Wirtschaft und Weiterbildung 7-8/2022

training und coaching zeigten sie wieder das vorherige destruktive Verhalten. Erst der Ansatz, das „System“ Familie zu therapieren, brachte oft den gewünschten Erfolg. Und weil im Berufsalltag eine Arbeitsgruppe oder ein Team auch ein „System“ ist, ähnlich wie eine Familie, übernahm etwa ab dem Jahr 2004 das Business-Coaching einige Werkzeuge aus der Familientherapie. Eines der wichtigsten Tools, die ein am „System“ arbeitender Coach zur Verfügung hat, sind Fragen, die denen er dem Klienten einen Rundumblick über die Gesamtsituation ermöglicht. Denn erst dadurch werden Veränderungen wahrscheinlich. Ein Beispiel: Viele Chefs lernen im Laufe ihres Berufslebens, dass Druck Mitarbeiter zu mehr Leistung anspornt. Sie sehen aber nicht, dass noch mehr Druck nicht zu mehr Leistung, sondern zu Demotivation und Leistungsverweigerung führt. Der Coach könnte den Chef dazu bringen, über seinen rabiaten Führungsstil nachzudenken, indem er fragt: „Wenn der immer wieder krankfeiernde Mitarbeiter einen Wunsch an Sie hätte, was glauben Sie, würde er sich von Ihnen wünschen?“ Ein Chef, der diese Art von Frage zum ersten Mal hört, wird zum Coach möglicherweise sehr genervt sagen: „Fragen Sie den Mitarbeiter doch selber!“ Aber darum geht es nicht. Der Chef soll durch eigenes Nachdenken herausfinden, was er selbst ändern kann, um den Mitarbeiter zu Veränderungen zu bringen. Beim systemischen Coaching wird der Klient angeleitet, sich in die Lage der anderen hineinzuversetzen. Dabei geht es nicht Wer verschiedene Ansätze in seiner Coaching-Praxis unter einen Hut bringt, den erkennt man oft daran, dass er von sich behauptet: „Ich verbinde systemische und individuumsorientierte Methoden“. Um diese Aussage zu verstehen, macht es Sinn, sich zunächst einmal die wichtigsten psychologischen Ansätze in „Reinkultur“ vor Augen zu führen. Die Methode des systemischen Coachings Beim systemischen Coaching, einem der meistgenutzten Coaching-Verfahren, geht es darum, das Verhalten einzelner Menschen nicht nur durch ihre individuellen Eigenheiten zu erklären, sondern auch darum, in welchem Umfeld sie sich gerade befinden. Psychologen machten früh die folgende Erfahrung: In Feriencamps allein auf sich gestellt, wurden verhaltensauffällige Kinder schnell „normal“. Kamen sie aber in ihre Familien zurück, dann Methodenintegration im Business-Coaching PRAXIS. Im Laufe der Jahre haben sich verschiedene Coaching-Schulen herausgebildet. Anhänger einer Schule zu sein, hilft dabei, sich auf dem Markt zu positionieren. Aber man landet letztlich bei einer „Glaubensrichtung“, die ihre Lieblingswerkzeuge hat. Viel sinnvoller scheint es, das Beste aus mehreren Coaching-Ansätzen zu kombinieren. Foto: Adam Gault / gettyimages.de 38 wirtschaft + weiterbildung 07/08_2022

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