Seite 30 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_11_2011

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Europa-Kolumne
La Courrouze –
die erste Ökosiedlung in der Bretagne
Frankreich gilt nicht gerade als Musterland für energieeffizientes Bauen. Doch das Land holt auf. Alle Gebäude, die ab 2012
neu errichtet werden, haben dem Standard für Niedrigenergiegebäude zu entsprechen. Ab 2020 müssen alle Neubauten
mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen. Vor diesem Hintergrund entstehen auch in Frankreich so genannte Ökosied-
lungen. Eine davon ist La Courrouze in der bretonischen Stadt Rennes.
„Vivre en ville, habiter dans un parc.“ Zent-
rumsnah und doch im Grünen leben, lautet
das Motto von La Courrouze. Fast die Hälfte
des Stadtentwicklungsgebiets besteht aus
Grünflächen. Dennoch sind es bis zum
Zentrum von Rennes nur eine Viertelstunde
zu Fuß, mit dem Bus rund sieben Minuten.
Künftig soll es auch eine Metroverbindung
in die Siedlung geben.
Die neue Siedlung entsteht auf einem ehe-
maligen Armee- und Industriegelände. Bis
zum Jahr 2000 befand sich hier auch eine
Munitionsfabrik. Das Militär wird sich nicht
gänzlich aus La Courrouze zurückziehen.
Im Zentrum des neuen Stadtteils bleibt
ein Standort des 16. Artillerie-Regiments
erhalten. Initiator des Stadtentwicklungspro-
jekts ist Rennes Métropole, ein Zusammen-
schluss der Stadt Rennes mit umliegenden
Gemeinden. Der Masterplan stammt von
den Städteplanern Bernardo Secchi und
Paola Vigano aus Mailand sowie dem Land-
schaftsarchitekten Charles Dard aus Paris.
Die Ausführung liegt vor allem bei lokalen,
privaten Wohnungsunternehmen und Bau-
trägern. Auf einem Gelände, das mit 115
Hektar mehr als 160 Fußballfeldern ent-
spricht, entstehen Wohnungen, öffentliche
Gebäude und Büros. Dazu zählen auch so
prestigeträchtige Gebäude wie der neue Sitz
des Regionalrats der Bretagne und die Zen-
trale der Bank Crédit Agricole im Départe-
ment Ille-et-Vilaine. Die Gesamtbaukosten
betragen rund 77 Millionen Euro. 2006
wurden mit den Bauarbeiten begonnen,
2025 sollen sie abgeschlossen sein. Dann
werden in La Courrouze rund 11.000 Men-
schen leben.
Eine nachhaltige Siedlung
für eine wachsende Stadt
Um den hohen Anteil an Grünflächen zu
ermöglichen, wird dicht gebaut. Auf einem
Hektar befinden sich durchschnittlich
110 Wohnungen und einige der Gebäude
haben zwölf Stockwerke. Insgesamt wird La
Courrouze rund 4.700 Wohnungen bieten.
Ein Viertel davon sind Sozialwohnungen
und ein weiteres Viertel geförderte Woh-
nungen für mittlere Einkommensgruppen.
Mit rund zwei Dritteln machen Mietwoh-
nungen die Mehrheit aller Wohnungen
aus, der Rest wird an Privateigentümer
verkauf t. Wer eine Wohnung mietet,
zahlt monatlich zwischen acht und zwölf
Euro pro Quadratmeter. Alle Gebäude
entsprechen mindestens dem Standard
für Niedrigenergiegebäude mit einem
durchschnittlichen Primärverbrauch von
unter 50 kWh/m
2
/Jahr. Sie haben gut
gedämmte Fassaden, doppelt verglaste
Fenster, Lüftungsanlagen und verfügen
über Gassammelheizungen. Mindestens
40 Prozent des Bedarfs an heißem Wasser
sollen von Solaranlagen erzeugt werden.
Durch die Aktivitäten der Armee und den
Betrieb der ehemaligen Munitionsfabrik
ist ein Teil des Bodens in La Courrouze ver-
seucht. Um Ressourcen zu sparen, wird die
schadstoffbelastete Erde allerdings nicht
gänzlich weggeschafft. Ein Teil bleibt auf
dem Gelände und dient als Füllmaterial
für einen Lärmschutzwall. 10.300 Tonnen
kontaminierter Erde bilden den Kern dieses
Walls, der mit Muttererde bedeckt und
bepflanzt wird. Lärmschutzmaßnahmen
sind notwendig, weil sowohl eine Umge-
hungsstraße als auch eine Bahnlinie am
Rand des neuen Stadtteils verlaufen.
Auch der Umgang mit Bauschutt, Regen-
wasser und Müll folgt ökologischen Prin-
zipien. Der beim Abbruch der Fabrik- und
Militärgebäude entstandene Bauschutt wird
beim Straßenbau wiederverwendet. Das
Regenwasser soll möglichst im Boden ver-
sickern oder aufgefangen werden. Deshalb
sind viele Auen, Gräben und Auffangbe-
cken vorgesehen; einige Gebäude haben
begrünte Dächer. In unmittelbarer Nähe
der Häuser stehen Sammelbehälter für
Haus-und Verpackungsmüll sowie Altglas
zur Verfügung. Anders als in Deutschland
gibt es keine Mülltonnen für jedes einzelne
Haus.
Rennes Métropole will mit La Courrouze
nicht nur neue Maßstäbe für den nachhal-
tigen Wohnungsbau setzen. Ziel ist auch,
viele neue Wohnungen zu schaffen. Dank
eines wirtschaftlichen Aufschwungs wächst
die Metropolregion mit ihren rund 400.000
Einwohnern. Jedes Jahr kommen 6.000 bis
7.000 Zuzügler hinzu. Auch für sie wird La
Courrouze gebaut. Und es sind vor allem
junge Leute, die dort leben möchten.
Gabriele Kunz, Hamburg
La Courrouze besteht
zu einem Viertel
aus Sozialwoh­
nungen. Geförderte
Wohnungen für
mittlere Einkommens­
gruppen machen ein
weiteres Viertel der
Ökosiedlung aus.
Quelle: Béatrice Malegol
Die Wohnungswirtschaft
11/2011
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Grenzenloses Europa