Seite 56 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_11

Basic HTML-Version

Die Entwicklung der Betriebskosten macht vie-
len Beobachtern Sorgen. Schon jetzt belasten die
hohen Preise für Energie und Abfallentsorgung
dieMieter, und nach einhelliger Einschätzung der
Fachleute werden die Kosten in Zukunft weiter in
die Höhe klettern. Entsprechend wichtig ist für
die Unternehmen ein effizientes Abfall- und Ener-
giemanagement – Dienstleistungen, wie sie große
Unternehmen seit langem anbieten.
Ende August gründeten acht Energie-, Abfall- und
IT-Experten in Berlin die Genossenschaft Muster-
knaben für vorblidliches Betriebskostenmanage-
ment – und die hat ehrgeizige Ziele: „Innerhalb
von drei Jahren wollen wir 100.000 Wohnungen
betreuen“, sagt Sven Hauke Kaerkes, der zusam-
men mit Carolin Poprawa den Vorstand der Ge-
nossenschaft bildet.
Darauf, dass es sich dabei nicht um ein vollmun-
diges Versprechen handelt, deutet der berufliche
Hintergrund der Genossenschaftsgründer hin. Vor
allem Kaerkes ist ein alter Hase: seine ersten Er-
fahrungen als Standplatzbetreuer sammelte er bei
der Müllabfuhr der Stadt Köln, entwickelte dann
ein Konzept für die Abfallentsorgung in Großsied-
lungen und gründete die Innotec-Gruppe, die zu
den führenden Betrieben des Abfallmanagements
zählt. Auch die anderen Gründungsmitglieder ver-
fügen laut Kaerkes über einschlägige Erfahrungen:
„Wir sind ein Kreis von Experten und bilden den
Nukleus für Dienstleistungskonzepte, die wir der
Wohnungswirtschaft anbieten.“
Warum Genossenschaft?
Dass sich der neue Anbieter in der Rechtsformder
Genossenschaft gegründet hat, ist eine Folge des
Internationalen Jahrs der Genossenschaften, das
derzeit begangen wird. Auf Veranstaltungen der
Friedrich-Ebert-Stiftung sei er auf die Genossen-
schaftsidee aufmerksamgeworden, sagt Kaerkes,
der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
Selbständige in der SPD ist. Dabei sei ihm aufge-
fallen, dass es imDienstleistungsbereich – anders
als in der Wohnungswirtschaft – nur ganz wenige
Genossenschaften gebe.
Höchste Zeit also, das zu ändern – zumal die
Rechtsform der Genossenschaft große Vorteile
biete. „Die Mitglieder können Einblick in die Bü-
cher nehmen und haben über die Rückvergütung
Anteil amerzielten Gewinn“, argumentiert Carolin
Poprawa. Damit will die Genossenschaft denWoh-
nungsunternehmen eine Alternative zur Gründung
eigener Tochtergesellschaften bieten. Gleichzeitig
begibt sie sich aber ganz bewusst auch in Konkur-
renz zu etablierten Dienstleistern, die sich zum
Teil in der Hand internationaler Finanzinvestoren
befinden und ehrgeizige Renditeziele verfolgen.
UmMitglied bei der Musterknaben eG zu werden,
reicht es, einen Genossenschaftsanteil über 500 €
zu erwerben. Eine Verpflichtung für die Kunden,
sich an der Genossenschaft zu beteiligen, besteht
jedoch nicht.
Dienstleistungen „classic“ und „plus“
„Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Rechtsform
der Genossenschaft“, betont Carolin Poprawa.
Einzelne der von der Genossenschaft erbrach-
ten Dienstleistungen hingegen bieten nach ihren
Worten durchaus auch andere Unternehmen an.
Dabei konzentrieren sich die Musterknaben (und
Mustermädchen, wie Poprawa augenzwinkernd
sagt) auf zwei Bereiche: das Abfall- und das Ener-
giemanagement, wobei jeweils zwei Leistungspa-
kete („classic“ und „plus“) zur Auswahl stehen.
Im Bereich des Abfallmanagements umfasst die
„classic“-Variante eine Abfallberatung, ein op-
timiertes Behältermanagement und einen Rei-
nigungsservice. In der „plus“-Variante kommt
die individuelle Erfassung der von den Mietern
verursachten Abfallmenge hinzu. Auch beimEner-
giemanagement lassen sich unterschiedliche Leis-
tungen buchen – von der Datenerfassung via Funk
über das Störungsmeldungsmanagement bis hin
zur Steigerung der Effizienz der Anlagentechnik.
Vor allem imEnergiebereich betont der Genossen-
schaftsvorstand den Einfluss der Gesetzgebung.
„Die gesetzlichen Auflagen, insbesondere der EU,
werden zu weiter steigenden Anforderungen an
die Energieabrechnung führen“, betont Carolin
Poprawa. „Energiedaten werden für die Woh-
nungswirtschaft in der Zukunft deshalb wert und
teuer sein.“ Hier bietet dieMusterknaben eG nach
eigenen Angaben dieMöglichkeit, allen künftigen
Genossenschaft für Betriebskostenminimierung
Die Musterknaben machen’s vor
Die Betriebskosten steigen und werden ein immer bedeutenderer Bestandteil der Gesamtmiete. Umso
wichtiger ist es für Wohnungsunternehmen, diese Kosten möglichst gering zu halten. Jetzt schickt sich ein
neuer Marktteilnehmer an, den etablierten Dienstleistern im Bereich des Abfall- und Energiemanagements
Konkurrenz zu machen: die neu gegründete Genossenschaft Musterknaben eG.
Christian Hunziker
freier Immobilienjournalist
Berlin
54
11|2012
ENERGIE UND TECHNIK