Wirtschaft und Weiterbildung 1/2022

d Das Magazin für Führung, Personalentwicklung und E-Learning www.wuw-magazin.de wirtschaft weiterbildung Führung_Die sieben größten Fehler von Managementaufsteigern S. 30 Strategie_Die höchste Entwicklungsstufe der PE S. 34 Coaching_Das ausgezeichnete Konzept für „Digital Leader“ S. 38 Karriere ohne Aufstieg Wie moderne Entwicklungswege verlaufen S. 18 01_22 Mat.-Nr. 00107-5193

editorial wirtschaft + weiterbildung 01_2022 3 Ich wünsche Ihnen ich eine spannende Lektüre! Kristina Enderle da Silva, Chefredakteurin der Jahreswechsel ist die klassische Zeit zum Pläneschmieden. Ist die Feiertagslethargie überwunden, werden Karriereziele gesetzt. Dabei steht, wie die Titelgeschichte zeigt, das Streben nach mehr Budget- und Personalverantwortung sowie Entscheidungsbefugnissen nicht mehr an erster Stelle. „Karriere zu machen“ heißt für viele, einen individuellen berufs- und unternehmensübergreifenden Entwicklungsweg zu gehen – unabhängig von einem Führungsposten. Die Personalentwicklung ist einerseits Coach für Mitarbeitende auf diesem Entwicklungsweg. Andererseits sorgt sie für die Passung zwischen individuellen Bedürfnissen und Unternehmens- anforderungen, um die richtigen Skills für die digitale Transformation dabei aufzubauen. Wie wichtig es ist, dass die Transformation über Weiterbildung gelingt, haben wir im vergangenen Jahr häufig gelesen und geschrieben. Auch die neue Ampelkoalition weiß um diese Bedeutung: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gründet nun sogar in seinem Ministerium eine eigene Abteilung für „Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung sowie Fachkräftesicherung“, wie aus einem internen Schreiben an seine Mitarbeitenden hervorgeht. Doch ein Blick in den Koalitionsvertrag zeigt, dass die geplanten Maßnahmen an einem zentralen Akteur – der Personalentwicklung – vorbeigehen. So will Heil schnellstmöglich eine staatlich geförderte Auszeit für Weiterbildung nach österreichischem Vorbild einführen. Das ist aber weder innovativ (die „Bildungskarenz“ gibt es in Österreich seit 1998) noch förderlich für einen gezielten digitalen Skill-Aufbau. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger nennt dies eine „Qualifizierung ins Blaue hinein“. Mein Wunsch für das neue Jahr: die bestehenden Förderinstrumente einfach flexibler gestalten und deutlich vereinfachen. Und die Weiterbildung in den Händen der Profis in den HR- oder Personalentwicklungsabteilungen belassen. Liebe Leserinnen und Leser,

inhalt 01_2022 4 wirtschaft + weiterbildung 01_2022 06 blickfang aktuell 08 Nachrichten Neues aus der Weiterbildungsbranche, aktuelle Studien, Kurzinterviews und ein Gastkommentar menschen 14 „CHRO of the Year 2021“ Jörg Staff wurde zum CHRO des Jahres 2021 gewählt. Im Interview bei der Preisverleihung gab der Vorstand People und Business Services der Atruvia AG Einblicke in die Transformation des IT-Unternehmens. titelthema 18 Karriere ohne Aufstieg Die klassische Führungskarriere kann die Anforderungen an die Entwicklungswege in der Vuca-Arbeitswelt nicht mehr erfüllen. Neben bekannten Alternativen sollten sich Unternehmen mit den Bausteinen der „New Career“ auseinandersetzen. 24 Führungskarriere? Gestrichen Im Software-Beratungshaus Metafinanz gibt es nur noch wenige Führungspositionen. Das Beispiel zeigt, wie Mitarbeitende damit umgehen, wenn die Hierarchie nicht mehr die Karriere bestimmt. New Career. Wenn Hierarchien abgebaut werden, ist Karriere nicht mehr gleichbedeutend mit Aufstieg. Die Personalentwicklung ist gefordert, neue Entwicklungswege aufzuzeigen und zu ermöglichen, die zu den individuellen Ansprüchen der Mitarbeitenden passen. Führung. Ganze 24 FÜhrungsthemen für Aufsteiger stellt Coach Gudrun Happich in ihrem ausgezeichneten Buch vor. 30 personal- und organisationsentwicklung 30 Herausforderungen für Führungskräfte 24 Führungsthemen auf dem Weg ins Topmanagement hat Business-Coach Gudrun Happich in ihrem Buch identifiziert und dafür den Publikumspreis beim „21. International Book Award“ von Getabstract ergattert. Ein Auszug zeigt sieben typische Fehler von Management- Aufsteigern auf. 34 Zuschauer oder Spielmacher? Im zweiten Serienteil zu den Ergebnissen der Studie „Next PE“ dreht sich alles darum, wie die Personalentwicklung sich selbst weiterentwickeln kann. Auf welcher Entwicklungsstufe steht sie heute und wie kann sie die höchste Stufe als Strategiegestalter erreichen? training und coaching 38 Mit Coaching zum „Digital Leader“ Die Gewinnerinnen des diesjährigen Coaching & Training Awards des Deutschen Verbands für Coaching und Training (DVCT) sind sich sicher: Jede Führungskraft kann es lernen, den Mitarbeitenden auch online nah zu sein und virtuell in Resonanz zu gehen. 41 Vorbericht: Strukturaufstellungen Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer werden auf einer DVCT-Online-Fachtagung neue Entwicklungen der lösungsfokussierten, systemischen Strukturaufstellungsarbeit vorstellen. 18

wirtschaft + weiterbildung 01_2022 5 Coaching. Die DVCT-Jury hat ein neues Coaching für „Digital Leader“ ausgezeichnet. 42 Die Stunde des Fernstudiums Fernhochschulen machen das, was viele Unternehmen gerade erst begonnen haben, schon lange: Sie verbinden das Distanzlernen mit Präsenzelementen und Selbststudium mit Unterricht zu einem attraktiven Lernangebot. Doch auch hier sorgt die Digitalisierung für einen Wandel, der der Weiterbildung in Unternehmen als Vorbild dienen kann. 44 Fernstudienmarkt wächst weiter Der „Branchenmonitor Digitale Bildung in Deutschland“, den das Umfrageinstitut Forsa erstellt hat, zeigt deutlich: Die Pandemie hat für einen Boom auf dem Markt gesorgt. messen und kongresse 46 Mit Resilienz ins digitale Lernzeitalter Die Coronabedingungen verkleinerten den Teilnehmendenkreis bei der Online-Educa 2021 stark. Doch inhaltlich konnte die Tagung ihr Niveau halten: Die Vorträge stellten den Zusammenhang von Lerntechnologie und Lern(er)bedürfnisse in den Vordergrund. Dem Thema „Resilienz“ widmeten die Veranstalter dabei besondere Aufmerksamkeit. 50 Branchen-Events 2022 Auch wenn die Coronapandemie den Veranstaltern jederzeit einen Strich durch die Rechnung machen kann: Im Jahr 2022 soll es wieder einige Messen und Kongresse für Weiterbildungs- professionals geben. Ein Überblick zum Stand der Planungen. Fernstudium. Der Markt boomt und die Angebote werden weiter digitalisiert. Von der Veränderungsagenda können Unternehmen lernen. 38 42 52 fachliteratur 56 kolumne 58 zitate Rubriken 03 editorial 51 vorschau 51 impressum

