Wirtschaft und Weiterbildung 1/2022

26 wirtschaft + weiterbildung 01_2022 titelthema Jahren Transformation änderte sich das Führungsverständnis noch einmal stark. Die „Team Leads“ wurden ganz abgeschafft. Nun gibt es weiterhin Führungsaufgaben in Sales, Businessentwicklung oder Personalentwicklung, aber sie ist in den Teams verteilt. Seither ist niemand mehr für alle Tätigkeiten in einem Bereich zuständig und keiner kann sich mehr hinter einem Titel verstecken. „Früher haben wir in Positionen gedacht, jetzt in Ambitionen“, so Göttmann. Viele Ex-Führungskräfte merkten schnell, dass ihre Führungskompetenz weiterhin gebraucht werde, berichtet Thomas Resch. Doch der Personaler ist auch selbstkritisch: Wie man Führungskräfte entwickelt, ist eine bekannte HR-Disziplin, wie man sie aus starren Positionen rausholt, noch Neuland. „Da hätten wir mehr machen müssen“, findet er. Viele Führungskräfte waren die größten Skeptiker des Wandels. „Für sie war es ein Gesichtsverlust, dass sie nicht mehr sagen konnten, ich führe hundert Leute.“ Mögliche Widerstände hat Metafinanz allerdings umschifft und sich auf diejenigen konzentriert, die mitmachen wollten. Das Ende der Karriereleiter und der Statusverlust – das war kein Thema. Inzwischen haben viele eine passende Aufgabe gefunden, aber auch der Umgang damit ist ein anderer geworden. Teams im Zentrum Es gibt weiterhin eine kleine Compliance-Struktur, da das regulatorisch nötig ist: etwa 20 Personen, darunter die Geschäftsführer und Mitarbeitende, die sich um Datenschutz und Legal-Themen kümmern, sowie die sogenannten „Staff Development Manager“. Letztere nehmen vor allem die arbeitsrechtlich notwendige Fürsorgepflicht wahr. Beschäftigte können wählen, von wem sie disziplinarisch geführt werden möchten. Es geht dabei etwa um den Arbeitsvertrag, das Gehalt oder die Kündigung. Und auch die persönliche Entwicklung kann Thema sein. Erleichtert hat die Entwicklung der Fokus auf die Teams. Sie standen schnell im Zentrum, denn sie leisten die Wertschöpfung beim Kunden. Die Mindestanforderung für neue Business Areas ist, dass sich mindestens fünf Personen finden, die ein Geschäftsfeld gemeinsam bearbeiten möchten. Sie definieren einen Purpose und stellen einen einfachen Businessplan auf. Dann können sie auch schon loslegen – ganz ohne Freigabeprozess. Anfangs loteten manche die Grenzen aus: Einen Hightech-Bauernhof gründen – warum nicht? Doch spätestens nach drei Jahren soll das Produkt marktfähig sein. Das Controlling ist für alle transparent und wenn Teams nicht performen, steigt der soziale Druck. Letztlich sind die BAs Teams aus Intrapreneuren. Auch Thomas Resch hat eine neue Business Area mit aufgebaut: für agile Begleitung von Organisationen. Leute von außerhalb wollten mehr über die Transformation bei Metafinanz erfahren. Man trank gemeinsam einen Kaffee, Interessierte kamen zu Besuch nach München und erste Workshops waren am Start. Es entstand eine kleine Koalition von Gleichgesinnten, die Lust hatten, mitzumachen. Der Entschluss, es mit einer eigenen BA zu versuchen, war nicht mehr weit. Die Resonanz ist bisher sehr positiv – das Team ist nach eineinhalb Jahren von fünf auf acht Personen gewachsen. „Wir sind Unternehmer im Unternehmen. Dieses Intrapreneurship ist genial: Es bringt uns eine steile Lernkurve.“ (Zu) viele Möglichkeiten Letztlich können alle Beschäftigten ihr Team frei wählen und gestalten, solange es eine Nachfrage dafür gibt. Diese hohe Selbstbestimmtheit hat ihren Preis: Es ist nicht immer leicht, angesichts der Vielfalt an Möglichkeiten die Entscheidung zu treffen, die für einen persönlich am besten passt. „Manchmal fühle ich mich wie ein Kind vor dem Süßigkeitenregal: Wenn man sich zu viel herausnimmt, hat man hinterher Bauchweh“, sagt Jasmin Karbach. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Aufgaben, die nicht so attraktiv sind, zu lange liegen bleiben. Wenn jemand nicht so gern Vorstellungsgespräche führt oder Controlling macht, fände sich zwar meist jemand. „Aber wäre ich noch Führungskraft, würde ich viel früher die Aufgaben verteilen. Unser Problem ist: Wir sind oft zu nett, weil wir alle Peers sind“, meint die IT-Beraterin. Menschen, die gern zusammenarbeiten und sich persönlich mögen, trauen sich oft nicht, in Konflikte zu gehen – das ist ein bekanntes Phänomen. Die Gefahr dabei: Teams können auseinanderdriften. Coach Thomas Resch kennt sich mit dieser Dynamik aus. Er und seine SD-KolleStichwort. Als Forschungsbetrieb wurde Metafinanz 1990 im Schwarzwald gegründet. Das Unternehmen bot damals vor allem Software zur Unterstützung von Prozessen im Versicherungswesen an. 1994 übernimmt ein Kunde der Anfangszeit 100 Prozent der Gesellschaftsanteile der Metafinanz und holt damit die technologische und branchenfachliche Kompetenz in den Konzern. 1995 gründet Metafinanz den Standort München, der fünf Jahre später zum Hauptsitz wird. Heute hat das Unternehmen 800 Mitarbeitende in München, Stuttgart sowie Frankfurt und erwirtschaftet einen Umsatz von 235 Millionen Euro. Neben der Softwareentwicklung haben sich auch Consulting-Lösungen als zweitgrößter Umsatzträger etabliert. Geschäftsführer der „Meta“, wie die Mitarbeitenden das Unternehmen nennen, sind Rainer Göttmann, Axel Kummer und Jürgen Kalkbrenner. (Das Praxisbeispiel ist zunächst auf newmanagement.haufe.de erschienen.) Das Unternehmen Metafinanz R

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