R wirtschaft + weiterbildung 07/08_2022 33 Anders formuliert: Lerntechnologie, die ausschließlich auf Technologie und/oder Content setzt und die das Element des ernsthaften Diskurses zwischen Lernenden vernachlässigt, ist lückenhaft. Eine hohe Wirkung des Organisationslernens auf das Organisationshandeln kann nur dann erwartet werden, wenn Technologie, Lernmethode (Didaktik) und Inhalte (Content) integriert sind. Der Zweck dieses Dreiklangs ist, die Lücken zwischen Wissen, Können, Einsicht und Anwendung durch enge Kopplung zu schließen beziehungsweise zunächst einmal darauf hinzuweisen. Und damit weitaus höhere Wirksamkeit und Wirkgeschwindigkeit des Organisationslernens zu ermöglichen (siehe Abbildung). Einseitige Technologiefokussierung ist ein Problem Von der ausgeprägten Technologiefokussierung, ja sogar Technologieverliebtheit des Ed-Tech-Markts war eingangs bereits die Rede. Die Gefahren einer einseitigen Technologieorientierung in „Learning & Development“ liegen auf der Hand: Ohne stimmiges lernmethodisches Konzept bleibt die Wirkung der besten Technologie, der raffiniertesten Hard- und Softwarelösung auf der Strecke. Der Effekt der Technologie verbleibt dann auf Unterhaltungs- oder Eventniveau, die entsprechenden Werkzeuge verlieren schnell an Glaubwürdigkeit. Das Wirksamkeitsversprechen einer Digitaltechnologie, und sei sie noch so machtvoll, kann ohne stimmige Didaktik nicht eingelöst werden. Als Illustration für dieses Problem können browserbasierte Lernmanagementsysteme (LMS) dienen. Obwohl die entsprechenden Webtechnologien seit dem Ende der 1990er-Jahre verbreitet sind und wenngleich LMS heute den wohl größten Marktanteil am Lerntechnologie-Business unter sich aufteilen dürften, ist die Wirksamkeit solcher Systeme stark umstritten. Mithilfe der Unterscheidung zwischen Technologie, Didaktik und Content ist das Problem leicht beschreibbar: Gap-Analysen, Lerntracking, Kursmanagement und Vergabe von Badges machen für sich allein noch keine attraktive, einladende Lernumgebung aus. Marktübliche LMS scheinen bislang stärker vom Gedanken der Steuerung von Lernenden durchdrungen zu sein als von der Idee der Wirkungsmaximierung. Ihre Konstruktion kommt wohl eher den Bedürfnissen von Lernmanagern und Lernmanagerinnen als denen der Lernenden zugute. Blinde Flecken digitaler Lerntechnologien sind aber nicht nur in Bezug auf Didaktik festzustellen. Ohne stimmigen Lerninhalt führt auch attraktive Technologie oft zu Frustration bei Nutzern und folglich zu einem Mangel an Glaubwürdigkeit bei Businesskunden und Lernern. Ein einfaches Beispiel mögen Online-Interaktionstools wie Kahoot oder Mentimeter sein. Beide sind dazu gedacht, Events und Veranstaltungen spielerische, also potenziell didaktisch hilfreiche, Aspekte hinzuzufügen. Und wenngleich diese Apps einfach bedienbar sind, so ist die Verknüpfung derartiger Gamification-Aspekte mit den gewünschten Lerninhalten doch alles andere als trivial. Hinzu kommt: Eine Überbetonung von Technologien wie Gamification (oftmals als didaktisches Mittel missverstanden) unterstellt, dass den Lernenden pausenlos Reize geboten werden müssen, damit diese sich auf das Lernen einlassen: Reize, die mit dem Inhalt nichts zu tun haben. Derartige Ansätze unterstellen fälschlicherweise, dass Lernende weder am Lernen noch am Inhalt interessiert seien. Gleichzeitig versucht reizorientierte Technologie, Menschen zu konditionieren. All das hat mit Selbstbestimmtheit, menschlicher Motivation und Entwicklung nichts zu tun. Einseitige Didaktikfokussierung ist auch ein Problem Didaktik bezeichnet pädagogische Konzepte. Aber: Nicht jede x-beliebige Frage am Ende einer langen Bullet-Point-Aufzählung verdient es, als Didaktik bezeichnet zu werden. Fast alle didaktischen Elemente, die im „Corporate Learning“ heute üblich sind, wurden der Didaktik klassischer Lehranstalten entlehnt – also der Schule und der Universität. Dies erDer E-Learning-Dreiklang Überblick. Wo Technologie, Diskursdidaktik und Content zusammentreffen, liegt der zentrale „Sweet Spot“. Nur dort werden alle Elemente des Dreiklangs tatsächlich zu einer Einheit integriert. Die Grafik zeigt beispielhaft einige Tool-Kategorien auf, die jeweils rein für ein Element stehen oder sich in den Schnittstellen befinden. Quelle: Eigene Darstellung Technologie Befördert flexiblen Zugang, Skalierbarkeit, Zeit- und Kosteneffizienz · Web Conferencing · Lernanalytiken · Gamification · Wissensmanagement-Plattformen · Learning Management Systeme Sweet Spot Content Befördert Neugier, Wissensaufbau, Glaubwürdigkeit, Nachhaltigkeit · Bücher, Artikel, Blogs, Videos, Podcasts · Content Curation · Erklärvideos, Vortragsvideos Diskursdidaktik Befördert Wirksamkeit, Engagement, Lernfreude, Vernetzungslernen, Musterwechsel · Moderationstechniken · Peer Learning (Communities of Practice, WOL, Lean Coffee) · Großgruppenformate (Open Space, Barcamps, World Café) · Trainings, Seminare · Entwicklungsprogramme · Interaktionsapps · Online-Lerntools (Whiteboards, Workflow-Tools) · Tests & Diagnostiken · E-Learning-Plattformen, Onlinekurse · Consumer-Lernapps
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==