Seite 29 - CONTROLLER_Magazin_2013_02

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verarbeitung sind Simulationen (was passiert,
wenn der Ölpreis um x% steigt?), die quasi „auf
Knopfdruck“ möglich werden.
Von einer Umsetzung dieser drei Trends sind
die Unternehmen derzeit noch ein erhebliches
Stück entfernt. Aus einer Studie des WHU-
Controllerpanels wissen wir, dass eine mobile
Zugriffsmöglichkeit auf individuell interessie-
rende Informationen in Echtzeit derzeit erst in
knapp 8% der befragten Unternehmen reali-
siert ist. Im Jahr 2017 soll diese sehr ambitio-
nierte Kombination aber bei mehr als jedem
dritten Unternehmen umgesetzt sein; drei Vier-
tel der Controller sehen dann den mobilen Da-
tenabruf als realisiert an, mehr als 60% gehen
von der Verfügbarkeit von Echtzeitdaten aus.
Spricht man mit Controllern über diese Trends,
so ist häufig eine eher abwartende, distanzierte
Einstellung zu beobachten. Die Konsequenzen
der Entwicklungen auf dem IT-Feld werden –
so zumindest meine Erfahrung – nicht wirklich
ernst genommen. Die Prioritäten für die Auf-
merksamkeit der Controller sind noch anders
gesetzt.
Bei näherem Nachfragen zeigt sich
auch eine gewisse Sorglosigkeit.
Die Ent-
wicklungen werden die Controller – so ihre Ein-
schätzung – in die Lage versetzen, die Manager
schneller und umfassender informieren zu kön-
nen. Deren Informationsverhalten würde sich
aber nicht dadurch verändern, dass der Tablet-
PC den gedruckten Bericht als Medium ersetzt.
Ist das plausibel – oder eher Ausdruck einer
etwas blauäugigen Einstellung?
Niemand kann die Zukunft voraussagen. Con-
troller sind es aber gewohnt,
in Szenarien zu
denken.
Wählen wir auch für unsere Frage die-
sen Weg und schauen zunächst, was im besten
Fall passieren kann. Hier bauen Manager durch
ihren ständigen Umgang mit den Zahlen suk-
zessiv sehr viel Know-how für diese auf. Sie
nutzen diese Kenntnis, um den Controllern aus
den eigenen Analysen folgend viele Fragen zu
stellen, die tiefgründige Analysen erfordern.
Controller agieren als kompetente Berater und
nicht als reine Zahlenlieferanten. Der zentrale
Business Par tner wird nicht durch wenig
produktive Auswertungsarbeiten behindert.
Controller werden ungeliebte Aufgaben los und
können sich auf wirklich wertschöpfende, Im-
pact erzielende Tätigkeiten konzentrieren. Au-
ßerdem können Controller nun auch selbst viel
schneller und besser mit den Zahlen arbeiten,
was die Qualität ihrer Ratschläge steigert.
Das worst case-Szenario sieht dagegen un-
gleich schlechter aus. Unbill droht sowohl auf
Seiten der Manager als auch hinsichtlich der
Position der Controller. Was könnte bei den Ma-
nagern passieren? Nun, sie könnten in eine Art
von Aktionismus verfallen. Jede sich zeigende
Veränderung wäre dann Anlass für eine unmit-
telbare Nachfrage – und zwar bei der opera-
tiven Einheit, von der schließlich die Eingabe
verantwortet wird, und nicht beim Controlling..
Die bisherige Filterungs- und Qualitätssi-
cherungsfunktion der Controller kann nicht
mehr stattfinden, wenn die Daten in Echt-
zeit zur Verfügung stehen.
Auch könnten die
Manager von der Vielfalt der Auswertungsmög-
lichkeiten überfordert werden und letztlich die
falschen Anfragen an das System richten bzw.
die gelieferten Informationen falsch interpretie-
ren. Auch hier fehlt der hilfreiche und wertvolle
Einfluss der Controller, da letztere keine Infor-
mationen mehr darüber haben, wann Manager
was abfragen und auswerten.
Aber die Rolle der Controller ist noch tiefer
bedroht. Wenn die Manager nach kurzer Zeit
gelernt haben, mit den neuen Auswertungs-
möglichkeiten richtig umzugehen, brauchen sie
die Controller für viele der bislang gewohnten
Aufgaben nicht mehr. Controllern droht damit,
ihre bisherige,
für ihre Rolle so wichtige
Deutungshoheit hinsichtlich betriebswirt-
schaftlicher Zahlen
zu verlieren. Diese geht
dann an die Manager über. Manager brauchen
in diesem Szenario keine inhaltliche Unterstüt-
zung mehr, sondern nur noch eine technische.
Diese kommt aber von der IT, nicht von den
Controllern. Die ITler rücken in die ehemaligen
Unterstützungsaufgaben der Controller nach.
Um die Informationshoheit „beraubt“ und von
ITlern in tradierten Aufgaben abgelöst, gehen
Controller einer wenig hoffnungsvollen Zukunft
entgegen. Der Begriff des worst case-Szena-
rios trägt hier seinen Namen zu Recht.
Es bleibt Ihrem Weitblick und Ihrer Einschät-
zung überlassen, welchem der beiden Szena-
rien Sie eher zuneigen bzw. welche Entwick-
lung Sie für Ihr Unternehmen als realistischer
ansehen. Selbst wenn Sie die positive Variante
vorziehen, bleibt für Sie viel Arbeit zu leisten:
Von alleine wird sie nicht Realität! Vielmehr ist
auf dem Weg dorthin noch ein großer Berg an
Arbeit zu bewältigen. Business Intelligence-
Systeme, die mobil verfügbar eine große Pa-
lette von Auswertungsmöglichkeiten auf der
Basis hoch aktueller Informationen bieten,
stellen überaus anspruchsvolle Anforderungen
an die Qualität der Datenbasis. Um diese zu
erfüllen, bedarf es
im ersten Schritt einer
konsistenten Definition und Standardisie-
rung der Daten.
Dies lässt sich gut als Kärner-
arbeit charakterisieren und erfordert einen
umfangreichen Prozess, der in Großunterneh-
men in Jahren zu messen ist. Auch zu leisten
ist eine
Integration der zumeist hetero-
genen IT-Systeme
– eine aktuelle Großbau-
stelle bei vielen Unternehmen. Als weitere
Themen schließen sich Datenintegration (Da-
ten sollten möglichst nur einmal gespeichert
werden) und Rechtemanagement an.
Controller sollten sich bei diesen Themen nicht
vornehm zurückhalten und sie der IT-Abteilung
überlassen. Vielmehr bedarf es einer
aktiven
Begleitung
. Nur so können sie ihr Know-how
adäquat einbringen, nur so behalten sie hin-
reichenden Einfluss auf die Entwicklung. Und
jeder Controller sollte bedenken: Wer bei den
genannten Vorarbeiten nicht dabei war, wird
sich auch nicht beklagen dürfen, wenn eher
das worst case- und nicht das best case-
Szenario eintritt!
Autor
Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Weber
ist Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC)
der WHU-Otto-Beisheim-Hochschule, Burgplatz 2, D-56179 Va-
lendar;
ist zudem Vorsitzender des
Kuratoriums des Internationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
CM März / April 2013