Seite 3 - CONTROLLER_Magazin_2004_06

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Cont rol l er ma g a z i n
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MARKENBILDUNG
UND CONTROLLING
- ein Spannungsfeld
Vortrag von Senator a. D. Josef Hat t ig, Bremen,
anlässl ich des 29. Cont rol ler Congresses
am 04. Mai 2004
Josef Hattig, Senator a. D. (Minister des Landes Bremen für Wirtschaft und
Häfen), Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutsche Post AG und Vor–
sitzender des Aufsichtsrates der BLG LOGISTICS GROUP, Bremen
(vordem auch langjähriger Vorsitzender der Geschäftsführung der Brauerei
Beck & Co In Bremen)
„Marke" ist im geläufigen Sinne dem Kon–
sum zugeordnet, Lebensmittel, Kosme–
tik, Auto, Mode usw. Aber „Marke" ist,
jedenfalls zunehmend auf dem Weg, für
jede Form unternehmer ische Markt–
orientierung ein prägender Anspruch zu
werden. Der Soziologe Gerhard Schulze
beschreibt
unsere Gesellschaft als eine
„Erlebnis- und Spafigesellschaft".
Ein
solches Verhalten prägt unsere öffentli–
che und veröffentlichte Meinung, prägt
unser Kommunikationsverhalten. Unter–
halten durch Verkürzen und Pointieren;
Sachverhalte nicht - jedenfalls nicht über–
wiegend - nach ihrem Gehalt, sondern
nach ihrem Unterhaltungswert zu erfas–
sen und abzufragen. Das Fernsehen lie–
fert auf allen Kanälen Anschauungsma–
terial für die These der „Erlebnis- und
Spaßgesellschaft". Soweit, so gut oder
schlecht, es geht hier nicht um eine Wer–
tung, sondern nur um einen Hinweis auf
diesen Sachverhalt wie auf seine Konse–
quenzen :
Ve rkür zen ,
Point i eren
und Emotionalisieren wird zu einer
Herausforderung für die unternehme–
rische Marktorientierung.
Der Hinweis
auf Dienstleister, die ihre mehr „abstrak–
ten" Produkte in die Gefühlswelt des
Verbrauchers implementieren wie etwa
Banken, Finanzierungsfonds, ITUnter-
nehmen, mag auch für den kritischen
Betrachter die Blickrichtung vorgeben.
Entscheiden heißt: Risiken abzu–
wägen
Das bedeutet
a. die Risiken zu erkennen und
b. sie in einem - nach Form und Inhalt
- geordneten Verfahren in eine Saldo–
betrachtung zu nehmen, um daraus
die Chancen zu erkennen, mithin die
Antwort zu finden.
Diese
Saldobetrachtung verlangt Ur–
teilsfähigkeit.
Was ist Urteilsfähigkeit?
Es ist die Fähigkeit zu unterscheiden,
unterscheiden zu können. Unterscheiden
kann, soll
ich
sagen „nur", wer den Sach–
verhalt kennt.
Den Sachverhalt kennt, wer ihn wahr–
nehmen kann.
Das wiederum heißt
zu
sehen, was ist; nicht was man sehen
will.
Bevor
ich
bei den Philosophen lan–
de, will ich aus dieser Feststellung nur
eine praktische Schlussfolgerung ziehen:
Die subjektive Färbung von Wahrneh–
mungen
in den Unternehmen, verstärkt
durch verschiedene hierarchische Stufen,
verstärkt die Gefahr, einen
Sachverhalt
zu entscheiden, der so nicht existiert,
der nicht marktkongruent ist.
„Marke", was ist das? Sie steht in
keiner Bilanz
Etwas auf den Begriff zu bringen, kennen
wir aus der Wissenschaft. Begriff ist Defi–
nition. Definition Inhalt und Orientierung.
Dieser Versuch ist mit „der Marke" viel–
fach geschehen. Wie zutreffend, hin–
reichend oder für eine Lehrbuchweisheit
sei dahin gestellt. Der Markt muss gleich–
wohl oder, etwa mit Respekt vor den
Lehrbüchern gesagt, zusätzlich mit den
eigenen Augen betrachtet werden.
Marke steht in keiner Bilanz. Marke ist
keine mathemat i sche Gleichung, mit
finanztechnischen Methoden schwer zu
erfassen. Die vielen Zahlen, die wir zu–
sammentragen, zusammensetzen, um
eine Wertung zu ermöglichen, etwa durch
die Marktforschung, das Controlling, re–
flektieren Wirkung, nicht Ursache.
Auch die Betriebswirtschaft gibt keine
Antwort. Anhaltspunkte vielleicht, aber
nicht hinreichend. Allenfalls indirekt.
Man muss sich in der Bilanz den Good-
will schon genau ansehen, um Nähe–
rungswerte zu erhalten. Im Zweifel gilt:
Die Schlechten sind schlechter und die
Guten besser zu bewerten als aus dem
Goodwill ablesbar.
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