blickfang 6 wirtschaft + weiterbildung 01_2022 WER Das Foto zeigt die beiden Musiker Uwe Hartmann (rechts) und Bernd Haßmann (links), die zusammen als „die Rossinis“ ihr Publikum mit Italo-Schlagern und Rock´n Roll unterhalten. WAS Die Rossinis zeigen großen (auch körperlichen) Einsatz, um die Gäste einer Gala aufzumuntern, auf der die „besten Tagungshoteliers des Jahres 2021“ ausgezeichnet wurden. UND SONST Das Foto wurde am Sonntag, 14. November 2021, von Martin Pichler im Festsaal des Best Western Premium Hotels Rebstock in Würzburg aufgenommen. Fürchtet euch nicht. Etwa 90 Tagungshoteliers, die sich strikt an die 2G-Plus-Regel hielten, trafen sich am 14. November 2021 zur Auszeichnung der „besten Tagungshotels 2021“ im Rebstock in Würzburg. Eigentlich sollte es ein Freudenfest werden, denn die Zimmerbelegung und der Umsatz waren seit Sommer besser als erwartet und der Überlebenskampf der Hotellerie schien mit dem seit langem erhofften Sieg zu enden. Doch genau an diesemWochenende, an demman sich in Würzburg traf, war den Anwesenden seit zwei Tagen klar: Alle Weihnachtsfeiern und viele Firmenevents, die für den Rest des Jahres 2021 gebucht worden waren, wurden abgesagt. Schuld war eine neue Virusvariante. Die Rossinis zitierten zum Trost einen italienischen Heiligen: Wer die Kraft seiner Flügel kennt, fürchtet den Abgrund nicht.

8 wirtschaft + weiterbildung 01_2022 „ELDER TRAINSMAN“ Max Meier-Maletz ist tot Max Meier-Maletz, Meerbusch, ist am 4. Oktober 2021 im Alter von 94 Jahren gestorben. Er war einer der renommiertesten Verkaufstrainer Deutschlands und Ehrenmitglied im BDVT. In einem Gespräch mit dieser Zeitschrift betonte er mit Nachdruck: „Training ist nicht nur Lernen, sondern hauptsächlich Üben.“ Entsprechend forderte er mehr soziale Interaktion im Training. Meier-Maletz entwickelte auch ein mediengesteuertes, branchenspezifisches Gruppentraining, mit dem Tausende von Verkaufskräften des Handels zugleich in ihren Räumen trainiert werden können. Sein Hubertus Heil (SPD), der alte und neue Bundesarbeitsminister, twitterte am 30. November 2021 über seine Pläne für die nächste Legislaturperiode: „Wir machen Deutschland zur Weiterbildungsrepublik“. „Wir führen in Deutschland ein System von Bildungszeiten und Bildungsteilzeiten wie in Österreich ein“, erklärte Heil außerdem. „Wer eine Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber darüber trifft, dass er sich weiterbildet, wird dann auch die Zeit und das Geld haben, das zu tun.“ Heil führte konkret aus: „Wer bis zu einem Jahr eine Bildungszeit nimmt, bekommt in diesem Zeitraum von der Bundesagentur für Arbeit eine Unterstützung in Höhe des Arbeitslosengeldes. Möglich ist auch eine Bildungsteilzeit von bis zu zwei Jahren.“ Der Arbeitsminister betonte: „Die Bildungszeit muss so selbstverständlich werden wie die Elternzeit.“ Das Recht auf Bildungszeit könne im Lauf des Berufslebens immer aktuell AMPELKOALITION Wir werden „Weiterbildungsrepublik“ Schüler Andreas Bornhäußer schrieb: „Wir nehmen Abschied vom Magier der Menschlichkeit“. Und BDVT-Präsident Stephan Gingter ergänzte: „Wir trauern um eine Person mit Charakter, Charme, Charisma.“ die vom Strukturwandel betroffen ist.“ Die Auszeit soll so finanziert werden wie die Elternzeit. Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg wird zuständig sein. Wie das konkret aussieht, muss das eingeleitete Gesetzgebungsverfahren zeigen. Die deutschen Arbeitgeber wollen sich dagegen wehren, dass die Bundesagentur eine stärkere Rolle in der betrieblichen Weiterbildung bekommt. Die Unternehmen und ihre Beschäftigten wüssten selbst viel besser, welche Weiterbildungen in Sachen Digitalisierung und Umweltschutz sinnvoll seien. Außerdem gebe es bereits vielfältige staatliche Förderungen von Weiterbildungsmaßnahmen (gemeint ist hier das Anfang des Jahres 2019 in Kraft getretene Qualifizierungschancengesetz, das insbesondere Arbeitslose fördern soll und das Arbeit-von-morgen-Gesetz, das Lohnkostenzuschüsse regelt), sodass es keinen Bedarf an einem Qualifizierungsgeld gebe, sagte die „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ in einer ersten Stellungnahme zum Koalitionsvertrag. Notwendig sei eine Vereinfachung der bisherigen Förderungen. AMPELKOALITION Kritik an Arbeitsminister Hubertus Heil Max Meier-Maletz. Zu seiner Zeit ein einflussreicher Trainer. wieder in Anspruch genommen werden, betonte der SPD-Politiker. „Es gilt für den Ende 20-Jährigen, der nach einigen Jahren Arbeit mit seiner Ausbildung nicht mehr weiterkommt, ebenso wie für den 55-Jährigen, dessen Betrieb in einer Branche ist,

