Seite 89 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_11

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WEG § 14 Nr. 4, 21, 23, BGB §§ 280 ff.
Verzögerte Beschlussfassung über
notwendige Instandsetzungsmaß-
nahmen
1. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen verzögerter Beschlussfas-
sung über notwendige Instandsetzungsmaßnahmen nach § 280 Abs.
1 und 2, § 286 BGB scheidet aus, wenn der betroffene Wohnungsei-
gentümer vorher gefasste Beschlüsse über die Zurückstellung der
Instandsetzung nicht angefochten hat.
2. Die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband ist jedenfalls
dann dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber verpflichtet,
die unverzügliche Umsetzung eines Beschlusses zur Sanierung des
Gemeinschaftseigentums gegenüber dem Verwalter durchzusetzen,
wenn der Beschluss den Zweck hat, einen Schaden am Gemein-
schaftseigentum zu beseitigen, der das Sondereigentum des Woh-
nungseigentümers unbenutzbar macht.
BGH, Urteil vom 13.7.2012, V ZR 94/11
Bedeutung für die Praxis
Die Wohnungseigentümer haben bei der Entscheidung darüber, in welchen
Schritten sie eine sachlich gebotene Instandsetzung des Gemeinschafts-
eigentums durchführen, einen Gestaltungsspielraum. Ein Anspruch auf
sofortige Durchführung einer bestimmten Maßnahme entsteht ledig-
lich dann, wenn allein dieses Vorgehen ordnungsmäßiger Verwaltung
entspricht. Wenn die Wohnungseigentümer eine sich ihnen aufdrängende
vollständige Sanierung des Gemeinschaftseigentums ablehnen und qua
Beschluss zunächst eine weitere Beobachtung der Entwicklung des Haus-
schwamms und sodann mit weiterem Beschluss pflichtwidrig nur eine
Teilsanierung beschließen, schließt die Bestandskraft solcher Beschlüs-
se nicht nur den Einwand aus, das Vorgehen habe nicht
ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen, sondern auch
darauf gestützte Schadensersatzansprüche.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
die finanzielle Ausstattung des Kandidaten für die WEG-Verwaltung. Aus
rechtsformbedingten Besonderheiten folge nicht, dass einer haftungsbe-
schränkten Unternehmergesellschaft generell die für einen geordneten
Geschäftsbetrieb als Verwalterin einer Wohnungseigentümergemein-
schaft erforderliche finanzielle Ausstattung abzusprechen ist. Aber: Die
Wohnungseigentümer haben nach § 21 Abs. 3 und 4 WEG nicht nur einen
Anspruch darauf, dass die Tätigkeit der Verwaltung den Grundsätzen
ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, sondern auch darauf, dass der
Verwalter selbst diesen Anforderungen genügt. Der Beurteilungsspiel-
raum wird überschritten, wenn ein Unternehmen zum Verwalter bestellt
wird, das nicht über die dazu notwendigen finanziellen Mittel verfügt und
auch keine ausreichenden Sicherheiten stellen kann. Denn ein solches
Unternehmen bietet u. a. keine hinreichende Gewähr dafür,
dass es auf Dauer die ihm anvertrauten Gelder der Gemein-
schaft getreu verwalten wird.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT
BGB § 1004; WEG §§ 14 Nr. 2, 15
„Ungenehmigter” Gebrauch der
Wohnung als Kindertagespflege-
stelle
Die Nutzung einer Wohnung zum Betrieb einer entgeltlichen Tages-
pflegestelle für bis zu fünf Kleinkinder stellt die „Ausübung eines
Gewerbes oder Berufes in der Wohnung” im Sinne der Teilungserklä-
rung dar. Der Beschluss der Wohnungseigentümer in einer Eigen-
tümerversammlung erschöpft sich nicht zwingend allein in einem
Negativbeschluss des Inhalts, dass sich die erforderliche Mehrheit
für die Erteilung einer Genehmigung nicht fand. Vielmehr kann die
Verweigerung der Genehmigung zugleich die Untersagung einer
weiteren Fortsetzung der in der Wohnung ausgeübten Kinderbetreu-
ungstätigkeit beinhalten.
BGH, Urteil vom 13.7.2012, V ZR 204/11
Bedeutung für die Praxis
Zur Bezugsgröße der qualifizierten Mehrheit lag hier eine eindeutige
Regelung in der Teilungserklärung vor: Dreiviertelmehrheit der abgege-
benen Stimmen. Falls aber nicht – wie hier – ausdrücklich die Bezugsgröße
genannt ist, kommt man über eine Auslegung der Teilungserklärung in der
Regel zur Stimmenzahl aller Eigentümer als Maßstab (vgl. LG Hamburg
ZMR 2012, 468). Zur Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Regelungen
für Kinderlärm (vgl. § 22 Abs. 1a BImSchG) und deren zi-
vilrechtliche Bedeutung vgl. Dötsch ZfIR 2012, 458 ff., der
noch keine höchstrichterliche Klärung feststellen konnte.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 26
Haftungsbeschränkte Unternehmer-
gesellschaft als WEG-Verwalterin?
Bei der Bestellung des Verwalters haben die Wohnungseigentümer
wie bei der Abberufung einen Beurteilungsspielraum. Eine haf-
tungsbeschränkte Unternehmergesellschaft kann Verwalterin einer
Wohnungseigentümergemeinschaft sein. Zum Verwalter einer Woh-
nungseigentümergemeinschaft darf unabhängig von der Rechtsform
nur bestellt werden, wer über ausreichende finanzielle Mittel verfügt
und ausreichende Sicherheit im Haftungsfall bietet. Besteht bei
objektiver Betrachtung Anlass, die Bonität des in Aussicht genom-
menen Verwalters zu prüfen, müssen die Wohnungseigentümer die
Bestellung zurückstellen, bis sie Unterlagen oder andere Erkenntnis-
se haben, die eine entsprechende Entscheidung erlauben.
BGH, Urteil vom 22.6.2012, V ZR 190/11
Bedeutung für die Praxis
Bereits das LG Karlsruhe (ZMR 2012, 391) hatte eher generelle Bedenken
gegen die Bestellung einer haftungsbeschränkten Unternehmergesell-
schaft als WEG-Verwalterin. Nur ausnahmsweise sollte eine Verwaltung
in dieser Rechtsform akzeptabel sein (z. B. bei entsprechend hoher
Versicherung). Der BGH knüpft nicht an die Rechtsform an, sondern an
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