Seite 58 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_09

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Der Zeitpunkt zur Einbringung des Gesetzent-
wurfs ist mutig gewählt. Bei üblichem Verlauf
des Gesetzgebungsverfahrens – und hiervon ist
auszugehen – wird das Vorhaben frühestens gegen
Ende des Jahres zur Schlussabstimmung vor dem
Deutschen Bundestag gebracht. Damit rückt der
Regierungsentwurf in zeitliche Nähe zur Bundes-
tagswahl 2013. Gerade vor dem Hintergrund der
Diskussion umMiethöhe und knappenWohnraum
in Ballungszentren, ist das Mietrecht aber schon
jetzt Gegenstand politischer Auseinandersetzung.
Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat einen ent-
sprechenden Antrag „Soziales Mietrecht erhalten
und klimagerecht verbessern“ in den Bundestag
eingebracht.
Vor einer allein parteipolitischmotivierten Ausei-
nandersetzung ist jedochangesichts der Tatsache,
dass dem Gebäudesektor eine Schlüsselrolle für
Energieeffizienz und Klimaschutz zukommt, zu
warnen. Dies wäre kontraproduktiv. Übernimmt
man die Angaben der Bundesregierung, so ent-
fallen 40% des deutschen Endenergieverbrauchs
und rund 20% der CO
2
-Emissionen auf Gebäude.
Mit dem Gesetzesvorhaben ist eine schwierige
Herausforderung verbunden: Zum einen gilt
es, die auf der Ebene der EU und des Bundes
beschlossenen energiepolitischen Ziele zu er-
reichen. So soll bis zum Jahr 2050 der Primär-
energiebedarf um 80 % gemindert werden. Zum
anderen aber muss ein ausgewogenes Verhältnis
zwischen Vermieter und Mieter gefunden wer-
den. Diese Mietrechtsreform ist also der Ver-
such, die Belange von Klimaschutz, Vermieter
und Mieter in Einklang zu bringen. Wie schwierig
dies ist, zeigen wenige Beispiele des aktuellen
Gesetzesentwurfs:
Ausschluss der Mietminderung bei energeti-
scher Modernisierung
§ 536 Abs. 1a BGB-E regelt neu, dass Beeinträch-
tigungen des Mietgebrauchs während einer (zu-
sammenhängenden) Dauer von drei Monaten nicht
zu einer Minderung führen, soweit diese aufgrund
einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen
Modernisierung nach § 555b Nr. 1 BGB-E dient.
§ 555b Nr. 1 BGB-E definiert wiederumModerni-
sierungsmaßnahmen als bauliche Veränderungen,
durch die in Bezug auf die Mietsache Endenergie
oder nicht erneuerbare Primärenergie nachhaltig
eingespart wird (energetische Modernisierung).
Nach dieser Fassung gilt der Ausschluss der Miet-
minderung ausschließlich für eine energetische
Modernisierung. Andere Modernisierungsmaß-
nahmen bleiben vom Minderungsrecht des Mie-
ters unberührt.
Soweit eingewendet wird, dass diese Vorschrift
systemwidrig sei, da hier der volle Preis für eine
Leistung gezahlt werden soll, obwohl die Sache
nicht den Wert hat, die sie nach Vertrag haben
soll, gilt dies nur bedingt: Dem deutschen Recht
sind viele “Regel-Ausnahme-Verhältnisse“ oder
aber Einschränkungen von Ansprüchen bekannt.
Zum anderen gilt Folgendes: Der Vermieter ist es,
der die energetische Modernisierung, die häufig
ohnehin weitaus länger als drei Monate dauern
wird, umsetzen soll. DemVermieter würde aber ein
Anreiz zu energetischen Modernisierung genom-
men, wenn der Mieter die Miete sofort mindern
könnte. Insofern verteilt diese Vorschrift die Las-
ten gleichmäßig. Eine Schwäche dieses Vorschlags
ist aber seine Streitanfälligkeit: In der Praxis wird
man kaum zwischen einer energetischen Moder-
nisierung und Maßnahmen der Instandhaltung
oder Instandsetzung rechtssicher unterscheiden
können. Entsprechende Streitigkeiten und Prozes-
se könnten die Folge sein und so das Verhältnis
zwischen Mieter und Vermieter belasten. Gerade
im Mietverhältnis als Dauerschuldverhältnis soll-
ten aber offenkundig streitanfällige Regelungen
vermiedenwerden. Begrenzt auf drei Monate soll-
te der Minderungsausschluss also für sämtliche
Maßnahmen gelten, die mit einer energetischen
Modernisierung verbunden sind.
Duldung von Modernisierungsmaßnahmen,
Ausschlussfrist
Der neue § 555d BGB-E bestimmt, dass der Mieter
eine Modernisierungsmaßnahme zu dulden hat.
Nach Abs. 2 soll eine Duldungspflicht nur dann
nicht bestehen, wenn die Modernisierungsmaß-
nahme eine Härte bedeuten würde, die auch un-
ter Würdigung der berechtigten Interessen von
Vermieter und Mieter sowie von Belangen der
Energieeinsparung und des Klimaschutzes nicht
zu rechtfertigen ist.
Klargestellt wird, dass die zu erwartende Miet-
erhöhung sowie die voraussichtlichen künftigen
Betriebskosten bei dieser Abwägung außer Be-
Novelle des Mietrechts
Mietrechtsreform:
Es geht um interessengerechten Ausgleich
Endlich – so möchte man sagen – liegt der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Mietrechtsänderungs-
gesetz vor. Damit wird eines ihrer zentralen Vorhaben zur parlamentarischen Abstimmung gebracht.
Es soll Anreize zur energetischen Sanierung, Abhilfe gegen sogenannte Mietnomaden schaffen und den
Mieterschutz bei der Umwandlung von Miete in Eigentum verbessern. Schwerpunkt der Reform sind
die Änderungen zur energetischen Sanierung und damit die Vorschläge zur Änderung des bestehenden
„klassischen“ Mietrechts.
Carsten Herlitz
Justiziar des GdW, Berlin
Foto: Sebastian Schobbert
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