wirtschaft + weiterbildung 01_2022 9 Kurz und Knapp Award. Die VDM Metals Group (vormals Vereinigte Deutsche Metallwerke) mit Sitz in Werdohl wurde mit dem „St. Galler Leadership Award 2021“ ausgezeichnet. Ziel des Awards ist es, erfolgreiche, mutige und kreative LeadershipInitiativen hervorzuheben. Die zum spanischen Acerinox-Konzern gehörende VDM Metals Group ist Weltmarktführer für Nickelbleche und beschäftigt rund 2.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. ICF. Der rein virtuell abgehaltene Coaching-Tag 2021 der deutschen Sektion der International Coaching Federation (ICF) lockte im Durchschnitt rund 150 Teilnehmende ins Internet. Insgesamt gab es Vorträge von 30 Referentinnen und Referenten. Der nächste CoachingTag ist für den 22. November 2022 in Frankfurt am Main geplant. Trauerfall. Dr. Georg Schreyögg, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin, starb am 30. November 2021 im Alter von 75 Jahren. Zu seinen Arbeitsgebieten gehörten das Personalmanagement und die Organisationstheorie. Seine Ehefrau, Astrid Schreyögg, ist eine bekannte Expertin für BusinessCoaching und Sachbuchautorin. Auch das noch. Für den Staat bedeutet jeder Studienabbruch im Schnitt eine negative Rendite von minus 5,9 Prozent, während ein erfolgreich abgeschlossenes Studium eine positive Rendite in Höhe von 6,6 Prozent bringt. Das errechnete das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Ein Studienabbruch nach zwei Jahren in Verbindung mit einer anschließenden dreijährigen Berufsausbildung bringt auch den Betroffenen (mit 40 Berufsjahren) negative Renditen. Arbeitnehmende wollen Zukunftsperspektiven ORACLE-UMFRAGE 71 Prozent der Deutschen fühlen sich persönlich und beruflich eingeengt, so lautet ein zentrales Ergebnis der vom Datenbankspezialisten Oracle durchgeführten Studie „AI@Work 2021“, an der global mehr als 14.600 Angestellte und Führungskräfte aus 13 Ländern teilgenommen haben, darunter 1.000 Befragte aus Deutschland. Robert Bosch GmbH ausgezeichnet ICF-COACHING-AWARD Die Robert Bosch GmbH in Stuttgart erhielt am 11. November 2021 den „Prism Award 2021“ der deutschen Sektion der International Coaching Federation (ICF). Ausgezeichnet wurde die Initiative „We coach Bosch“. Sie ist eine Art „Klammer“ um die zahlreichen, weltweiten Coaching-Aktionen bei Bosch, die sich unabhängig voneinander als Graswurzelinitiativen gebildet haben. „We coach Bosch“ fördert gezielt Synergien. Im Rahmen einer virtuellen Preisverleihung wurde der Award an die internen Coachs Corinna Dornbusch (HR Expertise Owner Bosch Powertools) und Jens Maxeiner (Director Manufacturing Operations and Engineering Oxygen Sensors) Foto: Robert Bosch überreicht. Neben der Zentrale in Stuttgart besteht die BoschGruppe aus rund 440 Tochter- und Regionalgesellschaften, in denen sich in den letzten Jahren eigenverantwortlich und selbstgesteuert Coaching-Initiativen herausbildeten. Zwar Jens Maxeiner und Corinna Dornbusch. Große Freude in Stuttgart über den „Prism Award“ des ICF. Infolge der Coronapandemie und dem damit verbundenen Lockdown sei bei vielen Arbeitnehmenden das Gefühl entstanden, einen wichtigen Teil der Kontrolle über ihr Leben abgegeben zu haben. „Und genau diese Kontrolle wollen sie nun zurückgewinnen“, prophezeien die Studienautoren. Viele Arbeitnehmende haben offenbar die langen, wiederkehrenden Phasen von Kurzarbeit und Homeoffice genutzt, um ihre berufliche und private Situation neu zu bewerten und die berufliche Weiterentwicklung steht bei vielen Beschäftigten ganz oben auf der Prioritätenliste. Mehr als drei Viertel der Befragten wünschen sich, dass innovative Technologien ihnen dabei helfen, die Zukunft aktiv für ihr persönliches Weiterkommen zu gestalten. Wertvolle Unterstützung durch KI-Tools versprechen sich die Befragten insbesondere, wenn es darum geht, ihre Entwicklungspotenziale zu identifizieren. werden bei Bosch auch externe Coachs eingesetzt, aber der Löwenanteil der weltweiten Coaching-Initiativen wird von firmeninternen Coachs getragen, die neben ihrem eigentlichen Beruf ihre Kollegen und Kolleginnen coachen.

aktuell 10 wirtschaft + weiterbildung 01_2022 Die E-Learning-Fachmesse und der begleitende Kongress, die für Ende Januar geplant waren, finden jetzt voraussichtlich vom 31. Mai bis zum 2. Juni 2022 in den Messehallen der Stadt Karlsruhe statt. Aufgrund des dynamischen Pandemiegeschehens mit der neuen Virusvariante Omikron MESSE KARLSRUHE Learntec 2022 wurde auf Ende Mai verschoben IAB-UMFRAGE GLÜCKSATLAS 2021 Homeoffice verschlechtert Produktivität fast überhaupt nicht Zufriedenheit sinkt leicht Britta Wirtz, Geschäftsführerin der Messe Karlsruhe, erklärte Anfang Dezember: „Was vor einem Monat noch als realistisch galt und von unserer Community sehr gut angenommen wurde, hat sich aufgrund der stark gestiegenen Fallzahlen in den letzten Tagen, der neuen Virusvariante und der Ankündigung erneuter Lockdowns aber nun als zunehmend ungewiss gezeigt. Dem Wunsch unserer Branche nach einer Verschiebung kommen wir nun entgegen.“ Die Messe Learntec sollte ursprünglich vom 1. bis 3. Februar 2022 in der Messe Karlsruhe stattfinden. Das Glücksniveau in Deutschland geht im zweiten Coronajahr nur sehr moderat zurück. Der aktuelle (wie immer von der Deutschen Post in Auftrag gegebene) „Glücksatlas“ belegt, dass die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung im Jahr 2021 nur um 2,4 Prozent gegenüber 2020 zurückgegangen ist und aktuell bei 6,58 Punkten liegt. Vor Corona (also im Jahr 2019) konnte der Glücksatlas noch ein Rekordhoch von 7,14 Punkten ausweisen. Auch wenn der aktuelle Glückswert der niedrigste seit Beginn der Befragung im Jahr 1984 ist, ist der Rückgang im Vergleich zum ersten Pandemiejahr sehr gering. 2020 ging die Lebenszufriedenheit noch um bemerkenswerte sechs Prozent zurück. Die Lebenszufriedenheit in Ostdeutschland (6,51) und Westdeutschland (6,61) liegt in 2021 auf nahezu gleichem Niveau. und möglichen Verschärfungen, die auch die Messe- und Kongressbranche treffen könnten, hat sich die Messegesellschaft gemeinsam mit Ausstellenden, Beiräten und Partnern dazu entschieden, die Learntec vorausschauend neu in Richtung der Sommermonate zu terminieren. Foto: Learntec Sechs von zehn Betrieben in Deutschland sehen durch die Arbeit im Homeoffice keine Reduktion der Produktivität ihrer Beschäftigten. Das zeigt eine im November 2021 durchgeführte Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). 22 Prozent der befragten Betriebe bewerten die Auswirkungen auf die Produktivität sogar als positiv. Lediglich 13 Prozent sehen eine Verschlechterung durch Homeoffice. Gut 40 Prozent der Betriebe, die in der Pandemie mindestens einem Beschäftigten Homeoffice ermöglicht haben, bewerten ihre Erfahrungen damit seit Pandemiebeginn als sehr oder eher positiv und 17 Prozent als negativ. Trotz dieser Bilanz haben in einer vorherigen Befragungswelle im Juli 2021 zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland angegeben, das Homeoffice-Angebot nach der Pandemie auf das Vorkrisenniveau zurückbringen zu wollen. Jeder zehnte Betrieb wollte laut der damaligen Befragung das Angebot sogar unter den Stand vor der Krise bringen. 70 Prozent der Großbetriebe mit 250 und mehr Beschäftigten geben an, die Ausweitung des Homeoffice-Angebots während der Pandemie habe den Austausch beeinträchtigt. Bei Kleinstbetrieben mit unter zehn Beschäftigten trifft das hingegen nur auf knapp 30 Prozent zu. Sehr ähnlich verhält es sich bei der Kommunikation zwischen Beschäftigten und Führungskräften und bei der Anleitung und Einarbeitung von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Hier nehmen je knapp 50 Prozent der Großbetriebe eine Verschlechterung durch Homeoffice wahr. Bei Kleinstbetrieben sind es zum Vergleich jeweils rund 20 Prozent.

