Wirtschaft und Weiterbildung 1/2022

wirtschaft + weiterbildung 01_2022 45 bereit – neuerdings auch in einer eigens entwickelten IU-App, in der die Studierenden zusätzlich Karteikarten erstellen oder Bookmarks setzen können. Hybride Kollaborationstools Da sich vor allem Berufstätige für ein berufsbegleitendes Fernstudium entscheiden, versuchen die Fernhochschulen die Flexibilität weiter voranzutreiben. „Da haben sie noch eine Schippe draufgelegt. Studierende werden vermutlich in Zukunft noch stärker die Wahl haben, ob sie Kurse lieber online oder in Präsenz absolvieren“, meint Margot Klinkner von der ZFH. Auch hybrides Lernen ist eine gute Option – zumindest, wenn alle Teilnehmenden online und vor Ort das Gefühl haben, im gleichen Lernraum zu sein. Die Frankfurt International School hat sich deshalb für ein Kollaborationstool für hybrides Lernen von Owl Labs entschieden. Die „Meeting Owl“, eine 360-GradKamera mit integriertem Mikrofon und Lautsprecher, verfolgt mithilfe einer KIgesteuerten Technologie automatisch die Lehrkraft oder die Lernenden, wenn sie sich durch den Raum bewegen. Zudem ist ein Panoramablick über den gesamten Raum möglich. „Zeitverzögerte Übertragungen sind die größte Störquelle bei hybriden Meetings“, meint Owl-Labs-CEO Frank Weishaupt. Auch gute Lichtverhältnisse, eine Platzierung in Mikrofonnähe oder schallabsorbierende Mittel seien wichtig. Aber mit der entsprechenden Technologie könne die Lehrkraft so unterrichten wie immer – egal, wo sie sich im Raum befinde. Nur didaktisch ist laut Weishaupt ein anderer Fokus gefragt. Es gelte, eine gesunde Diskussionsroutine zu schaffen – etwa indem man diejenigen aktiv einbinde, die zugeschaltet seien. Zudem sollte man virtuell erhobene Hände sichtbar machen und darauf achten, sich gegenseitig ausreden zu lassen. Fernstudienerfahrung schwappt zurück in Präsenz Professor Jan Eickelberg, Juraprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, ist sich sicher, dass im Studium immer stärker die Nutzerperspektive zählt. Es komme nicht darauf an, möglichst viel Stoff durchzunehmen, sondern laufend zu kontrollieren, was tatsächlich in den Köpfen der Studierenden ankomme. Auch in juristischen Studiengängen, die klassischerweise in Präsenz stattfinden, musste er zuletzt häufig auf Onlineunterricht ausweichen. An der HWR Berlin, die sechs explizite Fernstudiengänge und eine Reihe von berufsbegleitenden Studiengängen anbietet, gilt Eickelberg als Spezialist für Blended Learning. Der Autor der Bücher „Didaktik für Juristen“ und „Digitale Lehre“ versucht Studierende auf eine sich schnell verändernde Gesellschaft vorzubereiten. Man könne nicht exakt die Fälle vermitteln, die später in der Praxis auf dem Schreibtisch der Juristinnen und Juristen landen. Eickelberg vermittelt deshalb vor allem den methodischen Handwerkskoffer, die Studierenden müssen diesen dann an konkreten Normen und Gesetzen anwenden. Der Professor produziert Videos und Podcasts zu Themen, die zunächst etwas sacken müssen. Diese können die Studierenden zu Hause als Vorbereitung auf die Kurse anschauen. „Die Erwartungshaltung und das Vorwissen der Studierenden ist häufig sehr heterogen“, so Eickelberg. Deshalb setzt er online oder in Präsenz zusätzlich ein Quiz mit Multiple-ChoiceFragen ein, um den Lernstand abzufragen. „So kriege ich auch Antworten aus den hinteren Reihen von den etwas stilleren Studierenden.“ Er glaubt, dass es ein hohes Maß an Interaktion braucht. Doch anders als an der Minerva University erlaubt er den Studierenden, dass sie ihre Kamera während der Lehrveranstaltungen ausschalten. Er spreche die Studierenden auch nicht aktiv an, um sie nicht unter Druck zu setzen oder zu verunsichern. „Die Lernenden sollten Spaß haben und ihre intrinsische Motivation entdecken können.“ Der Didaktikexperte spricht sich dafür aus, auch künftig Blended-Learning-Elemente an Hochschulen und in Organisationen in die Lehre und Fortbildung zu integrieren. Doch er ist sich auch sicher: „Je interaktiver die Stoffvermittlung sein muss, desto besser ist die Präsenzlehre geeignet.“ Stefanie Hornung R

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