Seite 64 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_11_2011

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Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR)
Faire Wasserpreise?
Ergebnisse eines Forschungsprojekts
In Kommunen mit Bevölkerungsrückgang ist dem Trend, dass immer weniger Bürger die Kosten der Infrastruktur tragen
müssen, wenig entgegenzusetzen. Bei Minderauslastung der technischen Infra­struktur für Trink- und Abwasser und
möglichen Preissteigerungen stellt sich auch die Frage einer verursachergerechten Kostenzuordnung. Sollten bei der
Preisgestaltung Bebauungsdichten, Grundstücksgrößen oder Entfernungen zum Wasserwerk berücksichtigt werden?
Inwieweit sind entsprechende Differenzierungen sinnvoll, möglich oder schon gegeben? In einem Forschungsprojekt des IÖR
wurde am Beispiel von drei ostdeutschen Mittelstädten die Gestaltung der gegenwärtigen Preise beleuchtet.
Die Kosten für die Frisch- und Abwasser-
aufbereitung sind in ihrer Höhe vielfältig
beeinflusst und regional sehr unterschied-
lich. Entsprechend unterschiedlich sind
die zugehörigen Preise. So spielen neben
der Wasserverfügbarkeit, der Wasserqua-
lität und den Geländegegebenheiten die
Größe, die Auslastung und das Alter der
Leitungsnetze und Anlagen, durchgeführte
Investitionen und ihre Finanzierung sowie
die Siedlungsdemografie und -dichte inner-
halb eines Versorgungsgebietes sowie die
rechtlichen Rahmenbedingungen eine ent-
scheidende Rolle. Die Preise können sich
regional um 500 Prozent unterscheiden.
Fixkosten und Rahmenbedingungen
In den drei Beispielstädten (zur Anonymi-
sierung als Stadt A, B und C bezeichnet)
erwiesen sich als wesentliche Faktoren für
künftige Entwicklungen die Finanzierungs-
kosten als Hauptkostentreiber, aber auch
Netzsanierungsstrategien, die Verteilung
der Fixkosten auf weniger Verbraucher
und eine sinkende Nachfragemenge. Hier
wurden bis 2030 Kostensteigerungen bei
den Versorgern von bis zu 40 Prozent je
Kubikmeter Frischwasser beziehungsweise
40 bis 70 Prozent je Kubikmeter Abwasser
errechnet
1
. Die Anpassungsmöglichkeiten
an den Bevölkerungsrückgang wurden als
sehr begrenzt eingeschätzt, selbst bei Stadt-
umbau-Szenarien mit dem eindeutigen Ziel
des Netzrückbaus beziehungsweise der Ver-
meidung des Netzausbaus. Zudem sind die
Kapazitäten und Fixkosten der Frisch- und
Abwasseraufbereitung nicht beliebig zu vari-
ieren. Gemeindespezifisch steigende Preise
sind häufig die scheinbar unvermeidliche
Konsequenz. Für die Verbraucher können
diese Preisentwicklungen steigende Trink-
und/oder Abwasserkosten bedeuten, selbst
bei individuell rückläufigem Trinkwasserver-
brauch/Abwasseraufkommen (Verbrauch).
Vor diesem Hintergrund gilt es, die Preis-
gestaltung, insbesondere den Einfluss von
Grund- und Mengenpreis auf die Höhe der
Wasserrechnungen der Verbraucher, und
raumstrukturelle Aspekte zu reflektieren.
In den Beispielstädten haben die Verbraucher
bei gleichem Verbrauch sehr unterschied-
liche Wasserkosten. Die gewählten Beispiele
belegen eine Bandbreite von 137 Euro bis
366 Euro pro Jahr für 36 Kubikmeter Frisch-
und Abwasser und 520 Euro bis 820 Euro pro
Jahr für 144 Kubikmeter (siehe Tabelle 1).
Obgleich bei einem höheren Verbrauch mehr
zu zahlen ist als bei einem geringeren, ent-
wickeln sich die Wasserkosten nur teilweise
wie der Verbrauch das Abwasseraufkommen.
In der Stadt A sind kleinere Haushalte bezie-
hungsweise Geringverbraucher generell über-
proportional hoch belastet. In den Städten
B und C ist dies lediglich so, wenn zugleich
nur wenige Wohneinheiten am Wasserzähler
angeschlossen sind. Hier ist eine bestimmte
Wassermenge deutlich am teuersten, wenn
nur eine Wohneinheit je Wasserzähler abge-
rechnet wird; ab sechs Wohneinheiten ist
die „Anschlussdichte“ kaum mehr relevant
für Kostenunterschiede. Neben unterschied-
lichen Versorgerkosten sind interessante
Unterschiede bei den Frisch- und Abwasser-
preisen in den Beispielstädten festzustellen,
mit unterschiedlichen Konsequenzen für die
Verbraucher.
Verursachergerechte
Kostenverteilung?
Selbst wenn die Versorgerkosten gleich
wären, können den Verbrauchern bei glei-
chem Wasserverbrauch/Abwasserauf-
kommen unterschiedliche Wasserkosten
entstehen. Wie die Versorgerkosten auf die
Verbraucher durchschlagen, hängt von der
Preisgestaltung ab. Mengenpreise steuern
über den Verbrauch die Kostenverteilung.
Beispielhafte jährliche Wasserkosten (zusammengefasste Kosten für Frisch- und Abwasser)
Wohneinheiten
im Gebäude
(Qn 2,5)
Beispielhafte Wasserkosten
(Frischwasserverbrauch = Abwasseraufkommen) in Euro / Jahr
Stadt A
Stadt B
Stadt C
Wasserkosten
in Euro / Jahr
infolge Grundpreis
in Prozent
Wasserkosten
in Euro / Jahr
infolge Grundpreis
in Prozent
Wasserkosten
in Euro / Jahr
infolge Grundpreis
in Prozent
36 m³
Wasserverbrauch / Jahr zum Beispiel eines
Einpersonenhaushaltes
(ca. 100 l / Tag)
1
10
18
352,44
352,44
352,44
63,9
63,9
63,9
366,24
172,38
162,80
58,8
12,5
7,3
304,80
145,50
137,63
58,1
12,2
7,1
144 m³
Wasserverbrauch / Jahr zum Beispiel eines
Vierpersonenhaushaltes
1
10
18
733,68
733,68
733,68
30,7
30,7
30,7
818,76
624,90
615,32
26,3
3,4
1,9
688,00
528,70
520,83
25,7
3,4
1,9
Tabelle 1
Quelle: IÖR, eigene Darstellung, Preisangaben für die Beispielstädte 2007-2010 gem. Tab. 2
Die Wohnungswirtschaft
11/2011
62
Gebäude und Technik
Wasserversorgung