wirtschaft + weiterbildung 01_2022 11 Die Initiative „Invest It!“ bietet in den sozialen Medien Finanzwissen für Jugendliche an. Das Besondere an diesem Projekt: Die Themen werden von jungen Erwachsenen für junge Erwachsene aufbereitet. Mit diesem Ansatz gewann das Projekt in diesem Jahr einen „Hidden Movers Award“ der Deloitte-Stiftung. Ausgezeichnet wurde auch ein Projekt zur Stärkung der Medienkompetenz insbesondere zum Thema Cybermobbing. Mit Abenteuern in einem mobilen Escape Room und anschließender gemeinsamer Reflexion sensibilisierte der „Helden e.V.“ mit seinem Projekt „Pädagogische Escape Rooms“ Kinder und Jugendliche für das Thema Cybermobbing. Ein weiteres Projekt organisierte der Verein „Morus 14“. Er sorgte für die Unterstützung sozial benachteiligter Jugendliche, um sie auf dem Weg zum Berufseinstieg zu unterstützen. Den Anspruch auf Chancengleichheit verfolgt das Projekt der „Rapper ohne Grenzen“. Dabei setzte die Initiative „Rap Buddies für Teilhabe“ auf ein musikpädagogisches Konzept: gemeinsam mit MenREPRÄSENTATIVE UMFRAGE ZUM THEMA WEITERBILDUNG Deutsche wollen sich weiterbilden, wissen aber nicht, wozu Die weltweiten Umsätze des US-Videodiensts Zoom sind in den drei Monaten August, September und Oktober 2021 „nur“ um 35 Prozent gestiegen. Im Vierteljahr davor waren es noch 54 Prozent. Im ersten Quartal 2021 konnte Zoom noch mit 191 Prozent Umsatzwachstum glänzen. Zoom war in der Coronakrise zunächst einer der großen Gewinner und hatte stark vom Trend zum Homeoffice profitiert. Die Software (es gab eine abgespeckte Gratisversion) überzeugte mit einfacher Handhabung - ein Link und ein Klick und das Meeting begann. Jetzt scheint aber die Konkurrenz von Zoom von den Unternehmen bevorzugt zu werden. Sie bietet mehr: Chatfunktionen, einen Ordner für gemeinsame Dateien und einen Kalender. VIDEOKONFERENZTOOLS Zoom wächst langsamer schen mit Migrations- und Fluchterfahrung schreiben, übersetzen und analysieren sie bekannte Rap-Songs. So stärken die Jugendlichen einerseits ihr Sprachgefühl, können ihre Erlebnisse aber auch kreativ verarbeiten. Die Kutscheit Stiftung thematisierte den Fachkräftemangel in der Pflege, der aktuell deutlich spürbar ist. Das Projekt „Sprungbrett Pflege“ vom Bonner Verein für Pflege- und Gesundheitsberufe e.V. fördert die Integration geflüchteter Menschen in den Pflegeberufen. Der Schwerpunkt des Programms liegt auf der Vermittlung von Sprachkompetenz und Fachwissen zur Pflege. 65 Prozent der Menschen in Deutschland finden regelmäßige Weiterbildung wichtig bis sehr wichtig, aber ihnen fehlt der Durchblick, wozu sie sich in eigener Regie weiterbilden sollten. Das ist das Ergebnis der Trendstudie „The Future of Upskilling“, die die IU Internationale Hochschule (IU) Ende November 2021 veröffentlichte. International sehen erstaunliche 85,6 Prozent der Befragten die eigene Weiterbildung als wichtig bis sehr wichtig an (in Deutschland sind es ganze 20 Prozentpunkte weniger). Knapp drei Viertel der Personen, die sich in Deutschland für Weiterbildung interessieren, möchten sich persönlich „Hidden Movers Award“ für Rap-Song und Escape Room DELOITTE-STIFTUNG PRÄMIERT BILDUNGSINITIATIVEN weiterentwickeln, nur etwa die Hälfte möchte sich im beruflichen Kontext weiterbilden. Die Mehrheit weiß nicht, wozu: 29,3 Prozent der an Weiterbildung Interessierten sind unsicher, 26,8 Prozent wissen überhaupt nicht, welche Qualifikationen und Kenntnisse sie erwerben wollen. „Das Konzept des lebenslangen Lernens ist in Deutschland zwar bekannt, aber noch nicht in der Praxis angekommen. Menschen wollen sich weiterentwickeln, vor allem persönlich. Wir haben ein großes Potenzial, das wir besser nutzen müssen und können“, sagt Carolin Kreuder, COO Strategic Partnerships & Upskilling an der IU. Bei den Inhalten für Weiterbildung landet der Themenbereich Wirtschaft und Management international auf Platz eins (30,6 Prozent). Doch während Kompetenzen für IT (25,1 Prozent) und Datenwissenschaften (21,2 Prozent) international zu den Spitzenthemen gehören, rangiert die IT in Deutschland weiter hinten: In Sachen IT wollen sich nur 18,2 Prozent weiterbilden.

aktuell 12 wirtschaft + weiterbildung 01_2022 Die Coronapandemie hat den Weiterbildungsmarkt nachhaltig verändert. Seine Zukunft lässt sich in alle Kürze durch folgende Thesen beschreiben: These 1: Im Gefolge der Pandemie stieg die Akzeptanz von Onlinetrainings und -Coachings stark. Deshalb werden deren Anbieter künftig häufiger gefragt werden: Können wir die Trainings auch online durchführen? Ist bei ihnen auch ein hybrides Lernen, also eine Verknüpfung von Onlinelernen mit Präsenzveranstaltungen, möglich? These 2: Viele Klienten und Klientinnen haben erkannt: Das Onlinetrainieren und -Coachen hat auch Vorzüge. So rechnen sich online oft auch kürzere Trainings- und Beratungssessions von zum Beispiel einer Stunde – auch weil die An- und Abfahrtszeiten der Trainer und Trainerinnen oder Berater und Beraterinnen entfallen. Außerdem lassen sich Onlinetrainings kurzfristiger realisieren. These 3: Ohne eine valide Digitalkompetenz können Personalentwickler und -entwicklerinnen sowie Trainer und Trainerinnen mittelfristig ihren Job nicht mehr ausüben. Das heißt nicht, dass sie ein Informatikstudium absolvieren müssen. Sie müssen aber so viel IT-Know-how haben, dass sie qualifiziert beurteilen können, welche Lernarchitekturen sich mit der modernen Technik schmieden lassen und für welche Ziele diese eingesetzt werden können. These 4: In den nächsten Jahren werden viele etablierte Weiterbildungsanbieter vom Markt verschwinden, weil es ihnen nicht gelingt, ihre Produkt- oder Leistungspalette so zu transformieren, dass diese den veränderten Kundenwünschen entspricht. An ihre Stelle werden nicht selten neue Anbieter treten, deren Wurzeln im IT-Bereich liegen und die sich das inhaltliche und pädagogische Know-how zum Entwickeln ihrer Produkte zukaufen. These 5: Im Markt werden sich Anbieter etablieren, die auf das Entwickeln von Learning-Nuggets spezialisiert sind. Viele Weiterbildungsanbieter werden aus Zeit- und Kostengründen auf solche vorgefertigten digitalen Lernbausteine zurückgreifen. These 6: Dem Online-Coaching gehört die Zukunft. Das Coaching-Geschäft wird zumindest im B2B-Bereich aus Zeit- und Kostengründen zunehmend ein virtuelles Business sein. Im Markt werden sich hybride Coaching-Konzepte etablieren, bei denen die Präsenz-Coachings primär dem Beziehungsaufbau dienen; ansonsten erfolgt das Coachen weitgehend online. Vor allem die auf Privatkunden spezialisierten Coachs werden zudem verstärkt die Konkurrenz von Coaching-Apps spüren. These 7: In naher Zukunft werden noch viele neue Tools zum Digitalisieren von Lernprozessen auf den Markt kommen. In den Coronamonaten haben viele Investoren gemerkt, welch riesiges Marktpotenzial in der Digitalisierung von Dienstleistungen steckt. Entsprechend viele etablierte Unternehmen und Start-ups tüfteln zurzeit an neuen Problemlösungen – auch unter Zuhilfenahme von „künstlicher Intelligenz“. Trainer und Trainerinnen sowie Berater und Beraterinnen werden sich künftig in viele neue Tools zum Digitalisieren von Qualifizierungs- und Beratungsprozessen einarbeiten müssen, um „up-todate“ zu sein. Das wird viele Solo-Unternehmer und -Unternehmerinnen überfordern. These 8: Der Onlinetrainings- und -Coachingmarkt ist ein (Wachstums-)Markt im Entstehen. Deshalb haben sich in ihm noch kaum Qualitätsmaßstäbe und Preisniveaus etabliert. Diese werden sich aber zunehmend entwickeln, sobald dieser neue Markt einen höheren Reifegrad erreicht. Gastkommentar Acht Thesen zum Weiterbildungsmarkt der Zukunft Hans-Peter Machwürth Hans-Peter Machwürth ist Geschäftsführer des international agierenden Trainings- und Beratungsunternehmens Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede. Internet: www.mticonsultancy.com Es werden neue Weiterbildungs- anbieter kommen, deren Wurzeln eigentlich im IT-Bereich liegen. „ „

