Controller magazin 6/02 - Gerhard Römer
Römer -Ko l umne
Soziale Intelligenz im
Beziehungsgeflecht zwischen
Managern und Controllern
von Gerhard
Römer,
Hamburg
Zu den Insolvenzfäl len der letzten Zeit werden den beteiligten Füh–
rungskräften al lgemein Betrug, Geldgier, Maßlosigkeit oder Vertrau–
ensbruch vorgeworfen. Deshalb wirkt die al lgemeine Forderung nur zu
verständl ich, neue Regeln zur Untemehmensführung bereitzustel len,
die die al lgemeine
Glaubwürdigkeitskrise
beseitigen sol len. Aber der
Ruf nach dem Gesetzgeber oder nach einer
freiwilligen Verein–
barung von Corporate-Governance-Regeln
lockt kein Echo hervor
Dabei scheint mir die Lösung in der Entscheidungs- und Handlungs–
situation selbst zu l iegen.
Führungskräfte entar ten vom Controller in einer konkreten Unter–
nehmenskrise ein Handlungsrezept. Aber Control l ing ist kein Rezept–
buch, sondern stellt Methoden zur Verfügung, so dass Kausalketten
erkennbar, Wi rkungs-Zusammenhänge transparent und logische
Schlussfolgerungen ableitbar werden. Die daraus fl ießenden Erkennt–
nisse müssen Immer wieder aufs Neue an der gegebenen Situation mit
ihren Nebenbedingungen überprüft und angepasst werden. Con–
trolling ist kein steriles Laborexperiment, sondern
mühevolle Ab–
leitung und empirische Überprüfung der wirtschaftswissenschaft–
lichen Theorie:
Zuerst stellt der Controller theoretische Modelle auf,
dann blendet er Teile der Realität aus, überprüft sein Modell mit (meist)
unzureichendem Datenmaterial, erhält ein Ergebnis, das er seiner
Führungskraft so präsentieren muss, dass dieser es den Gesel l–
schaftern, Aktionären , Wertpapier-Analysten und Fondsmanagern „ver–
kaufen" kann.
Controller können natürlich Zusammenhänge aufdecken und erklären,
Alternativen bewerten und Konsequenzen von Handlungen aufzeigen.
Aber die Bewertung der Handlung unter Berücksichtigung der Wert–
urteile von verschiedenen Interessengruppen sowie die abschl ießen–
de Entscheidung verbleibt in der Verantwortung der Führungskräfte.
Diese Entscheidung können Controller den Führungskräften nicht
abnehmen. Aber sie können versuchen, ihrer Botschaft einen besse–
ren Zugang zum Verständnisgewinn bei den Führungskräften mi tzu–
geben.
Entscheidungen vorzuberei ten, bedeutet u. a. auch, eine Flut von
nebensächl ichen Informationen auszublenden. Wenn man eine be–
st immte Intelligenz-Leistung abrufen wi l l, muss man nicht benötigte
Gedächtnis-Inhal te ignorieren können. Insbesondere in komplexen
Sozialverbänden ist diese Fähigkeit vonnöten:
Führungskräfte und
Controller erweisen sich dann als „sozial-Intelligent", wenn sie
bestimmte Reizimpulse bewusst unterdrücken können.
Denn es
ist oft nicht ratsam, seinen Bedürfnissen oder Antrieben einfach zu
folgen, wei l es dann leicht zu Konfl ikten im Beziehungsgef lecht
zwischen Managern und Control lern kommen kann. „Nicht sozial–
intelligente" Menschen können irrelevante Informationen nicht unter–
drücken und halten daher - u.a. wegen Reizüberflut - fast zwanghaft
an einmal erfolgreich angewandten Entscheidungs-Rout inen fest.
Für Controller bedeutet diese Erkenntnis, dass Führungskräfte auf der
Grundlage von Beachtung und Nicht-Berücksichtigung von Informatio–
nen entscheiden und handeln. Verschiedene Führungskräfte nehmen
diese Informationen auch unterschiedl ich wahr Der Control ler sollte
sich daher gleichsam in die Psyche seiner Führungskräfte hineinver–
setzen, wenn ihm an der Ausblendung ganz bestimmter Informationen
gelegen ist. Nur so kann es ihm gel ingen, die Wahrnehmungsfähigkei t
seiner Führungskräfte zu „harmonisieren".
Auf Grund der „gleichgerichteten" Ausblendung von Informationen
gelingt jeder Kooperationsansatz leichter Seine Aufgabe und seinen
Auftrag kann der Control ler erst dann voll entfalten, wenn er dazu in der
Lage ist, die Ausblendung von Informationen bei anderen Führungs–
kräften herbeizuführen. Wohlgemerkt, ich spreche nicht von einem
Manipulations- oder Täuschungsversuch - auch nicht unbeabsichtigt.
Vielmehr meine ich jenen unmerkl ichen Antriebsimpuls einer Unter–
nehmensstrategie, dem alle Führungskräfte wie von selbst folgen.
Dies setzt eine homogene Übereinst immung aller über das unter–
nehmerische Leitbild voraus. Ohne diese Grundeinstel lung lässt sich
keine Gruppe von Führungskräften formieren. Das Ziel des Con–
trollers, die Planung des Unvorhersehbaren, setzt Immer die Unter–
drückung von anderen Entscheidungs- und Handlungsimpulsen
voraus. Denn es ist unmögl ich, das Neue und Unbekannte auch nur Im
Ansatz zu denken, wenn man In den alten und eingefahrenen Denk–
schablonen steckenbleibt.
Zuordnung CM-Themen-Tableau
11
1 7
G
P
580