Seite 24 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_11_2011

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5. Bundeskongress Nationale Stadtentwicklungspolitik
Verlässlichkeit ist das A und O
der Städtebauförderung
Am 1. August 1971 trat das Städtebaufördergesetz in Kraft. In all diesen 40 Jahren sei die Städtebauförderung ein Erfolgs-
modell gewesen, hieß es unisono auf dem 5. Bundeskongress Nationale Stadtentwicklungspolitik in Kassel. Doch bei freund-
lichen Worten blieb es nicht: Vertreter von Kommunen, Ländern und Verbänden attackierten das Bundesbauministerium
wegen der Kürzung der Städtebaufördermittel und forderten mehr Verlässlichkeit.
Die glühendsten Befürworter der Städ-
tebauförderung finden sich im Bun-
desministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (BMVBS). Dieser Ein-
druck drängt sich jedenfalls auf, wenn
man die Reden der Ministeriumsver-
treter auf dem von über 800 Fachleuten
besuchten Stadtentwicklungskongress in
Kassel Revue passieren lässt. Die Städte-
bauförderung sei ein „höchst intelligentes
Instrument, das ständig an neue Heraus-
forderungen angepasst werden kann“,
sagte beispielsweise Oda Scheibelhuber,
Ministerialdirektorin und Leiterin der
Abteilung Raumordnung, Stadtentwick-
lung, Wohnen, öffentliches Baurecht im
BMVBS. Als „Erfolgsgeschichte“ bezeich-
nete der parlamentarische Staatssekretär
Dr. Andreas Scheuer die Städtebauförde-
rung. Und der beamtete Staatssekretär
Rainer Bomba lobte speziell das Programm
Soziale Stadt „als eines der genialsten Pro-
jekte überhaupt“.
Nur per Pressemitteilung verlauten ließ sich
Bundesbauminister Dr. Peter Ramsauer.
„Die Bundesregierung“, wird er darin zitiert,
„bekennt sich ausdrücklich zur Städte-
bauförderung und wird auch in Zukunft die
Städte und Gemeinden bei notwendigen
Investitionen in ihre Stadtentwicklung
unterstützen.“ Eigentlich war Dr. Ramsauer
als Redner für den zweiten Kongresstag
in Kassel angekündigt; doch leider, gab
Moderatorin Angela Elis bekannt, sei er
kurzfristig verhindert. Stattdessen nahm der
Politiker, der sich mehrfach darüber beklagt
hat, in der Öffentlichkeit stets als Verkehrs-
und nicht als Bauminister wahrgenommen
zu werden, an diesem Tag an der 1. Natio-
nalen Konferenz Güterverkehr und Logistik
in Hannover teil.
Kritik von vielen Seiten
Trotz aller demonstrativer Bekenntnisse zur
Städtebauförderung konnten es die Vertreter
des Ministeriums nicht verhindern, dass
in den verschiedenen Diskussionsrunden
des Kongresses immer wieder die sinkende
finanzielle Ausstattung der Städtebauför-
derprogramme kritisiert wurde. Während
2010 für alle Programme zusammen 535
Millionen Euro zur Verfügung standen, sind
es im laufenden Jahr noch 455 Millionen
Euro. Für 2012 sind 410 Millionen Euro
vorgesehen, nachdem zwischenzeitlich eine
Reduktion auf 305 Millionen Euro gedroht
hatte.
„Planungssicherheit und mehr Flexibilität“
verlangte vom Bund Bertram Hilgen, der
Oberbürgermeister der gastgebenden
Stadt Kassel. Und Martin zur Nedden, Bei-
geordneter für Stadtentwicklung und Bau
in Leipzig, forderte „Verlässlichkeit“: „Wir
brauchen möglichst schnell Gewissheit, wie
es mit den Programmen weitergeht“ – und
zwar mit einer „auskömmlichen Mittelaus-
stattung“. Fast wortgleich argumentierte
Jochem Lunebach, Leiter des Stadtpla-
nungsamts in Halle (Saale): „Wir brauchen
Verlässlichkeit. Das ist das A und O der
Städtebauförderung.“
Was das jährlich schwankende Volumen
der Mittel konkret bedeutet, erläuterte mit
Gabriele Bauer, der Oberbürgermeisterin
von Rosenheim, ausgerechnet eine Partei-
freundin des Bundesbauministers: In ihrer
Kommune sei unter intensivem Einbezug
der Bevölkerung ein Bürgerhaus geplant
worden – doch dann seien plötzlich die
Mittel ausgegangen. „Das“, so die Ober-
bürgermeisterin, „kann man den Bürgern
nicht vermitteln.“ Die Städtebauförderung
sei „eine nationale Aufgabe“, die „ohne Sta-
bilisierung der Förderung auf hohem, ver-
lässlichem Niveau nicht zu bewältigen ist“,
betonte auch Hans Schaidinger, Oberbür-
germeister von Regensburg, Stellvertreter
des Präsidenten des Deutschen Städtetags
und ebenfalls CSU-Mitglied. Für eine „klare,
verlässliche Perspektive in mittelfristiger
Finanzplanung“ plädierte schließlich auch
Dr. Carsten Kühl (SPD), Finanzminister von
Rheinland-Pfalz.
Besonders viel Kritik rief die Kürzung der
Mittel für das Programm Soziale Stadt
hervor, die im laufenden Jahr lediglich 28,5
Millionen Euro betragen. Mit lang anhal-
tendem Beifall quittierte das Publikum die
Äußerung des Gelsenkirchener Stadtdirek-
tors Michael von der Mühlen, er finde es
„so gar nicht nachvollziehbar, dass man
gerade dieses Programm so stark herunter-
gefahren“ habe. „Wir wollen nicht nur in
Beton investieren, sondern auch in Köpfe“,
betonte auch die Kasseler SPD-Bundes-
tagsabgeordnete Ulrike Gottschalck. Leip-
zigs Baubeigeordneter Martin zur Nedden
äußerte sich zwar zufrieden, dass das Pro-
gramm Soziale Stadt für 2012 wieder auf
40 Millionen Euro aufgestockt werden soll,
machte aber darauf aufmerksam, dass dies
zu Lasten anderer Programme wie zum Bei-
spiel des Stadtumbaus Ost gehe.
Ministerium: „Wir kämpfen hart“
Angesichts dieser geballten Kritik bezogen
die Staatssekretäre aus dem Bundesbau-
ministerium eine Verteidigungslinie, die
sich so zusammenfassen lässt: Es wäre
noch viel schlimmer gekommen, wenn
das Ministerium nicht vehement die Inte-
ressen der Städtebauförderung gegen die
Kürzungsabsichten des Finanzministeriums
Oda Scheibel­
huber, Ministe­
rialdirektorin im
Bundesbauminis­
terium, forderte
zu einer offenen
Diskussion über
die Zukunft der
Städtebauförde­
rung auf.
Quelle: Milena Schlösser
Die Wohnungswirtschaft
11/2011
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