wirtschaft + weiterbildung 01_2022 13 Markus Göbel, Geschäftsführer der Göbel Hotelgruppe sowie Inhaber des Schlosshotels „Prinz von Hessen“ in Friedewald ist „Top-Tagungshotelier 2021“. Die Auszeichnung wurde ihm im Kreis von etwa 90 Hoteliers bei der Veranstaltung „Top 250 Germany – Die besten Tagungshotels in Deutschland“ MANAGEMENTBERATUNG IN DEUTSCHLAND Rund vier Prozent Umsatzrückgang bei Beratungsunternehmen Im Geschäftsjahr 2020 betrug das Marktvolumen der Managementberatungen in Deutschland (klassische Unternehmensberatungen à la Roland Berger) 34,6 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Rückgang um 3,9 Prozent gegenüber 2019 (36,0 Milliarden Euro). Die nach Umsatz 15 führenden Managementberatungen erzielten 2020 Gesamtumsätze in Höhe von 2,6 Milliarden Euro (2019: 2,8). Das sind Ergebnisse der aktuellen Lünendonk-Studie „Managementberatung in Deutschland“, die das Marktforschungsunternehmen Lünendonk & Hossenfelder Anfang Dezember 2021 veröffentlichte (www.luenendonk.de). Die befragten Beratungsgesellschaften erwarten für 2021 ein Umsatzwachstum von 9,3 Prozent. 73 Prozent der Beratungsprojekte laufen remote. Die Beratungen erwarten, dass sich dieser Anteil auf lange Sicht etwas reduziert, aber weiterhin auf einem hohen Niveau bleibt. „Top-Tagungshotelier 2021“ ausgezeichnet HOTELLERIE Gesamtumsatz in Mio. Euro Mitarbeiterzahl insgesamt 2020 2019 2020 2019 1 Roland Berger Holding GmbH, München 590,0 642,0 2.400 2.400 2 Simon-Kucher & Partners Strategy Consultants GmbH, Bonn 361,5 358,0 1.400 1.381 3 Q_Perior AG, München 225,0 214,0 789 751 4 Horváth AG, Stuttgart* 196,0 211,0 832 910 5 Detecon International GmbH, Köln 193,5 201,0 1.124 1.230 Top 5 der deutschen Managementberatungen Ranking. Beratungsunternehmen, die ihren Hauptsitz sowie die Mehrheit des Grund- und Stammkapitals in Deutschland haben, wurden nach dem Gesamtumsatz sortiert. (www.luenendonk.de) *Rebranding 2021 von Horváth & Partners zu Horváth saugen“, sagte der 47-Jährige augenzwinkernd. Wenn auch mal eine Neuerung daneben gehe, so frage er sich nach dem Warum, um aus Fehlern zu lernen. Eine Menge Göbelscher Innovationen haben sich bewährt: Etwa die Überraschungssäckchen für das Verzichten auf eine Zimmerreinigung, die bei Göbels schon vor fünf Jahren eingeführt wurden. Oder die „Wellnessliegen-Benutzungskarte“ – eine Art Parkscheibe für Wellnessliegen – als Antwort auf das „Reservieren“ von Liegen per Handtuch. Oder Handyladestationen im Tagungsraum. Aktuell stellt Göbel sich die Frage, welche Tagungstischgrößen wohl künftig zum Standard werden. „Noch vor Corona war es normal, zwei Seminarteilnehmenden an einen 1,40 Meter breiten Tisch zu setzen“, so Göbel. Jetzt glaubt er, dass das so in Zukunft nicht mehr umsetzbar sei. „Der Platzbedarf wird auch nach Corona größer sein als vorher.“ Mitte November in Würzburg überreicht. Die Jury lobte Göbels Neugier und Tatkraft „im Verein mit planerischem Weitblick“. Jede neue Idee, „je verrückter desto besser“, werde ausprobiert. „Ich versuche alles, was für mich interessant und neu ist, wie ein Schwamm aufzuMarkus Göbel. Der Top-Hotelier und sein Schlosshotel.

menschen 14 wirtschaft + weiterbildung 01_2022 INTERVIEW. Jörg Staff wurde von den Leserinnen und Lesern unserer Schwesterzeitschrift „Personalmagazin“ zum „CHRO of the Year 2021“ gewählt. Im Interview bei der Preisverleihung gab der Vorstand People und Business Services der Atruvia AG Einblicke in die Transformation des Karlsruher IT-Unternehmens und sprach über den mitarbeiterzentrierten Organisationsansatz „Employee Experience“, den er vorantreibt. Sie haben sich mit dem Thema „Employee Experience“ einen Namen gemacht. Was verstehen Sie darunter? Jörg Staff: Das Thema steht im engen Zusammenhang mit der Transformation unseres Unternehmens. Wir haben uns entschieden, uns in dreifacher Hinsicht neu aufzustellen. Erstens haben wir unternehmensweit ein neues agiles Zusammenarbeitsmodell eingeführt und richten uns viel stärker am Kunden aus. Wir gehen weg von den funktionalen Silos hin zu einem End-to-End-Ansatz und erstellen unsere Lösungen in kleinen Teams – und zwar von der Beratung über die Entwicklung bis zur Implementierung. Zweitens haben wir ein anderes Führungsmodell inklusive einer gleichwertigen Fachkarriere eingeführt, weg von der hierarchischen Führung, hin zur mehr Eigenverantwortung der Teams und Stärkung der fachlichen Kompetenzträger und -trägerinnen in unserem Unternehmen. Wir haben neben den fachlichen Leads auch People Leads als Tandem eingeführt, die sich ausschließlich um alle personellen Themen kümmern. Und drittens haben wir die BusinessServices, HR, IT, Nachhaltigkeit und Facility Management zu einem neuen integrierten Servicefeld zusammengefasst, das ein Gesamterlebnis für die Menschen schafft. Das ist die Employee Experience. Können Sie uns ein Beispiel nennen? Staff: Nehmen wir den Prozess Onboarding. Jeder kennt das doch: neuer Mitarbeiter gefunden, Vertrag gemacht, erster ArAuszeichnung für Jörg Staff als CHRO des Jahres beitstag. Vielleicht kommt die Person schon mal gar nicht in das Gebäude oder an den Arbeitsplatz, dann funktioniert der Rechner nicht. Um einem neuen Mitarbeitenden einen perfekten ersten Arbeitstag zu bereiten, brauchen Sie Leistungen von Facility Management, IT und HR. Das ist unser Ansatz von einem integrierten Business Service, von der Schaffung einer Employee Experience. Lassen Sie uns über die Trennung von fachlicher und Menschenführung sprechen. Sind People Leads auch die disziplinarischen Vorgesetzten der bis zu 50 Menschen, die zu ihrem Team gehören? Und geht das – disziplinarische Verantwortung ohne fachliche Involvierung? Staff: Das geht sogar sehr gut. Wir haben im Unternehmen die Erfahrung gemacht, dass die Teamführung immer wieder an Grenzen stößt und die Fachlichkeit die Betreuung der Menschen auffrisst. Bei Atruvia haben wir deshalb entschieden, die beiden Aufgaben zu trennen. Die Rolle Tribe Lead deckt die ganze Fachlichkeit ab, das heißt, sie sorgt dafür, dass die Produkte entwickelt werden, die Qualität und die Kundenzufriedenheit passen. Die Rolle People Lead macht alles rund um den Menschen, ist disziplinarisch verantwortlich, kümmert sich ums Recruiting, um die Auslastung im Team, um die Entwicklung der Menschen, um Feedback und weitere Teamprozesse. Bei bis zu 50 Menschen in einem Team ist das ein Fulltime-Job. Jörg Staff. Er ist Vorstand People und Business Services bei der Atruvia AG. Das Mittelstandsunternehmen ist der IT- und Digitalisierungsdienstleister der Volks- und Raiffeisenbanken. Foto: Daniel Sturm

