Wirtschaft und Weiterbildung 7-8/2022

menschen 14 wirtschaft + weiterbildung 07/08_2022 COACHING. Manfred Kets de Vries, der bekannte Insead-Professor emeritus für Leadership Development und Organizational Change, feiert am 19. August seinen 80. Geburtstag. Der Ökonom, der auch Psychoanalytiker ist, befruchtete mit seinem psychologischen Blick insbesondere das Leadership-Coaching. Wenn Sie die vergangenen zwei Jahre Revue passieren lassen, wie haben Sie die Zeit der Pandemie und insbesondere die verschiedenen Lockdowns verbracht? Manfred Kets de Vries: Für mich war das eine sehr produktive Zeit. Ich habe acht Bücher geschrieben und zahlreiche Artikel. Darunter einen Artikel über die Staatsform der Diktatur. Es ist eine Satire, die die Idiotie der Menschen entlarvt, wenn sie Diktaturen unterstützen und die angeblichen Vorteile dieser Regierungsform feiern. Gleichzeitig werden auch die Schattenseiten der Demokratie aufgezeigt. Demokratien sind schwerfällige Luftschlösser. Ich zeige, wie Diktatoren zur Zerstörung der Zivilgesellschaft beitragen und zu Korruption, Terror, Krieg und sogar Völkermord anstiften. Und ich beschreibe, wie Diktatoren ihre autokratische Herrschaft zementieren, indem sie ihre Bürger durch Angst gefügig machen. Das hört sich für mich so an, als ob Sie gerade von Russland reden ... Kets de Vries: Der Diktator Putin sieht seit rund einem Jahr, dass es in seinem Land ökonomisch nicht gut läuft. Da ist es das Beste, sich Feinde zu schaffen. Er hat die Kontrolle über die Medien, die Polizei, den Geheimdienst und bis zu einem gewissen Grad auch das Militär. Ich erinnere mich, vor vielen Jahren als Putin gerade Präsident wurde, hatte ich in Moskau bei einem Vortrag einen Übersetzer. Ich fragte ihn, was er über Putin denke, und er sagte nur, in dem stecke vollständig der KGB. „ Putin zu coachen, wäre ein langer und harter Job“ Wie geht man mit einem Diktator wie Putin um, wenn die ganze Weltpolitik auf Gespräche, Kompromisse, Vereinbarungen besteht? Kets de Vries: Ideologie überrollt Rationalität. Putin kann verrückte Sachen machen. Ich frage mich, was seine Generäle tun, wenn er einen Atomkrieg anfangen will. Ob sie dann sagen, das gehe einen Schritt zu weit. Zurzeit erleben wir den sinnlosen Krieg eines Managers mit einem Wahn von Grandiosität und mit politischen Fantasien. Die Hoffnung vieler ist, dass es eine Palastrevolte gibt. Das weiß er und hat sicherlich vorgebaut. Was tun Sie, wenn Putin Sie als Coach anfragt? Kets de Vries: Wenn der ehemalige US-Präsident Donald Trump mich gefragt hätte, hätte ich abgelehnt, weil er ein bösartiger Narzisst ist. Trump wäre charmant, würde mich missbrauchen und am Ende wäre es hoffnungslos, mit ihm zu reden. Bei Putin hätte ich mehr Möglichkeiten. Er ist kein bösartiger Narzisst. Er hat eine träumerische Qualität. Coaching bei Putin wäre aber ein langer und harter Job. Das wäre sehr, sehr schwierig. Wie „schwierig“ sind eigentlich die Führungskräfte, die an Ihrem Topmanagementseminar am Insead teilnehmen? Kets de Vries: Ich coache oft Unternehmer, die ein bedeutendes Unternehmen aufgebaut haben. Sie halten krampfhaft Kets de Vries. Er gründete das Insead Global Leadership Centre und leitet dort das „Executive Master’s Program in Change“. Das Foto entstand im Jahr 2015 in einem Hörsaal der ESMT European School of Management and Technology in Berlin.

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==