wirtschaft + weiterbildung 07/08_2022 43 Energie, um ein Ziel zu erreichen. Der Osnabrücker Psychologieprofessor Siegfried Greif ergänzt in seinem Buch Was ist Coaching? (Hamburg 2021) die Kritik an der zwanghaften Konzentration auf das Positive mit folgenden Worten: „Wenn Klienten im Coaching ausführlich über ihre negativen Emotionen berichten wollen, dann (…) wäre es für diese Klienten in der Regel kaum nachvollziehbar, wenn ihr Coach nicht intensiv darauf einging.“ Laut Greif ist es nicht sinnvoll, Klienten von der Schilderung negativer Gefühle abzuhalten. Diese seien nicht schädlich, sondern könnten vom Coach vielmehr geschickt zur Lösungsorientierung genutzt werden. Greif spricht von einer »Positiven Psychologie 2.0«, bei der das Reden über Negatives nicht verhindert wird. Insofern hebe sich diese »Positive Psychologie 2.0« letztlich selbst auf und münde auf einem ganz leicht nachvollziehbarem Weg in eine allgemeine Psychologie ein, in der positive wie negative Erfahrungen gleichermaßen besprochen und bearbeitet würden. Die »alte« Positive Psychologie habe sich durch eine Festlegung auf ausschließlich positive Aspekte beim Thema Zielerreichung viel zu einseitig ausgerichtet. Den Methodenstreit überwinden Für Außenstehende entsteht in der letzten Zeit der Eindruck, dass die psychologischen Richtungen, die sich im Laufe der Jahre herausgebildet haben, gerne die Schlachten der Vergangenheit schlagen. Das ist erstaunlich, weil viele Richtungen sich überschneiden und Ähnlichkeiten aufweisen. Zum Beispiel legen der systemische Ansatz, der personenzentrierte Ansatz und der lösungsorientierte Ansatz gleichermaßen viel Wert darauf, dass Coaching Hilfe zur Selbsthilfe ist. Sie soll eine autonome Entwicklung unterstützen. Hirnforscher Gerhard Roth und Alicia Ryba fordern in ihrem Buch „Coaching und Beratung in der Praxis“ (2019) dazu auf, dass alle Coaching-Ansätze dahingehend untersucht werden sollten, welche einzelnen Methoden bei welchen Klienten und welchen Problemen nachweislich wirken. Sie betonen allerdings, nicht leichtfertig vorzugehen, denn: „Nicht alles, was wirkt, wirkt auch in allen Fällen.“ Coachs sollten deshalb niemals dogmatisch-schulbuchmäßig, sondern immer individuumzentriert vorgehen. Beide Autoren sprechen davon, dass ein Werkzeugkasten zusammengestellt werden könnte, der Interventionen aus verschiedenen Ansätzen enthält und aus dem sich dann jeder Coach, egal welcher Schule er angehört, bedienen kann. Unterstützung von der Neurowissenschaft In dem erwähnten Buch „Coaching und Beratung und Praxis“ gibt es auch einen von Gerhard Roth als neurowissenschaftlich fundiert gelobten Beitrag von Klaus Eidenschink vom Hephaistos CoachingZentrum in München, der darin seine eigenen Überlegungen, wie eine Methodenintegration aussehen könnte, vorstellt. Eidenschinks Integration der wesentlichen psychologischen Schulen trägt die Überschrift „Metatheorie der Veränderung“ und kann im Internet (www.metatheorieder-veraenderung.info) nachgelesen werden. Eidenschink ist seit Langem auf der Suche nach einer Integration und betont: „Die einseitige Orientierung an Tools, Vorgehensweisen, Techniken und Interventionsszenarien, die derzeit am Markt und am Ausbildungsmarkt herrscht, sollte zu Ende gehen. Es braucht keine psychodynamischen, keine systemischen, keine lösungsorientierten Coachs. Es braucht Coachs, die ein integratives Verständnis von veränderungswirksamen Faktoren haben und alle Möglichkeiten des Intervenierens situationsgerecht und gemäß ihrem individuellen Stil einsetzen können.“ Martin Pichler
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==