wirtschaft + weiterbildung 01_2022 15 Der People Lead ist quasi der neue HR Business Partner – mit dem Unterschied, dass er disziplinarische Verantwortung und damit mehr Einflussmöglichkeiten hat … Staff: … und Bestandteil des Teams ist! Der People Lead führt das Team gemeinsam mit dem Tribe Lead und steuert die gesamte Entwicklung des Teams mit. Und was sagt der CEO, was sagen Sie und Ihre Vorstandskollegen dazu? Staff: Das Besondere an unserem agilen Zusammenarbeitsmodell ist, dass wir keinen CEO mehr haben. Wir sind in unserer Vorstandsarbeit alle gleichberechtigt und haben zwei Vorstandssprecher für die Kommunikation zu unseren Gremien und für die externe unternehmensweite Kommunikation. Wir im Vorstand fördern und unterstützen diese Transformation seit zwei Jahren. Wir lernen selbst, agil zu arbeiten, haben gelernt loszulassen, Eigenverantwortung in die Teams zu geben. Wir finden diese Entwicklung sehr gut. Kennen Sie andere Unternehmen, die ähnlich konsequent ein mitarbeiterzentriertes Organisationskonzept umsetzen? Staff: Nein, in dieser Größenordnung nicht. Ich habe vor drei Jahren mit Marc Levy in Amerika telefoniert, wie er das als Head of Employee Experience bei Airbnb umgesetzt hat. Von ihm habe ich einiges gelernt. Aber hier in Deutschland habe ich das bisher nicht in dieser Konsequenz gefunden. Fairerweise möchte ich darauf hinweisen, dass es durchaus schwierig ist, so ein Konzept in großen Unternehmen mit ihren oft funktionalen Machtstrukturen umzusetzen. Ihre Botschaft für die HR-Community heißt heute aber: Es ist umsetzbar, wenn man es will. Staff: Ja, es ist definitiv umsetzbar. In unserem Fall ist der Impuls sogar von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgegangen. Im Rahmen der Transformation haben sie in einer Initiative selbst diese Idee und dieses Modell entwickelt. Herr Staff, Sie haben an der Hochschule Pforzheim Wirtschaft studiert und anschließend bei Topadressen der deutschen Wirtschaft gearbeitet: Debis Systemhaus, Daimler, Deutsche Post, SAP und jetzt acht Jahre bei Atruvia. Ihr Lebenslauf liest sich zielstrebig. Waren Sie schon in der Schule ein Streber? Staff: Nein, ich war und bin überhaupt kein Streber. Ich arbeite, um gut zu leben. Das war immer mein Motto und das gilt bis heute. Sie haben eine Aufstiegskarriere gemacht und es bis zum Vorstand gebracht. Und jetzt führen Sie flache Hierarchien ein. Ist das nicht ein Widerspruch? Staff: Ja, das mag als Widerspruch erscheinen, aber ich empfinde heute die Distanz, die sich häufig zwischen Topmanagement und Mitarbeitenden aufbaut, als befremdlich. Ich erin- R

menschen 16 wirtschaft + weiterbildung 01_2022 nere mich an ein Leadership-Meeting vor vielen Jahren, bei dem die Führungskräfte die Aufgabe bekamen, zu den Mitarbeitenden in die Büros zu gehen und in der Regel eine Stunde lang mit ihnen über die wichtigsten tagesaktuelle Themen zu sprechen. Alle kamen nach dieser Stunde wie berauscht zurück, weil sie dieses Erlebnis gar nicht mehr kannten. Wir als Vorstände oder Manager müssen heutzutage auf Augenhöhe mit den Mitarbeitenden arbeiten, deshalb brauchen wir flache Hierarchien. Sie setzen sich auch für Diversity ein, daher möchten wir Ihnen Fragen stellen, die normalerweise nur Frauen beantworten müssen. Wie vereinbaren Sie Ihre Arbeit mit Familie und Privatleben? Staff: Ich nehme gezielt Auszeiten und reserviere dafür Zeit. Ich habe meinen Jahresurlaub für 2022 schon geplant. Werden wir noch ein bisschen konkreter: Mussten Sie sich zwischen Kind und Karriere entscheiden? Staff: Karriere war früher ein großes Thema für mich, deshalb habe ich mich damals mehr für die Karriere entschieden. Leider habe ich damals zu wenig Zeit mit der Familie verbracht, muss ich heute ehrlicherweise sagen. Im Nachhinein versuche ich jetzt Dinge anders zu machen, die ich damals zum Beispiel mit meiner Tochter oder Familie versäumt habe. Sie tragen viel Verantwortung. Warum trauen Sie sich das eigentlich zu? Staff: Das ist eine gute Frage, über die ich noch nie nachgedacht habe. Aber meine spontane Reaktion: Man wächst mit der Aufgabe, man wächst über Erfahrungen und Erlebnisse in neue Aufgaben hinein und damit nimmt automatisch auch die Verantwortung zu. Wie stehen Sie zu Deutschlands Frauenquote? Sind Zielvorgaben oder Quoten eigentlich ein gutes, brauchbares Instrument, um Präsenz von Frauen in der Führung zu stärken? Staff: Zielvorgaben ja, Quote eher nein. Zielvorgaben sorgen für Transparenz, und sie sind ein Messkriterium, um das Thema voranzubringen. Diversity ist für mich aber mehr als Frauenförderung. Wie ist es Ihnen gelungen, in Ihrer Position ernst genommen zu werden? Staff: Indem ich immer zuhöre, indem ich versuche, den Standpunkt der oder des anderen zu verstehen, und indem ich mich auch für andere Themen interessiere. Frauen werden auch oft gefragt, ob sie sich als Role Model für andere Frauen sehen. Würden Sie sagen, dass Sie ein Role Model für jüngere Männer sein können? Staff: Das wäre vermessen. Aber eine gewisse Vorbildfunktion sehe ich schon. Ich würde lieber von einer Mentoring-Funktion sprechen. Entspricht Ihr heutiges Outfit dem, was Sie sonst in der Regel in Ihrem Büro tragen? Und wie kleiden Sie sich eigentlich in Ihrer Freizeit? Staff: Ich kleide mich tatsächlich sehr oft so wie heute, immer seltener mit Anzug und Krawatte. Einen Anzug trage ich bei offiziellen Gelegenheiten, wie zum Beispiel Aufsichtsratssitzungen, aber selbst da trage ich den Anzug mittlerweile häufig ganz ohne Krawatte. Und privat kleide ich mich natürlich noch etwas legerer. Interview: Kristina Enderle da Silva und Reiner Straub R „ Manager müssen heutzutage auf Augenhöhe mit den Mitarbeitenden arbeiten – deshalb brauchen wir flache Hierarchien.“ Jörg Staff Interview. MIt Kristina Enderle da Silva und Reiner Straub diskutierte Jörg Staff (ganz links) über die Trends im Personalmanagement.

