Seite 55 - CONTROLLER_Magazin_2010_05

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Marktstrategien; vielmehr ging es auch darum,
die verbleibenden Mitarbeiter wieder ins Boot
zu holen und von der Zukunftsfähigkeit ihres
Unternehmens zu überzeugen. In dieser Situati-
on entschloss man sich, in der Belegschaft
nach Schlüsselpersonen zu suchen, die in der
Zukunftsplanung des Unternehmens eine akti-
ve Rolle spielen sollten: Zusätzlich sollte der
Prozess professionell begleitet und die Mitar-
beiter in strategischem Management geschult
werden.
Nach mehreren Workshops, in denen Ideen ge-
sammelt und anschließend systematisch nach
Machbarkeit und strategischer Wichtigkeit so-
wie nach Potenzial und Aufwand bewertet wur-
den, konnte die neue Strategie verabschiedet
werden.
Nach vier Monaten entstand aus
zunächst kontroversen Meinungen eine ge-
meinsame Sicht der Dinge
, die in einem
Maßnahmenplan konkretisiert wurde. Mit des-
sen umgehender Umsetzung beauftragte das
Unternehmen Projektleiter, die aus dem Kreis
besagter Schlüsselpersonen stammten. Jetzt
war die Strategie mehr als ein bloßes Stück
Papier: Sie war ein Werk von Mitarbeitern, die
– jeder in seinem Bereich – die Neuausrich-
tung des Unternehmens vorantrieben. In halb-
jährigem Abstand wird der Fortschritt durch
die Unternehmensleitung gemeinsam mit den
externen Beratern überprüft und notwendige
Anpassungen werden vorgenommen.
Ohne Mitarbeiter geht es nicht
Voraussetzung für das Gelingen dieses nach-
haltigen Vorgehens ist, dass die strategische
Planung als eigenständiger Geschäftsprozess
des Unternehmens
unbedingt auch die Mit-
arbeit der Schlüsselpersonen
einschließt.
Dabei muss es nicht immer um die unterneh-
mensweite Gesamtstrategie gehen. Es können
auch strategische Einzelaufgaben von inter-
funktionalen Teams erarbeitet und am strategi-
schen Control Meeting der Geschäftsführung
zur Entscheidung vorgelegt werden. Bei Annah-
me werden sie in die Mittelfristplanung inte-
griert. Mit diesem «integrierten» Ansatz der
Strategieentwicklung
verbringen die Schlüs-
selpersonen etwa 10 bis 20 Prozent ihrer
Arbeitszeit mit strategischen Problemstel-
lungen
und entwickeln sich zu den unterneh-
merisch denkenden und handelnden Personen,
die sich
eine gut geführte, erfolgreiche Unter-
nehmung
wünscht.
Für die Geschäftsleitung und den Aufsichtsrat
heißt das aber nicht, dass sie entlastet werden.
Im Gegenteil, die
Topmanager beschäftigen
sich weit mehr mit Strategie:
Sie lesen Un-
terlagen durch, stellen sich intensiven (auf-
schlussreichen, anregenden, aber auch heraus-
fordernden) Diskussionen – und dies nicht nur
während der Entwicklung, sondern auch bei der
Umsetzung. Sie hinterfragen die Arbeit ihrer
Mitarbeiter – und oft auch ihre eigene – regel-
mäßig. Es gilt, nachzuhaken, dranzubleiben und
die Umsetzung unterstützend zu treiben. Fatal
wäre es, sich zurückzulehnen und die Soldaten
alleine in die Schlacht zu schicken.
Daraus ergeben sich
weitere Vorteile:
°
Die gemeinsam mit den Mitarbeitern entwi-
ckelte Strategie ist leichter umsetzbar. Die
Mitarbeiter werden von Kritikern zu Anwäl-
ten der Strategie. Sie sind überzeugt von
deren Richtigkeit und werden damit zu akti-
ven Treibern der Umsetzung, statt nur als
passive „Befehlsempfänger“ zu agieren.
°
Durch diese Integration von Schlüsselper-
sonen wird auch Change Management weit-
gehend überflüssig. Es entsteht eine Lust
an Veränderung, und Barrieren werden
leichter überwunden.
°
Das gesamte vorhandene Wissen der Organi-
sation wird konsolidiert, verbreitert und nach-
haltig in der Organisation verankert und bildet
die Basis für eine eigenständige Strategie, die
kontinuierlich weiterentwickelt wird.
°
Fachwissen kann gezielt extern eingekauft
werden. Dabei kann heute ein großer Teil
des Marktwissens durch interne Trainees,
Praktikanten oder Studenten unter Anlei-
tung erstellt werden.
°
Die Mitarbeiter werden geschult in strategi-
schem Management und wenden dieses
Wissen an. Strategisches Denken und Han-
deln wird zu einem integralen Teil der Mitar-
beiterausbildung und der Management Ent-
wicklung.
°
Es entsteht eine gemeinsame Sprache, die
Bedeutung von Begriffen wird geklärt und
verstanden, und durch das gleiche Ver-
ständnis von Problemen und Lösungen ent-
steht Vertrauen.
°
Die konstruktive Kontroverse wird zum zen-
tralen Element der Unternehmenskultur. Sie
stärkt das gegenseitige Ver trauen und
schafft Transparenz bei der Zusammenar-
beit.
Die Rolle eines externen Unternehmensberaters
besteht in diesem integrierten Ansatz nicht da-
rin, eine Strategie für das Unternehmen zu ent-
wickeln. Seine Aufgabe ist es vor allem,
„Hilfe
zu Selbsthilfe“
zu leisten. Er unterstützt das
Unternehmen dabei,
das in den Köpfen der
Mitarbeiter vorhandene Know-how sowie
ihre unternehmerische Fantasie strategisch
zu nutzen
. Zudem ist er natürlich auch unab-
hängiger Sparringpartner, um die richtigen Fra-
gen zu stellen und die Ergebnisse zu plausibili-
sieren und für die Diskussion mit der Unterneh-
mensführung vorzubereiten. Das Resultat dieses
Vorgehens sind Strategien, die passgenau auf
das Unternehmen zugeschnitten und von Mitbe-
werbern nur schwer nachzuahmen sind.
Autor
Dipl.-Math. Ignaz Furger
unterstützt seit 20 Jahren Unternehmen bei der Entwicklung
und Umsetzung von nachhaltigen Strategien. Die Ausbildung der
Mitarbeiter in strategischem Management mit praktischen Auf-
gaben bildet dabei eine zentrale Rolle. Ignaz Furger ist Inhaber
der Firma Furger & Partner Strategieentwicklung in Zürich.
E-Mail:
Tel.: +41442623801 oder +41788090479
CM September / Oktober 2010