CM
Con t r o l l e r
magazin 2/03
4. PROJEKTVERLAUF
Die iconkrete Vorgehensweise zur Durch–
führung der Flusskostenrechnung bei FHP
erfolgte in folgenden drei Phasen:
1. Modellierung der realen Material–
flüsse und des ERP-Systems.
2. Durchführung der Flusskos t en–
rechnung.
3. Datenanalyse und Ableitung von
Maßnahmen im BiEFF-Team.
Phase 1: Modellierung der realen
Materialflüsse und des ERP-Systems
Um zunächst die Transparenz über den
physischen Fluss des Materials sowie eine
einheitliche Sichtweise der Beschäftigten
über die Unternehmensstruktur herzustel–
len, wurde im ersten Schritt ein
Material–
flussmodell erstellt.
Dieses Materialfluss–
modell veranschaulicht detailliert
den
Fluss der Fasern, Chemikalien, Verpak-
kungen und sonstiger Materialien vom
Lieferanten über alle sieben internen
Fertigungsstufen und den Lohnfertiger
bis hin zum Kunden bzw. Entsorger
Um den Materialflüssen Mengen und
Werte zuordnen zu können, wird in der
Flusskostenrechnung die Datenbasis
der bestehenden ERP-Systeme (hier:
SAP R/2) genutzt. In der Regel beinhaltet
das ERP-System umfangreiche Daten–
mengen zu Materialbewegungen, so dass
im Rahmen der Flusskostenrechnung auf
aufwendige manuelle Datenerhebungen
verzichtet werden kann. Deshalb wur–
den im nächsten Arbeitsschritt die in
SAP R/ 2 hinterlegten Materialbuchungen
des lahres 2 0 0 0 zwischen Lagerorten,
Fertigungsauftragsbereichen^ und Ko–
stenstellen nachvollzogen und ebenfalls
en t spr e chend in e inem
Mater ial –
buchungsmodell
abgebildet. Durch zu–
sätzliche Tabellen erfolgte darüber hin–
aus eine tiefergehende Beschreibung des
Materialbuchungsmodells.
Abschließend wurden in dieser Phase die
Buchungsstellen (Lagerorte, Kostenstel–
len und Fertigungauftragsbereiche) dem
physischen Materialfluss zugeordnet.
Dadurch konnte ein Abgleich zwischen
tatsächlichen Materialflüssen des Unter–
nehmens und deren Abbildung im ERP-
System vollzogen werden. Diese Analyse
machte deutlich, dass einige Bereiche
des Unternehmens entweder gar nicht
oder nur stark zusammenfassend im ERP-
System abgebildet sind. Damit wurde
bereits zu Beginn des Projekts deutlich,
dass Defizite in der datentechnischen
Versorgung der Materialflusstransparenz
vorhanden waren.
Die eingeschränkte Materialflusstrans–
parenz wurde ganz besonders durch den
Abgleich der beiden Modelle verdeutlicht.
Dr Schindler, Leiter Entwicklung und
Qualität, fasst es so zusammen: „Man
erkennt bei solchen Abbildungen erst ein–
mal, wie der Materialfluss im System
überhaupt abgebildet ist. Insbesondere,
wenn man so einen
Schauplan mit un–
endlich vielen Lagerorten und Linien^
vor Augen
hat."
Phase 2: Durchführung der Fluss–
kostenrechnung
Bevor mit der Auswertung der Daten
begonnen werden konnte, wurden sei–
tens der externen Betreuer, dem Institut
für Management und Umwelt (imu-
augsburg), auf der Grundlage des erstell–
ten Materialbuchungsmodells die kon–
kreten Anforderungen an Strukturdaten
(Stammdaten, Stückl isten etc.) und
Bewegungsdaten (Flussdaten, Bestands–
daten, Umbenennungen) formuliert. FHP
musste die angeforderten Daten für das
lahr 2000 in entsprechenden Formaten
aus ihrem ERP-System generieren und
für die Durchführung der Datenaus–
wertung bereitstellen. Die geforderten
Daten wurden entweder durch das Con–
trolling von FHP mittels
eigen erstellter
ABAP-Reports
oder durch deren externe
Software-Berater aus dem SAP R/ 2 -
System generiert und dem imu-augsburg
zur weiteren Auswertung übergeben.
Im Rahmen der Flusskostenrechnung
bereitete das imu-augsburg die von FHP
gelieferten Daten anschließend auf. Da–
bei wurde zuerst durch den Konsistenz–
check der Flusskostenrechnung die ge–
lieferte Datenbasis geprüft; und entspre–
chend bereinigt. Die festgestellten Daten-
inkonsistenzen wurden systemat isch
gesammel t , um die Erkenntnisse an–
schließend in die anstehende Migration
von SAP R/ 2 nach SAP R/ 3 einfließen zu
lassen.
Die Daten zu den Materialflüssen und
-beständen wurden auf der Grundlage
einer
SQL-basierten Datenbank
nach
unterschiedlichsten Kriterien berechnet
und ausgewertet. So wurden z. B. folgen–
de Erkenntnisse gewonnen:
• Der Wert der Materialdifferenzen für
den Standort Augsburg beträgt in
Summe über 1,8 Millionen Euro pro
(ahr, dies sind ca. 8,5 % vom einge–
setzten Materialwert.
• Die Materialdifferenzen fallen vor–
wiegend bei den Produktionspro–
zessen zur Durchführung der Ferti–
gungsaufträge an. Lagerdifferenzen
spielen eine untergeordnete Rolle. Die
größte Abweichung einer einzelnen
Materialnummer (Eingangsmaterial)
lag bei über 250 . 000 Euro.
Neben der Ausweisung von Material–
differenzen konnten imVeriaufe der Fluss-
kos t enr e chnung zahl re i che Daten-
inkonsistenzen und Fehlbuchungen im
EDV-System ermittelt werden. Deshalb
sind die ermittelten Materialveriuste als
erste Richtwerte zu sehen. Erst nach der
materialflussorientierten Migration auf
SAP R / 3 und der damit verbundenen
Datenbereinigung werden die Material–
veriuste auf Lagerorte und Fertigungs–
auf t räge exakt zugeordnet werden
können.
Auszug aus Beispielen FHP-interner
(Daten)Inkonsistenzen:
• Es lagen Materialien ohne Stamm–
daten vor;
• Materialien wurden in Stammdaten
und Stücklisten zum Teil in unter–
schiedlichen Einheiten geführt;
• Stücklisten wurden nicht einheit–
lich in brut to und net to unter–
schieden;"
• Stücklistenänderungen wurden nicht
permanent dokumentiert;
• Zur Erfassung und Auswertung der
Materialdaten sind die vorhandenen
Buchungs s ch lüs se l (Bewegungs–
arten) nicht ausreichend detailliert
und eindeutig eingeführt worden.
Dies führte zu unterschiedlichen Nut–
zungsmöglichkeiten und Interpreta–
tionen bei den Mitarbeitern
für
den
Einsatz der Bewegungsarten;
• Es bestand teilweise eine Diskrepanz
zwischen der Buchung des Materials
auf Lagerorte und dessen tatsächli–
chem physischen Transport bzw.
Verbleib.
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