Karriere ohne Aufstieg titelthema Foto: Jorg Greuel / gettyimages.de DAS HEISST ... ... „Karriere“: 18 wirtschaft + weiterbildung 01_2022

ÜBERBLICK. Unternehmen mit flachen Hierarchien und selbstverantwortlichen Teamworkern brauchen Entwicklungswege, die mehr bieten als den Aufstieg über die klassische Führungskarriere. Neben Fach- und Expertenlaufbahnen bieten sich weitere Bausteine an, die zusammen eine „New Career“ bilden. Die Personalentwicklung muss dies individuell fördern. R 01. Der französische Wortstamm „Carrière“ bedeutet Rennbahn oder Reitplatz. 02. „En pleine Carrière“ lässt sich mit „im gestreckten Galopp“ übersetzen. 03. Das Wort „Karriere“ assoziiert Schnelligkeit, Reihenfolge, Vorwärtsdrängen. Jede Zeit bringt ihre Herausforderungen mit sich – die schnell als Trends mit einem Label versehen werden. Derzeit sind dies Begriffe wie Vuca, Agilität, Management 4.0 und New Work. Begriffe, um die sich alles zu drehen scheint. Wenn wir davon ausgehen, dass es sich hierbei nicht um schnelllebige Trends handelt, sondern um echte Einflussfaktoren, dann wird sich vor allem vor dem Hintergrund der Digitalisierung unsere Arbeitswelt weiter tiefgreifend verändern. Wir müssen unsere Belegschaften zügig auf ein höheres, technisches Skill-Level bringen, um das Potenzial der Digitalisierung zu heben. Auch das Lernen wird sich verändern – Schulungsangebote, die langwierig von der Personalentwicklung und der Fachabteilung erarbeitet und umgesetzt wurden, werden durch neue (KIgestützte) Formate sowie selbstgesteuertes Lernen ergänzt oder sogar ersetzt. Dies hat auch auf das Verständnis von Karriere eine tiefgreifende Auswirkung. Die klassische Führungskarriere greift hier zu kurz. wirtschaft + weiterbildung 01_2022 19

titelthema 20 wirtschaft + weiterbildung 01_2022 Ganz neu ist diese Entwicklung natürlich nicht: In den vergangenen 40 Jahren haben sich Personalentwickler und Personalentwicklerinnen intensiv Gedanken darüber gemacht, welche alternativen Karrierewege es neben der klassischen Linienlaufbahn geben kann. Denn für gute Fachleute gab es lange kaum attraktive Karrierechancen außerhalb der Hierarchie. Wer sichtbar Karriere machen, Anerkennung in den Organisationen und der Gesellschaft haben will, muss Führungskraft werden. Dabei weiß fast jeder über einen Fall zu berichten, in dem genau dieses Prinzip dazu geführt hat, dass eine gute Fachkraft verloren ging und eine schlechte Führungskraft dazukam. Der Klassiker: die Führungskarriere Trotzdem ist die Führungslaufbahn der Klassiker unter den Karrierewegen und gilt in einigen Unternehmen heute noch als Nonplusultra, wenn es um beruflichen Aufstieg geht. Der hohe Stellenwert der Fuhrungskarriere beruht auf dem Grundgedanken, dass eine zielgerichtete Steuerung von Unternehmen moglich ist. Eine Folge aus der starken Positionierung des Fuhrungskarrierepfads in vielen Unternehmen war der Funken Glamour, der damit einherging: Fuhrungskrafte wurden zu großen Firmenveranstaltungen eingeladen, sie genossen Ansehen, zu Fuhrungskraften wurde aufgeschaut, sie konnten hohe Gehalter einstreichen, sich mit Vielfliegerkarten und begehrten Statussymbolen schmücken. Nachdem die Fuhrungskarriere eben haufig der einzige Weg fur beruflichen Aufstieg war, ist die Motivation für den Aufstieg nicht immer die Mitarbeiterfuhrung, sondern zum Beispiel auch eine großere Entscheidungsfreiheit oder mehr Budget. Die Alternativen: Fach- und Projektleiterlaufbahnen Die Arbeitswelt hat sich allerdings massiv gewandelt. Heute wird – mehr denn je – von Mitarbeitenden ein hohes Maß an Flexibilität im Hinblick auf das Tätigkeitsgebiet, die organisatorische Eingliederung und den Einsatzort verlangt. Eine Führungskraft ist in vielen Fällen schon lange nicht mehr der ehemals beste Sachbearbeiter oder die beste Sachbearbeiterin. Zudem werden häufiger Aufgaben in Form von Projekten bearbeitet. Dadurch sind Positionen entstanden, die von hoch qualifizierten Mitarbeitenden wahrgenommen werden, die häufig viel Verantwortung übernehmen, aber keine disziplinarische Führungsverantwortung haben – und auch nicht entsprechend gewürdigt werden, weder in Form von Geld und Anreizen noch in der Außenwirkung hin zu anderen Unternehmen oder im gesellschaftlichen Ansehen. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sie Alternativen brauchen, um die wettbewerbsentscheidenden Mitarbeitenden zu gewinnen und zu halten. Sie greifen in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der alternativen Laufbahnkonzepte auf. Eine Folge ist die Entstehung von Fach- und Projektleiterlaufbahnen. Mehr Selbstbestimmung: die proteische Karriere Schaut man auf heutige Einflussfaktoren, wird schnell klar, dass es eine weitere Notwendigkeit gibt, Karriere neu zu denken. Die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft und die Bedürfnisse der sinnsuchenden heutigen New-WorkGeneration, die unter Umständen einen unverbindlicheren Deal im ArbeitgeberArbeitnehmer-Verhältnis sieht, stellen die Bedeutsamkeit und Selbstbestimmtheit von Karriere in den Vordergrund. Im letzten Kapitel seines Buchs „Careers in Organizations“ von 1976 hat Douglas Hall den Begriff „Proteische Karriere“ eingefuhrt. Seine Beschreibung der proteischen Karriere kann hier als Blaupause für den Ansatz einer „New Career“ gelten: „The protean career is a process which the person, not the organization, is managing. It consists all of the person’s varied experiences in education, training, work in several organizations, changes in occupational field, etc. The protean career is not what happens to the person in any one organization. The protean person’s own personal career choices and search for self-fulfillment are the unifying or integrative elements in his or her life. The criterion of success is internal (psychological success). Not external. In short, the protean career is shaped more by the individual than by the organization and may be redirected from time to time to meet the needs of the person.“ Was bedeutet dies nun konkret? Dem reinen Bildungsangebot und der klassischen Aufwartsbeforderung werden eine abnehmende Bedeutung zugeschrieben. Hall formuliert den Wandel der primar durch die Organisation gesteuerten Karriere hin zu einer konstruktivistischen, selbstgesteuerten Karriere. Diese Entwicklung wird gekennzeichnet sein durch einen Paradigmenwechsel, den er mit drei Aspekten kennzeichnet: • von der Arbeitsplatzsicherheit zur Beschaftigungssicherheit R 04. Umgangssprachlich ist mit Karriere im Deutschen der berufliche Aufstieg gemeint. 05. Im Englischen wird „Career“ eher als beruflicher Werdegang benutzt. 06. Künftig ist mit Karriere auch das Wachsen der persönlichen Kompetenzen gemeint.

