Seite 89 - CONTROLLER_Magazin_2004_06

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Controller magazin
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PSYCHOLOGIE
DER KRISE
Über die Wirkung von psycho–
logischen Faktoren auf die Unter–
nehmensführung und das Controlling
von Lars
Sudmann,
Brüssel, und
Wolfram
Lenzen,
Düsseldorf
1
EINFÜHRUNG
Im lahre 2 0 0 3 legte die Zahl de r Insolven–
zen in Europa e r neu t zu. Nach einer
Schä t zung de s Verbandes Creditreform
kam es europawe i t zu ca. 157 . 000Un t e r -
nehmens i nso l venzen . ' Die e no rme volks–
wi r tschaf t l iche Bedeu t ung einer solchen
Entwicklung im Hinblick auf Arbei tsplät–
ze, Ve rmögens e i nbußen etc. ha t insbe–
s o n d e r e die Di skus s i on üb e r Krisen–
u r s a chen , Kr i s enve rme i dung und be–
t r iebswi r tschaf t l iche Planungs- , Kontroll-
und S t eue r ung s s y s t eme (Controllingsy–
s teme) e r neu t ent facht . Auch we nn sich
d i e Z u n a h m e v o n U n t e r n e h m e n s –
insolvenzen im lahre 2 0 0 3 im Vergleich
zu den Vorjahren e twa s a bg e s c hwä c h t
ha t ,
l e iden viele Un t e rnehmen weiter–
hin unter s chwi er i gen wirtschaf t l ichen
B e d i n g u n g e n ,
wo d u r c h d a s Th ema
Un t e r n e hme n s k r i s e g e r a d e a u c h im
Bereich der Control l ingfunkt ionen nach
wie vor aktuel l ist.
Wa h r n e hmb a r e Indikatoren von Unter–
nehmen s k r i s en wie Mange l an Eigen–
kapi tal ode r Rückgang der Nachfrage^
stellen lediglich Symp t ome von Krisen
dar, nicht deren Ursachen. Eine durch die
Deu t sche Ausgl e i chsbank (DtA) durchge–
führte Studie im Mi t t e l s t and zeigt, d a s s
Unt ernehmer als Ursachen für die Kri–
s e ihres Un t e rnehmens zu 8 0% exter–
n e Ursachen anführend
Interessanter –
wei se wird diese Wa h r n e hmung dur ch
Dritte, wie z. B. Bankbe r a t e r ode r Unter–
n e hme n s b e r a t e r nicht geteilt. Diese se–
hen
mi t ca. 6 0% die häuf igste Krisen–
u r s a c h e in i n t e r n e n Ma n a g eme n t -
Lars Sudmann (Dipl.-Kfm.) istim Financial
Management von Procter & Gamble in
Brüssel tätig. Vorher war er selbständiger
Unterneiimensberater und Trainer mit
dem Schwerpunkt Führung und Con–
trolling. Studium der Betriebswirtschafts–
lehre an der RWTH Aachen sowie der
Soziologie und Psychologie an der Uni–
versität Hamburg, Externer Doktorand
an der RWTH Aachen. Kontakt:
Wolfram Lenzen (Dipl.-Kfm.) ist Senior
Berater bei der MBB Consult GmbH in
Düsseldorf. Seine Tätigkeitsschwer–
punkte sind die Restruktuherung von
Krisenunternehmen und Distressed M&A.
Studium der Betriebswirtschaftslehre an
der RWTH Aachen und Executive MBA,
Schwerpunkt Mergers & Akquisitions, an
der Universität Münster. Kontakt:
f eh l em
und Fehl e inschä t zungen bei der
Un t e r nehmen s p l anung .
Dem Controlling kommt daher e ine be–
deu t ende Rolle zu.
Offensichtlich neig–
t en die bef ragten Un t e r nehme r dazu , die
Ur s achen für die Un t e r n e hme n s k r i s e
auße r ha l b de s eigenen Handlungsspiel –
r a ums zu sehen , sie zu „external isieren".
Dies ist ein
Beispiel für ein Verhaltens–
muster, we l c h e s in der Psycho l og i e
bekannt
ist. Die Auswi rkungen solcher
p s y c ho l og i s c h g e p r ä g t e r Ve rha l t ens –
mu s t e r auf Un t e r nehmen und be s onde r s
auf Un t e r nehmen in der Krise ist für die
Bet r iebswi r t schaf t s lehre ein noch junger
Forschungszweig. Controlling und Füh–
r u n g s c h e i n e n i mm e r n o c h e in
„psychologiefreier Raum" zu sein. Eine
Haup t aufgabe de s Controlling ist es , die
„Rationalität" der Un t e rnehmens führung
zu gewäh r i e i s t en u n d e n t s p r e c h e n d e
En t sche i dungen zu un t e r s t ü t zen . Dazu
mu s s der Controller j edoch auch die -
häufig u n b ewu s s t ab l auf enden - „Trei–
ber der Irrat ional i tät" kennen und be–
rücks icht igen lernen.
2 UNTERNEHMEN UND UNTER–
NEHMENSAKTEURE IN KRISEN–
SITUATIONEN
Wi e o b e n b e r e i t s a n g e f ü h r t , s i n d
Managemen t f eh l e r häufige Ursache für
Un t e r nehmen s k r i s en . Unabhäng i g da–
von, ob es sich bei den Managemen t –
fehlern um Fehl e inschä t zungen oder um
Fehlverhal ten hande l t , we rden als Grün–
de für diese Managemen t f eh l e r psycho–
logische Faktoren sel ten aufgeführt, ob–
wohl au s der psychologi schen Forschung
die Bedeu t ung eben dieser Faktoren auf
me n s c h l i c h e s Wa h r n e h m u n g s - u n d
En t sche i dungsve rha l t en bekann t ist. Im
Fokus uns e r e r Über i egungen s t ehen ins–
be s onde r e kleine und mi t t lere Unterneh–
me n (KMU) in de r Krise - und da beson–
ders da s Verhal ten de r ve r an twor t l i chen
Führungskräf te , die sich mi t t yp i s chen
Con t r o l l i ng -Au f g a b e n wi e P l a n u n g ,
Kontrolle, St eue rung , Informat ionsver–
sorgung und Analyse beschäf t igen. In
der Regel sind dies Geschäftsführer oder
ge s chä f t s f üh r ende Gesel lschaf ter u n d
kaufmänn i sche Leiter, die en t spr echen–
de Aufgaben wa h r n e hme n .
Der Fokus auf KMU ist au s zwe i Grün–
den gewähl t .
Zum einen we rden Unter–
nehmen s k r i s en für KMU im Gegensa t z
zu großen , mu l t i na t i ona l en Unterneh–
me n
oft schne l l er ex i s t enzbedrohend .
Zum ande r en sind KMU häufig von den
En t s che i dungen wen i ger Personen
ab–
hängig, we nn nicht gar einer einzelnen.
Diese En t sche i dungs t r äge r sind häufig
mi t pr iva t em Vermögen an d em Unter–
n e hme n beteiligt und h a b e n somi t eine
s t arke Bindung. Hinzu kommt , d a s s ein
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