Seite 37 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_11

Basic HTML-Version

wohnzimmer inklusive Essbereich, eine Küche
und Hauswirtschaftsraum. Hinzu kommen sechs
abschließbare Apartments zwischen 25 und
46 m
2
– ohne Anteil Gemeinschaftsfläche – für
fünf Singles und ein Paar. Die sind mit einem ei-
genen Bad, Terrasse oder Balkon und einer Koch-
nische ausgestattet. Während die 95 m
2
große
Gemeinschaftsfläche komplett von der LBG ein-
gerichtet wird, bringen die Bewohner für ihre
Apartments eigene Möbel mit. Die technische
Grundversorgung sichert ein Hausmeister. Der
Clou: Im selben Gebäude betreibt die LBG eine
drei Zimmer große Gästewohnung, die Angehö-
rige und Freunde der Senioren für 35,- € pro Tag
mieten können. „Oder Senioren, die an der WG
interessiert sind, ziehen dort für eine Woche ein
und testen, ob das WG-Leben überhaupt etwas
für sie ist“, erläutert Josef Vogel.
„Die ganze Anlage ist auf die Bedürfnisse der
Senioren abgestimmt und barrierearm geplant.
Die Türen sind 1 m breit, im Bad ist ein großer
Wendekreis, die Duschen sind großzügig ohne
Schwellen, die Handwaschbecken können unter-
fahren werden, das WC ist etwas höher gesetzt“,
zählt Mathias Friko einige Besonderheiten auf.
„Und es gibt einen Treppenlift.“ Ein Lift im EG?
„Ja, das Haus ist von 1956, zu der Zeit war das
Erdgeschoss in der Regel halbgeschossig ver-
setzt. Vier Apartments sind über eine achtstufige
Treppe zu erreichen.“
An die Umwelt wird natürlich ebenfalls gedacht.
Auf demDach ist eine Photovoltaikanlage instal-
liert, deren Strom nach Möglichkeit Elektroautos
bei der LBG speist. Das Gebäude wird insgesamt
energetisch saniert. Somit können die Senioren
in der WG sowohl das Klima als auch ihr Konto
schonen.
Faire Mietpreise
Apropos Kosten: Mit einemMietpreis von 7,20 bis
7,50 €/m
2
ist die Senioren-WG günstig. EineWoh-
nung kostet in Stuttgart im Durchschnitt 9,40 €/
m
2
, eine Seniorenwohnung oft 12,- € und mehr.
„In der Regel müssen die Bewohner nämlich noch
eine Pauschale für wohnbegleitende Dienstleis-
tungen entrichten“, weiß Josef Vogel und fügt
schnell an: „Die wird es bei uns nicht geben!
Stattdessen können verschiedene Dienstleistun-
gen des Arbeiter-Samariter-Bundes in Anspruch
genommenwerden – dank unserer Kooperation zu
Sonderkonditionen. Ob Hausnotruf, Körperpfle-
ge oder Fahrservice, jede Leistung wird einzeln
gebucht, und auf alles gibt es 10 % Rabatt. Das
Angebot gilt übrigens für alle LBG-Mitglieder.“
Der Bedarf ist da. Denn die demografische Ent-
wicklung macht auch vor LBG-Mitgliedern nicht
halt. Rund 15.000 Menschen leben in den knapp
5.500Wohnungen der LBG. Etwa 6.000Mitglieder
zählt die Genossenschaft. Davon sind 1.557 über
65 Jahre alt, 819 haben bereits die 75 überschrit-
ten. Und da die älteren Menschen selbstständig,
sprich so lange wie möglich in ihrer Wohnung
bleiben möchten, reduziert die LBG generell alle
Barrieren, wenn sie in ihren Beständen moderni-
siert. Vor demHauseingangwerden beispielsweise
Rampen angebracht, Türenwerden erweitert und
geräumige Duschwannen mit niedrigem Einstieg
installiert. Die Verbesserung der Wohn- und Le-
bensqualität ihrer Mieter ist der LBG viel wert:
Verglichen mit den Zahlen anderer Wohnungs-
unternehmen, die der GdW Bundesverband deut-
scher Wohnungs- und Immobilienunternehmen
e. V. erhoben hat, investierte die LBG mehr als
das Dreifache in die Instandhaltung undModerni-
sierung ihrer Wohnungen und Häuser – 50 Mio. €
allein in den vergangenen zwei Jahren, so der
LBG-Vorstand.
„Auf welcher Etage die Wohnung liegt, ist eben-
falls kein Kriterium“, bemerkt Josef Vogel. „Un-
sere Senioren haben immer Vorrang, wenn im
Erdgeschoss eine Wohnung frei wird.“ Dass das
Treppensteigen Mühe macht, gibt Karl Czika, ein
weiterer Interessent der Senioren-WG, mit dem
Schmankerl zu: „Früher habe ich zehn Bier und
eine Brezel in meine Wohnung im dritten Stock
geschleppt. Heute ist nur noch eine Brezel drin.“
Dennoch ist für ihn wie für Frieda Magura die Ge-
sellschaft der ausschlaggebende Grund für die
Senioren-WG.
Gemeinschaft wird wichtiger
„Mein Sohn und meine Tochter rufen mich zwar
regelmäßig an, manchmal verpassen wir uns
aber. Es kann also durchaus passieren, dass ich
zwei Wochen lang in meiner Wohnung auf dem
Boden liege und es niemand merkt“, bringt der
74-Jährige seine größte Sorge auf den Punkt.
Seine Frau ist vor 9 Jahren gestorben. Vom acht-
köpfigen Stammtisch ist er als Einziger übrig ge-
blieben. Er ist allein und fühlt sich auch so. Mit
der WG könnte alles anders werden. Per Zufall
hat er davon erfahren und ist sofort bei der LBG
Mitglied geworden. Frieda Magura ist bereits seit
60 Jahren Mieterin bei der LBG. Und will es blei-
ben. Ein Altersheim kommt für sie nicht infrage.
„Solange ich fit bin, sage ich: nix wie raus. Aber
es ist schön, abends nach Hause zu kommen und
jemand ist da.“ In Gedanken feiert sie schon ih-
ren nächsten Geburtstag in der WG. Der ist am
23. Februar. „Wir könnten Einweihungs- und Ge-
burtstagsfeier zusammenlegen“, schließt Josef
Vogel optimistisch die Ortsbegehung ab.
Gemeinsame Aktivitäten und Veranstaltungen sind für
Ältere wichtig. Fasching im Mietertreff der LBG.
35
11|2012