wirtschaft + weiterbildung 01_2022 21 • vom Arbeits-Ich („Work-Self“) zum ganzheitlichen Ich („Whole Self“) • vom Know-how zum Learn-how Der Mittelweg: die Kompetenzkarriere Werfen wir neben der proteischen Karriere noch einen Blick auf die Kompetenzkarriere anhand des Kompetenzrads nach Jürgen Fuchs. Die Kompetenzkarriere ist nicht brandneu, jedoch gerat sie unter dem zwischenzeitlich gescharften Verstandnis des Kompetenzbegriffs und den Entwicklungen mit Blick auf die Digitalisierung mehr in den Fokus, als dies bislang der Fall war. Die Pyramide war – und ist – das vorherrschende Bild von Karriere in Organisationen. Es zeigt durch die geometrische Form die Verteilung von Macht und Aufstieg, wobei mit zunehmender Höhe der Platz geringer wird. Der bestechende Aspekt beim Kompetenzrad nach Fuchs besteht vor allem in einer visualisierten Dekonstruktion des Bildes dieser Pyramide. Es entsteht eine Kreisflache, in der die Kompetenzen der Mitarbeitenden abgebildet werden. Es geht darum „Fläche“ in diesem Kreis zu gewinnen. Dabei ist es zunächst einmal nachrangig, ob es sich um eine Vertiefung in einem bestehenden Kompetenzfeld handelt oder um eine Erweiterung des gegenwärtigen Kompetenzprofils um zusätzliche Segmente. Diese Komponente kann mit Blick auf die Implementierung eines neuen KarriereMindsets – weg von der Hierarchie – gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dabei müssen Mitarbeitende und Unternehmen nicht nur für die Entwicklung der Kompetenzen, die für eine Knowhow-Karriere notwendig sind, Sorge tragen. Vielmehr braucht es einen Orientierungsrahmen über die Kompetenzen, die einen Mitarbeitenden für das Unternehmen wertvoll machen – die Verzahnung mit Unternehmenszielen und -strategien. Als Ausgangspunkt für die Kompetenzkarriere skizziert Fuchs das Unternehmen der Zukunft. Hier ist der Kunde Arbeitgeber, und Mitarbeitende sowie Vorgesetzte agieren auf Augenhohe. Die Führungskraft steht somit nicht mehr uber den Mitarbeitenden, sondern hinter ihnen und starkt den Rucken. Die Fuhrungsarbeit verschiedene Komponenten ausgerichtet an den Bedürfnissen und Anforderungen der Mitarbeitenden zusammenzustellen. Fur Organisationen lassen sich aus unserer Sicht folgende Arbeitshypothesen fur New Career formulieren: Es hat sich bewahrt, die klassische Fuhrungslaufbahn als Ausgangspunkt fur die Strukturierung eines Karrierepfads und entsprechende Karriere- beziehungsweise Entwicklungsanreize als Grundlage heranzuziehen, das heißt, diese mit Blick auf Verantwortung, Entscheidungsbefugnisse et cetera zu beleuchten. Eine klassische Fuhrungskarriere ist fur viele nach wie vor attraktiv und – wo sinnvoll – kann diese beibehalten werden. Sofern es einen organisatorischen Bedarf fur eine vergleichbare Laufbahn als Experte oder Expertin oder in der Projektleitung gibt, kann auch dieser Neoklassiker entsprechend erganzt werden. Eine strikte Kontingentierung und gleichwertige Ausgestaltung dieses Karrieretyps ist fur einige Menschen eine sinnvolle und attraktive Alternative zur Fuhrungskarriere. Der Aufwand fur die relativ geringe Zahl an potenziellen Stellen sowie das Erosionsrisiko des Konzepts ist dennoch als sehr hoch einzuschatzen. Der Ansatz des Kompetenzrads bietet gerade mit Blick auf die gleiche Wertigkeit der verschiedenen Karrieren eine fur die Organisation nachvollziehbare Logik. Entscheidend ist auch hier die vergleichbare Ausgestaltung von Anreizen. Gerade dann, wenn eine Organisation • bereits durch neuere Organisationsformen strukturiert ist (zum Beispiel durch Kreisstrukturen) oder ist Dienstleister und nicht mehr Hierarch. Und in diesem Verstandnis ist auch Karriere nicht mehr auf die zehn Prozent Fuhrungshierarchie innerhalb eines Unternehmens beschrankt, sondern bietet Optionen fur alle Mitarbeitenden, „wertvoller“ zu werden, zum Beispiel, weil man einen großeren Wert fur den Kunden schafft oder eine großere Komplexitat beherrscht und somit einen Mehrwert fur das Unternehmen darstellt. Und doch handelt es sich bei der Kompetenzkarriere ebenso wie bei den Alternativen wie Experten- oder Projektleitungskarrieren um Derivate der klassischen Führungslaufbahn. Gerade unter dem Blickwinkel sich ändernder Organisationsstrukturen (zum Beispiel hin zu Holacracy) und Prozesse sowie Verfahren (zum Beispiel agiles Projektmanagement) und veränderten Werthaltungen der Menschen weltweit braucht es eine radikalere Sicht auf Karriere als nur alten Wein in neuen Schläuchen. Kommen wir nun also zu den Komponenten von „New Career“. Bausteine einer „New Career“ Fur das Grundverstandnis von „New Career“ ist es bedeutsam, den grundlegenden Wunsch nach Entwicklung nicht zwingend mit einem Wunsch nach Karriere gleichzusetzen. Die Erwartungen von Menschen an eine Karriere zeigen eine große Bandbreite, die mit Sicherheit eine hohe Ambiguitatstoleranz fordert. Im Ergebnis handelt es sich allerdings oft nicht um unvereinbare Positionen. Bei „New Career“ geht es also darum, nicht den einen Karriereweg zu suchen, sondern R Frank Sieber Bethke ist geschäftsführender Gesellschafter von Toolbox & Services GmbH, einem Beratungsunternehmen für PE/OE. Er ist Autor sowie Berater und Trainer für Personal- und Organisationsentwicklung. fsb@toolbox-services.de www.toolbox-services.de AUTOREN Anja Klein ist Führungskraft im HR-Management und besitzt internationale Erfahrung aus verschiedenen Branchen und HR-Bereichen, darunter Personalentwicklung, Compensation & Benefits, HR-Strategy und Labor Relations. www. l inkedin.com/in/anja-klein4404a2147

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