19
GdW-Präsident. Die Politik müsse sich in
diesen dynamischen Prozessen auf Ziel-
vorgaben beschränken anstatt techno-
logische Lösungen vorzuschreiben.
Innenstädte stärken
Die Teilnehmer des GdW-Stadtent-
wicklungskongresses waren sich einig,
dass neben den – zumeist in Vorstäd-
ten liegenden – Großsiedlungen auch
die innerstädtischen Lagen revitalisiert
werden müssen, um eine Balance der
städtischen Wohnmilieus zu gewähr-
leisten. "Hier brauchen die Kommu-
nen die Unterstützung der im Woh-
nungsbau sehr erfahrenen Wohnungs-
wirtschaft", betonte Gedaschko. Auch
um ihr eigenes Portfolio zu erweitern,
seien die Wohnungsunternehmen
stärker in historischen Stadtquartieren
gefordert, wo Zwischen- und Potenzi-
alflächen bebaut werden können –
also Lagen mit viel Grün, guter Ver-
kehrsanbindung und vergleichsweise
niedrigen Grundstückspreisen, aber
auch mit möglichen Beeinträchtigun-
gen wie Lärm oder benachbartes
Gewerbe. Wohnungsbau könne sol-
chen attraktiver machen. Die Städte
müssten dabei mithilfe eines aktiven
Liegenschaftsmanagements bei der
Grundstücksvergabe dafür sorgen,
dass die Wohnungswirtschaft ihren
sozialen Beitrag leisten kann.
Mieter bezahlbar bleibt, sei die Unter-
stützung der öffentlichen Hand zwin-
gend notwendig. Auch die Kommu-
nen müssten ihren Beitrag für ein
bezahlbares Wohnen leisten: "Wer
im Höchstpreisverfahren Grundstücke
vergibt, kann nicht erwarten, dass
bezahlbar gebaut wird", mahnte
Gedaschko.
Wie die Stadtquartiere in Deutschland
an die Herausforderungen der Zukunft
angepasst werden müssen, diskutier-
ten die Kongressteilnehmer an inter-
nationalen und bundesweiten Beispie-
len.
Uli Hellweg
, Geschäftsführer der
IBA Hamburg GmbH, betonte, man
müsse in den deutschen Stadtquartie-
ren unbedingt "herunter von der
Abwärtsschraube." Dazu sei ein dau-
erhaftes Monitoring der sozialen
Veränderungen in Wohnvierteln zwin-
gend notwendig. Vor der Überforde-
rung der deutschen Nachbarschaften
warnte der bekannteste deutsche
Stadtsoziolge
Prof. Walther Siebel
angesichts der zunehmenden sozialen
Spaltung der Gesellschaft.
Prof.
Saskia Sassen
, Soziologin und Wirt-
schaftswissenschaftlerin an der
Columbia University in New York,
stellte die teils desaströse Lage auf
dem US-amerikanischen Wohnungs-
markt – einem der Hauptauslöser der
weltweiten Finanz- und Wirtschafts-
krise – dar und äußerte "ernste
Zweifel, dass von den USA in punkto
Wohnungswirtschaft überhaupt
irgendetwas zu lernen" sei. Sie wies
auf die Vorteile der ausbalancierten
Struktur des deutschen Wohnungs-
marktes hin. Mit der organisierten
Wohnungswirtschaft hätten die deut-
schen Städte aus ihrer amerikanischen
Sicht starke Partner mit hohem ökono-
mischen Potenzial und sozialer Verant-
wortung.
In drei Workshops diskutierten die
Wohnungsexperten beim GdW-Stadt-
entwicklungskongress die brennends-
ten Zukunftsaufgaben beim Thema
Wohnen und Stadtentwicklung und
erarbeiteten anhand dessen die
"Hamburger Erklärung". In einer inter-
aktiven elektronischen Abstimmung
wählten sie zudem die Schwerpunkte
in den Bereichen Großsiedlungen,
Wohnungsbau und Innenstädte:
Große Wohnsiedlungen haben
Zukunft
Die großen Wohnsiedlungen, die bis in
die 1980er Jahre des 20. Jahrhunderts
errichtet wurden, haben in punkto
Klimaschutz und Demografie großes
Zukunftspotenzial. "Die mehrgeschos-
sigen Wohnsiedlungen in Deutschland
sind locker bebaut und durchgrünt.
Da sie neben der Wohnbebauung auch
über viele Freiflächen verfügen, sind
die besser als Innenstädte und Einfami-
lienhaus-Gegenden geeignet, neue
energetische Lösungen und soziale
Dienstleistungen vor Ort einzurichten –
und sie damit für die Anforderungen
des klima- und generationengerechten
Wohnens fit zu machen", erklärte
GdW-Präsident Axel Gedaschko. Allein
schon aufgrund ihrer immensen
quantitativen Dimension werde die
klima-gerechte und sozialverträgliche
Erneuerung von Wohnsiedlungen
einen wesentlichen Beitrag für das
zukünftige Wohnen und die Stadtent-
wicklung leisten.
Qualitätssprung im Wohnungsbau
nutzen
"Beim Wohnungsbau stehen wir zu-
dem vor einem Qualitätssprung, der in
seinem Ausmaß vergleichbar ist mit
dem gravierenden Wandel der Wohn-
verhältnisse in den 1950er und 1960er
Jahren. Das wird die Weiterentwicklung
der Wohnsiedlungen zusätzlich beflü-
geln", so Gedaschko. Grund sei der
aktuell rasante technische Fortschritt
beispielsweise in den Bereichen Um-
welt, Energie und Verkehr. "Das Pede-
lec als neues Fortbewegungsmittel,
Wohnhäuser als Energiespeicher, Ener-
gieerzeugung als neues Geschäftsfeld
der Wohnungswirtschaft und die Woh-
nung als Gesundheitsstandort – hier ist
die Wohnungswirtschaft bereits aktiv
und wird in immer kürzeren Abständen
von Innovationen profitieren", sagte der
Blick in den gut besuchten Kongress-
saal – das ehemalige Hauptzollamt in
der Hamburger Speicherstadt.