Seite 23 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_09

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„Ohne Gesundheit ist alles nichts“, heißt es so
schön. Will meinen, dass die Annehmlichkeiten
unserer Gesellschaft nur genießen kann, wer
gesund ist. Viele Krankheiten oder Verletzungen
können wir aus den unterschiedlichsten Gründen
nicht vermeiden. Ist Gesundheit also lediglich die
Abwesenheit von Krankheit?
ImZusammenhangmit demThemaWohnenmuss
die Antwort eindeutig „Nein“ lauten. Denn die
eigenen vier Wände sollen nicht zuletzt Ort der
Erholung, des Auftankens sein. Doch ist das im-
mer so? Wer in ein frisch gebautes oder saniertes
Gebäude geht, wird nicht seltenmit einemSchwall
unangenehmer Gerüche und reizender Substan-
zen konfrontiert, die schon beim kurzzeitigen
Aufenthalt Augenbrennen und Kratzen im Hals
hervorrufen. Langfristig steigt in einem solchen
Umfeld die Häufigkeit von Allergien und Unwohl-
sein oder es drohen im schlimmsten Fall langfristi-
ge Gesundheitsschäden. Durch die Verpflichtung,
immer energiesparender und damit luftdichter zu
bauen, verbleiben Schadstoffe aus Bauprodukten
und deren Verarbeitung immer häufiger in den
zukünftigen Lebensräumen.
Wollen das Mieter und Wohnungskäufer? Wer bei
gesundem Menschenverstand ist, sagt natürlich
nein, Umfragen bestätigen dies. Viele der Be-
fragten gehen zu Recht davon aus, dass eine neu
gebaute oder frisch sanierte Immobilie nicht krank
macht. Andere sind sogar bereit, für eine sichere,
gesunde Innenraumluft einen Mehrpreis zu zah-
len. Übrigens gibt es in Deutschland keine DIN,
keine Verordnung und kein Gesetz für die Qualität
der Innenraumluft. Im Gegensatz zur Außenluft.
Stattdessen gibt es eine ganze Reihe von Empfeh-
lungen staatlicher Institutionenwie demUmwelt-
bundesamt, Gerichtsurteile und Schadensfälle,
diese teilweise in Millionenhöhe.
Wohnungswirtschaft geht voran
Immer mehr Unternehmen der Wohnungswirt-
schaft erkennen die Chancen in Vertrieb und Mar-
keting, aber auch die juristischen und wirtschaft-
lichen Gefahren, die im Thema Wohngesundheit
liegen. Die Stadtsiedlung Heilbronn beim Umbau
eines Campusgebäudes und die Josephs-Stiftung in
Bamberg haben sich in den letzenMonaten in dieser
Hinsicht beraten lassen und handeln entsprechend.
InKundl in Tirol entsteht imAuftrag des führenden
WohnungsbauunternehmensWestösterreichs, der
NeuenHeimat Tirol, einMehrfamilienhaus nach ho-
hen innenraumhygienischen Standards. Das Projekt
soll zeigen, dass sicher wohngesundes Bauen ohne
nennenswerte Mehrkosten möglich ist.
Qualitätssiegel der Wohnunsgwirtschaft
Auch das Siegel NachhaltigeWohnungswirtschaft
setzt anspruchsvolle Grenzwerte für wichtige
Schadstoffgruppen. Wer hier die höchste Stufe
erreichen will, muss also wohngesund bauen und
sanieren. Dass das möglich ist, zeigen zahlreiche
Projekte, nicht nur Ein- und Mehrfamilienhäuser,
sondern zum Beispiel auch Kindertageseinrich-
tungen. Dabei muss deutlich gesagt werden, dass
hier keine exotischen Baumaterialien zumEinsatz
kommen, sondern solche, deren emissionsarme
Eigenschaften von unabhängigen und guten Ex-
perten wie dem eco-Institut in Köln oder dem
internationalen Verein natureplus bestätigt wur-
den. Das Geheimnis wohngesunden Bauens liegt
nicht darin, besonders extravagant und teuer zu
bauen. Sondern vielmehr in einem Qualitätsma-
nagement, das in einemmöglichst frühen Stadium
der Planung beginnt, mit der Baustoffauswahl und
der Schulung der Handwerker fortgeführt wird
und schließlich in Raumluftkontrollen eines un-
abhängigen Experten endet. Dies alles nach wis-
senschaftlichen Standards und in einem transpa-
renten Verfahren. Das erhöht die Glaubwürdigkeit
des Vorgehens und die des Auftraggebers.
Wohngesundheitskoordinatoren
Dass nicht in jedem Unternehmen der Wohnungs-
wirtschaft das dafür nötige Ingenieurswissen
vorhanden ist oder geschaffen werden kann, ist
offensichtlich. Dafür gibt esmit denWohngesund-
heitskoordinatoren (WoGeKo) Experten, die diese
Aufgabe im Auftrag des Investors übernehmen.
Noch ist dieseQualifikation vergleichsweise selten
vertreten, aber für Architekten und Ingenieure ein
durchaus aussichtsreiches Betätigungsfeld.
Hier kommt nach der Energieeffizienz (und da-
durch beschleunigt) das nächste Thema auf die
Wohnungswirtschaft zu: das Thema gesundes
Bauen und Wohnen in Form einer überprüfbar
guten Qualität der Innenraumluft. Dafür sorgen
neben dem Interesse der Mieter und Nutzer schon
die Planungen auf EU- und nationaler Ebene so-
wie neue Richtlinien und Empfehlungen. Wer dann
noch fragt „Wer will schon gesund wohnen?“ hat
die Herausforderung für sein Unternehmen nicht
verstanden.
Wohngesundheit
Wer will schon gesund wohnen?
Megatrend oder Medienhype? Das Thema gesundes Bauen und Wohnen taucht verstärkt in
Fachdiskussionen, Verordnungen und Medien auf. Muss sich die Wohnungswirtschaft dem stellen
oder geht der Kelch an den Verantwortlichen vorüber?
Peter Bachmann
Geschäftsführer Sentinel Haus Institut GmbH
Freiburg i. Br.
Anlagen sind so anzuordnen, zu errich-
ten, zu ändern und instand zu halten,
dass die öffentliche Sicherheit und Ord-
nung, insbesondere Leben, Gesundheit
und die natürlichen Lebensgrundlagen,
nicht gefährdet werden.
THEMA DES MONATS
MUSTERBAUORDNUNG §3, ABSATZ 1
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