wirtschaft + weiterbildung 07/08_2022 35 Abbildung auf Seite 31) ist die intensive Verknüpfung von Technologie, Didaktik und Content. Lernansätze dieser Art koppeln Theorie und Dialog, Einsicht und gedankliche Praxisanwendung. Das geht weit über die bislang übliche individuelle Wissensvermittlung hinaus. In Organisationen wird viel geredet, aber nicht immer miteinander und auch nicht mit inhaltlichem Fokus. Damit in mehrdeutigen Zusammenhängen und in Komplexität wirkliche Einsicht gewonnen werden kann, bedarf es konzentrierten Austauschs. Ohne diesen Austausch zwischen Menschen geht es nicht: Denn in Abwesenheit von echter Auseinandersetzung und Diskussion werden neue, kollektive Erkenntnisse nur selten entstehen. Oder sie entstehen lediglich zufällig. Ohne geteilte Einsicht entsteht aber kein sinnvolles Handeln oder Veränderungshandeln. Wir nennen die Ansätze im „Sweet Spot“ auch „Methoden des Diskurslernens“. Diskurslernen befördert thematischen Austausch in der Art, dass die Erzeugung neuer Einsicht auch in Teams oder großen Gruppen schnell und ohne Umschweife möglich ist. Diese Ansätze sind darauf angelegt, dass Einsichten zu positiven und sinnvollen Anwendungen in der eigenen Organisation anregen unter Schonung der wertvollen Ressource Zeit. Derartige Ansätze müssen kleingruppenbasiert, rhythmisiert, einladungsbasiert (freiwillig) und durch eine Sponsorin oder einen Sponsor autorisiert sein. Für sich genommen wäre jedes dieser Konzepte wenig wirksam. Erst das komplette Set der vier Konzepte und die Kohärenz zwischen diesen Konzepten macht den Unterschied und ermöglicht Vernetzungslernen. Diskurslernen: Für komplexe Themen besonders geeignet Organisationslernen sollte Inhalte thematisieren, die Menschen, Teams und Organisationen dabei helfen, Arbeit für heute und morgen erfolgreich zu gestalten. Für den Erwerb des Grundlagenwissens rund um Zusammenarbeit und Kommunikation gibt es bereits viele und auch viele gute Angebote. Das Diskurslernen sollte sich dagegen auf jene Herausforderungen konzentrieren, für die bisher wenige adäquate Angebote vorhanden waren. Das heißt genauer: Es sollte den Fokus auf jene Themen richten, die Diskurs und lebhafte Auseinandersetzung zwingend notwendig machen. Es gibt Themen, die man sich gut im Alleingang erschließen und auch für sich alleine üben kann. Derartige Themen sollte das Diskurslernen ganz bewusst ausklammern. Die Lerneinheiten oder Module sollten vielmehr zur Auseinandersetzung mit Themen einladen, die der Einordnung bedürfen, die Mehrdeutigkeiten beinhalten und die erst durch die Reflexion im praktischen Kontext oder das Üben im Miteinander echte Relevanz erhalten. Anders gesagt: Komplexe Themen bedürfen komplexitätsadäquater Lernformate. Aber was genau sind komplexe Themen? Wir fassen darunter all jene Themenfelder, die in Kontexten von Interaktion und sozialer Dynamik von Bedeutung sind. Content für Diskurslernen transportiert bevorzugt Inhalte, die stets einen so gearteten Bezug zu Komplexität haben und in denen der Umgang mit Komplexität geübt und reflektiert werden kann – unter Verwendung praktischer Theorie. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Thema „Selbstorganisation“: Es lässt sich nur in selbstorganisierten Formaten glaubwürdig einordnen, reflektieren und üben. Diskurslernen schafft selbst eine praktische Lernumgebung, in der sich sinnvolle Selbstorganisation verstehen sowie unterstützen, festigen und vertiefen lässt. Die selbstorganisierte Lernarbeit im Diskurslernen findet ihre Entsprechung in den Inhalten der einzelnen Sessions, die stets für Selbstorganisation im Arbeitsumfeld relevant sind. Die soziale Intelligenz erhöhen Wie könnte es anders und viel, viel besser gehen? Diese Frage sollte bei den Gestaltern und Gestalterinnen von Lernplattformen und -ökosystemen an erster Stelle stehen. Nicht: Was gibt‘s da draußen wohl noch für neue Digitaltechnologien, die wir bislang nicht einsetzen? Unserer festen Überzeugung nach geht es im Bereich des Organisationslernens nicht darum, Lösungen zum Einsatz zu bringen, die technologisch neu oder vordergründig verblüffend sind, sondern darum, wahrnehmbaren Fortschritt in sozialer Interaktion und in der Auseinandersetzung zwischen Menschen in Organisationen und Arbeit zu befördern. Wie wir in diesem Beitrag dargelegt haben, kann dieser Fortschritt nur im Dreiklang von Technologie, Didaktik und Content substanziell vorangebracht werden. Insbesondere das Diskurslernen muss stets darauf ausgerichtet sein, soziale Intelligenz zu befördern. Die eingesetzte Technologie sollte vorrangig dazu dienen, diese soziale Intelligenz schnell und günstig zu erhöhen. Also möglichst ohne zusätzliche Reiseaktivität, möglichst ohne externe Impulsgeber, möglichst ohne aufwendige Gestaltung des Lernraums. Möglichst rhythmisch, zeitschonend und in den normalen Arbeitskontext der Lernenden eingebettet. Erste Lernwerkzeuge im Sweet Spot von Technologie, Didaktik und Content weisen den Weg dazu, wie das möglich ist. Silke Hermann und Niels Pfläging Silke Hermann ist Unternehmerin und Buchautorin. Gemeinsam mit Niels Pfläging entwickelte sie die Organisationsansätze „Openspace Beta“ und „Zellstrukturdesign“ sowie den Lernansatz „Learning Circles by Red 42“. silke.hermann@redforty2.com AUTOREN Niels Pfläging ist Führungsexperte, Unternehmer und Autor zahlreicher Ma n a g eme n t b ü - cher. Zu seinen Bestsellern zählen die Titel „Organisation für Komplexität“, „Komplexithoden“ und „Führen mit flexiblen Zielen“. niels.pflaeging@redforty2.com
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