich, sie noch einmal anzupacken, um das von der Politik vorgege-
bene Ziel zu erreichen, den Primärenergieverbrauch um 80% zu senken.
Deshalb ist es wichtig, dass wir uns über das Thema Energieerzeugung
unterhalten. Denn wenn es uns gelingt, CO
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-arm und dezentral in den
Quartieren Energie zu produzieren, dann erreichen wir das von der Politik
vorgegebene Ziel wesentlich preisgünstiger. Darüber hinaus sprechen noch
weitere Punkte für eine solche dezentrale Stromerzeugung im Quartier:
Sie verringert die enormen Netzdurchleitungsverluste, wie sie bei der zen-
tralen Stromerzeugung auftreten, und reduziert so die Kosten, weil diese
Netzdurchleitungsverluste ja auf die Stromkosten aufgeschlagen werden.
Und sie ermöglicht eine Geschäftsfelderweiterung.
Effizienzsteigerung und dezentrale Energieerzeugung allein reichen aber
noch nicht aus, um das Thema rund zu machen. Eine entscheidende Rolle
spielt auch das Thema der Speicherung. Wir haben deshalb Anfang 2012
begonnen, uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen und einen ent-
sprechenden Prozess in Gang zu bringen. Dabei arbeiten wir mit externer
Unterstützung, weil die Speicherung von Energie nun einmal kein klassi-
sches Thema der Wohnungswirtschaft ist. Als wir einen ersten Workshop
hierzu veranstalteten, blickten wir noch in viele fragende Augen. Als dann
aber der Workshop zu Ende war, stellten wir eine Neugier fest, auf der
wir aufbauen wollen. Wir werden demnächst einen weiteren Workshop
organisieren, um Geschäftsmodelle für Wohnungsunternehmen in Bezug
auf die Speicherung vorzustellen. Es gibt bereits Unternehmen, von denen
man lernen kann. Die Wohnstätte Stade eG zum Beispiel hat zum Verdruss
der dortigen Stadtwerke begonnen, selber Energie zu erzeugen. Sie hat ein
Nahwärmenetz gelegt und versorgt ihre Mitglieder zu günstigen Preisen
mit Wärme und Strom, so dass die Mitglieder komplett unabhängig sind
von den Stadtwerken. Man sieht: Worüber wir reden, ist nicht ein fernes
Zukunftsthema, sondern man kann es schon heute besichtigen.
Axel Gedaschko, Präsident GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Imobilienunternehmen e. V., Berlin
„Dezentrale Stromerzeugung im Quartier“
Die degewo ist der größte Anbieter von
Wohnraum in Berlin und mit 72.000 Woh-
nungen in fast allen Stadtteilen präsent. Als
kommunales Unternehmen beschäftigt uns
vor allem ein Punkt: Wir sehen uns einem
erheblichen Erwartungsdruck der Politik aus-
gesetzt. Politiker erwarten von uns, dass wir
breite Schichten der Bevölkerung mit Wohn-
raum zu günstigen Mieten versorgen, aber
auch unsere Bestände energetisch sanieren
und so zu zur Energieeinsparung beitragen. Dass diese beiden Aspekte eng
miteinander verbunden sind und durchaus auch in Konflikt zueinander gera-
ten können, ist leider vielen Vertretern der Politik nicht klar. Hinzu kommt
eine zweite Fehleinschätzung: Häufig wird die Illusion erweckt, die ener-
getische Sanierung finanziere sich durch die Einsparungen beim Energie-
verbrauch von selbst und sei somit zum Nulltarif zu haben. In der Realität
glückt dies nur in den allerseltensten Fällen, nämlich dann, wenn es sich um
besonders heruntergekommene Immobilien handelt. Bei Wohnhäusern, die
kontinuierlich instandgehalten worden sind, liegen die Kosten für die ener-
getische Sanierung deutlich höher, als auf der anderen Seite beim Verbrauch
eingespart werden kann. Ich betrachte es als eine unserer Aufgaben, diese
Erkenntnis in den öffentlichen Raum zu transportieren.
Bei alledem ist es natürlich durchaus eine Aufgabe der Wohnungswirt-
schaft, sich für mehr Energieeffizienz zu engagieren. Im vergangenen
Dezember haben wir bei der degewo Berlins größtes Blockheizkraftwerk
in Betrieb genommen. Es befindet sich im degewo-Quartier Mariengrün im
südlichen Marienfelde und hat eine Gesamtleistung von 1.600 Kilowatt.
Finanziert und realisiert wird das Projekt im Rahmen eines Contracting-
Vertrages von der GASAG Wärmeversorgung GmbH.
Parallel dazu sanieren wir bis zum Jahr 2016 rund 2.400 Wohnungen im
Quartier Mariengrün. Dabei verfolgen wir das Ziel, im Wohnungsbestand
durch die Sanierung und das neue Energiekonzept mehr als 4.000 Tonnen
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pro Jahr einzusparen und gleichzeitig die Lebensqualität der Bewohner
zu erhöhen. Dabei verzichten wir darauf, den gesetzlich zulässigen Rahmen
Staatssekretär a. D. Frank Bielka, Vorstandsmitglied degewo AG, Berlin
„Erheblicher Erwartungsdruck der Politik“
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6|2013
ENERGIE UND TECHNIK