Wirtschaft und Weiterbildung 7-8/2022

menschen 16 wirtschaft + weiterbildung 07/08_2022 Wie kam es eigentlich zu Ihrer Liebe für die Psychologie? Kets de Vries: Ich war ein Ökonom, dann interessierte ich mich als Ergänzung für die Psychoanalyse. Ich wurde Direktor des Global Leadership Center und das brachte mich zum Coaching. Ich bin froh, dass ich für Insead arbeite, weil hier das Coaching genauso in den Genen verankert ist wie das Thema Entrepreneurship. Ich habe einmal an der Harvard Business School einen Vortrag gehalten und erzählte beiläufig, dass ich als Student einige nutzlose Kurse in Economics in Harvard gehört hatte. Ich sagte: „Wenn es damals psychologische Kurse gegeben hätte, hätte das mir sehr geholfen, bessere Entscheidungen im Leben zu treffen.“ Es heißt, Sie seien auch ein guter Eheberater … Kets de Vries: Ich bin Professor für Management und wurde Eheberater, weil viele Führungskräfte Eheprobleme haben. In einem meiner letzten Seminare hatten sieben von 21 Managern energieraubende Probleme mit ihrem Partner. Die Wahl eines Ehepartners wird leider sehr schlecht vorbereitet. Hat die Coronakrise eher das Beste oder eher das Schlechteste aus den Menschen herhausgeholt? Kets de Vries: Beides! Das Beste und das Schlechteste. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die Frauen weltweit die besseren Krisenmanager waren. Ich war bei der BBC eingeladen und wurde gefragt, was ich mit einer Summe von 20 Milliarden Dollar machen würde. Ich sagte, ich würde kostenlose Bildungsprogramme für Frauen anbieten. Viele Länder unternehmen leider die größten Anstrengungen, die Bildung von Frauen zu stoppen. Wenn man wirtschaftliche Entwicklung will, muss man Frauen ausbilden. Doch viele Männer können nicht damit umgehen, wenn ihre Frau schneller Karriere macht und mehr verdient. Worauf sind Sie im Rückblick auf Ihre Arbeit stolz? Kets de Vries: Vor kurzem haben meine Mitarbeitenden geschätzt, dass ich im Laufe meines Lebens mit meinem Führungskräfteprogramm, das 30 Jahre läuft, rund eine Million Menschen erreicht habe. Daher erlaube ich mir die Fantasie, ein bisschen was dafür getan zu haben, dass humanere Organisationen entstehen. Ich denke, ich habe etwas bewirkt. Das ist natürlich sehr abstrakt, deshalb habe ich eine Anekdote für Sie: Als die Pandemie begann, hat mir ein Teilnehmer eine Nachricht zum Stichwort „Mut“ geschickt und sich für das Programm bedankt. Er schrieb, dass er den Mut hatte, zu Beginn der Pandemie niemanden zu kündigen. Er hat „nur“ die Gehälter der Manager auf die Hälfte gekürzt. Manchmal ist es magisch, was man mit Leadership-Kursen erreichen kann. Sie werden im August 80 Jahre alt, wie lange wollen Sie noch weitermachen? Kets de Vries: Wenn ich nichts mehr machen würde, würde ich verrückt werden. Die haben mich am Insead gefragt, ob ich als Dinosaurier nun mein Seminar aufgeben wolle. Ich weiß es nicht. Ich habe so viele Dinge zu tun, ich habe so viele Anfragen von Tagungsveranstaltern und ich habe eine kleine Beratungsfirma, die ich narzisstisch „Kets de Vries Institut“ genannt habe. Ich mache gerade das, was ich machen will. Wichtig für mich ist es nur, die Kontrolle über mein Leben zu haben. Stimmt es, dass Sie leidenschaftlicher Fliegenfischer sind? Kets de Vries: Ja, das trifft zu. Im Sommer fliege ich nach Kanada. Die verrückteste Art des Fliegenfischens ist die nach Atlantischem Lachs. Eine kleine Fliege und ein 40 Kilogramm schwer Lachs. Das ist wie Zen. Interview: Bärbel Schwertfeger R „ Manchmal ist es magisch, was ich mit einem Leadership-Kurs bei einzelnen Teilnehmenden erreichen kann.“ Buchtipp I. „Mindful Leadership Coaching“, Palgrave 2014, 247 Seiten, 38 Euro Buchtipp II. „Sex, Money, Happiness and Death“, Insead Press 2015, 62 Euro Buchtipp III. „Führer, Narren und Hochstapler“, Schäffer Poeschel 2008, 34,45 Euro

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