Wirtschaft und Weiterbildung 1/2022

R wirtschaft + weiterbildung 01_2022 27 gen und -Kolleginnen sind auch dafür da, die Konfliktfähigkeit der Teams im Blick zu behalten und „ruinierende Empathie“ zu verhindern. Sie bieten zum Beispiel einen Workshop an, in dem es darum geht, Teams auf der Suche nach ihrem Sinn und Zweck zu unterstützen. An einem Tag dreht sich alles um die Frage, was das geilste Projekt wäre, für das Teammitglieder alles stehen und liegen lassen würden. Was als Teamreflexion gedacht ist, wird häufig zur leidvollen Selbsterkenntnis. Da fließen auch Tränen, wenn jemand merkt, dass persönliche Wünsche nicht mit dem Team oder der Firma vereinbar sind. „Erst wenn man weiß, wer man ist, kann man etwas verändern. Das ist eine Form von Karriereberatung“, kommentiert Resch. Fehlende Messbarkeit Doch allein eine passende Tätigkeit, die man gerne tut, macht noch keine erfolgreiche Karriere – auch in agilen Organisationen nicht. Menschen möchten sehen, dass sie sich entwickeln, auch im Vergleich zu anderen. Was bleibt als Gradmesser, wenn Status, Positionen und Feedback der Führungskraft wegfallen? „Anfangs war ich irritiert, als unser Geschäftsführer Rainer sagte, er sei nicht dafür zuständig, dass Mitarbeitende Wertschätzung bekommen“, erzählt Jasmin Karbach. Heute weiß sie, dass sie ihren Selbstwert nicht an einer Führungskraft festmachen muss. „Ich merke ja selbst, ob meine Arbeit auf Gefallen stößt.“ Ein weiterer Orientierungspunkt für persönliche Entwicklung ist das Gehalt. Die Mitarbeitenden können jederzeit einen Prozess der Gehaltsüberprüfung anstoßen. Neben einem SD-Kollegen oder einer SD-Kollegin wählen sie jemanden aus ihrem Team als „Compensation Responsible“. Gemeinsam geht es in die Aushandlung: Wie komme ich bei Kunden an? Habe ich neue Auftraggeber akquiriert? Wie liegt mein Gehalt im Marktvergleich? Und wie viel mehr ist überhaupt angesichts des Gehaltsgefüges im Unternehmen möglich? Thomas Resch berichtet, dass sich in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen niemand für absolute Gehaltstransparenz ausgesprochen habe, bei der jeder sehe, wie viel andere verdienten. „Das würde zu langen Diskussionen führen.“ Wichtiger sei vielmehr, dass Mitarbeitende eine realistische Selbsteinschätzung vornähmen. Die Gehälter der ehemaligen Führungskräfte hat Metafinanz mit dem Wandel nicht nach unten korrigiert – in Deutschland ist das ein Tabu. Auch eingefroren hat das Beratungshaus die Gehälter nicht. Jede ehemalige Führungskraft soll dafür eine Aufgabe finden, in der sie genauso viel Wertschöpfung bringt wie vorher. Ob das immer gelingt? Jasmin Karbach wagt das zu bezweifeln. „Ich fühle mich schon entlastet dadurch, dass ich keine Führungsverantwortung mehr habe. Warum sollte jemand, der Projektarbeit macht wie andere auch, deutlich mehr verdienen, nur weil er oder sie mehr Führungserfahrung hat?“, fragt sie. Meistens bringen ehemalige Führungskräfte den Kunden durch ihre Erfahrung einen größeren Mehrwert, kontert Thomas Resch. Klar ist jedenfalls, dass das Gehalt nicht das alleinige Maß für Entwicklung sein kann. Das findet auch Evi Friedenberger. Dass sie nicht mehr so große Gehaltsschritte mache wie Berufsanfänger, sei in Ordnung. „Aber wir alle haben das intrinsische Bedürfnis, besser zu werden. Und wenn das gelingt, ist das für mich Karriere – egal, ob es um Generalisierung, Spezialisierung oder gute Zusammenarbeit geht“, meint die IT-Beraterin. Sie weiß, bei Metafinanz kann sie sich entwickeln, aber es bleibt ein Gefühl. Es gibt nichts, woran sie konkret ablesen kann, welche Kompetenzen sie erworben hat. „Wir haben hier eine Herausforderung, die Entwicklung sichtbar zu machen.“ Druck aus der Gesellschaft Das individuelle Karrierecoaching kann helfen, aber nicht alles abfangen. Deshalb ist es vermutlich so schwer, die Positionsfixierung abzulegen. Immer wieder beobachtet Evi Friedenberger, dass in Vorstellungsrunden Kolleginnen und Kollegen ihre Führungsrollen aus der Vergangenheit hervorkramen. Das kann auch Jasmin Karbach bestätigen, die neuen Mitarbeitenden gerne als eine Art Veteranin mit Führungserfahrung präsentiert wird. Sie lege zwar keinen Wert auf Statusdenken. In ihrem Freundeskreis müsse sie sich für ihre Arbeit auch nicht rechtfertigen. Aber noch immer nutzt sie die Position „Business Area Lead“ auf ihrem Linkedin-Profil. Denn bei Kontakten in die Business-Welt tue sie sich oft schwer. Viele ihrer ehemaligen Kollegen und KolRainer Göttmann (CEO von Metafinanz). „Für mich heißt ‚Karriere machen‘, wenn es mir gelingt, Dinge zu verändern und Wert zu schaffen.“

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