Wirtschaft und Weiterbildung 1/2022

wirtschaft + weiterbildung 01_2022 23 karriere“ werden eher agile und iterative Vorgehensweisen der persönlichen Karriere- und Entwicklungsplanung in einen modernen konzeptionellen Rahmen gepackt. Dies ist aber weit mehr als nur viel „Tamtam“ mit einem neuen Begriff. Trägt doch gerade die Verwertung der natürlichen Lernräume für die Entwicklung dem 70-20-10-Ansatz Rechnung. Fur die einzelnen Personen lassen sich folgende Arbeitshypothesen fur „New Career“ formulieren: Mit Blick auf die zu erwartende hoch volatile Arbeitsmarktsituation und die veranderte Erwartung kunftiger Generationen sowie den Wertewandel in den bestehenden Belegschaftsstrukturen ist das Paradigma der proteischen Karriere handlungsleitend – in welchem Ausmaß auch immer. Der „Besitzer“ der Karriere ist das Individuum. Das breite Angebot der Organisation erlaubt es dem Individuum, aus einer Vielzahl von Entwicklungsopportunitaten zu wahlen. Die Person formuliert subjektive Ziele und Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Ihr allein obliegt die Deutungshoheit einer erfolgreichen Karriere – auch wenn das manchmal bedeutet, dass er sie dann als erfolgreich ansieht, wenn andere das auch sagen. Die Konstruktion einer Patchworkkarriere wird zu einer Kompetenz der Zukunft. Den roten Faden in der eigenen (Berufs-) Vita zu finden und zu kommunizieren gehort zu den zentralen Aspekten einer kunftigen Karriere und fuhrt zu Zufriedenheit in einer proteischen Karriere. Auch Kompetenzen, die außerhalb des originaren Arbeitskontextes oder des Unternehmens erworben wurden, sind zentrale Bestandteile des personlichen Wachstums und der beruflichen Professionalisierung. Dafur sind Moglichkeiten der offiziellen Anerkennung notig, damit sie strukturierter in die individuelle Karriere eingebunden werden konnen. Die „New Career“ fördern Wie kann also so ein neues Karrierekonzept für das Unternehmen entwickelt werden und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Personalentwicklung? Die Implementierung eines „New Career“-Ansatzes ist fur die meisten Organisationen ein sehr tiefer Eingriff in bestehende Strukturen und unternehmenskulturelle Habitualisierungen. Fur eine professionelle Konzeption, Implementierung und in der Folge fur eine gelebte Umsetzung von „New Career“ im Unternehmen sollten die Personalentwicklung (PE) unbedingt zwei Dinge vorab sicherstellen: ausreichende Recherche und den Entwurf eines groben Masterplans. Ein weiterer – nicht minder bedeutsamer – Aspekt ist die kulturelle Bereitschaft und Fahigkeit einer Organisation und der darin tatigen Menschen, sich auf einen Paradigmenwechsel in Sachen Karriere einzulassen. Eine gute Vorarbeit kann anhand folgender Leitfragen geschehen: • Auf welche Mitarbeitertypen sind Karriere und Entwicklung im Unternehmen derzeit am stärksten ausgerichtet? • Welche Typen sind/wären von dem tatsächlichen Karriere- und Entwicklungsangebot begeistert? • Wie hoch ist im Unternehmen die tatsächliche Zufriedenheit mit den Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten? • Welcher Typus prägt das Unternehmen heute? • Welche Mitarbeitertypen werden in naher Zukunft als Bewerbende erwartet? Naturlich wird es immer Befurworter und Gegner geben. Alle mitzunehmen ist ein nahezu unerreichbares Ziel, wobei der hybride Ansatz der „New Career“ fur viele Mitarbeitende gute Antworten parat hat und mittels geeigneter Unterstutzung durch Instrumente, Beratung und Schulungen ein großer Teil der Akzeptanz geschaffen werden kann. Fur die Personalabteilung und speziell die Personalentwicklung lassen sich folgende Arbeitshypothesen fur „New Career“ formulieren: HR/PE ist der Impuls- und Taktgeber fur eine eigenverantwortliche Entwicklung und Karriere. Neben der eigenen Haltung muss die Entwicklungsphilosophie, der oben genannte Bedingungsrahmen und die eigene Kompetenz konsequent in diese Richtung entwickelt werden. Alle entwicklungsverantwortlichen Personen mussen zum Beispiel mithilfe von Trainings mit der Handhabung der Instrumente und mit den Prozessen, die fur eine eigenverantwortliche Karriere notwendig sind, vertraut gemacht werden. HR/PE muss insbesondere die Kompetenz fur Karriere- und Entwicklungsberatung professionalisieren: Es gilt, die naturlichen Lernraume einer systematischen Entwicklung zuganglich zu machen. Als Impuls- und Taktgeber muss HR/PE den Bedingungsrahmen fur eine konsequent eigenverantwortliche Karriere ausrichten. Dazu gehort es, Allianzen zu schmieden und die Beteiligten und Betroffenen fur diesen Gedanken zu gewinnen und sie zu befahigen, ihre Karriere selbst in die Hand zu nehmen. Die Expertise von HR/PE wird zunehmend darin bestehen, entsprechende Entwicklungsangebote vorzuhalten. Die subjektiven Karriere- und Entwicklungswunsche vorbehaltlos zu unterstutzen, ohne die Bedurfnisse und Bedarfe der Organisation in den Vordergrund zu rucken, wird zu einer der großten Herausforderungen. Insbesondere die im Feld der Karriere- und Entwicklungsberatung verantwortlichen Personen werden zunehmend die Kompetenz aufbauen mussen, Menschen bei der Formulierung ihrer Karriere- und Entwicklungsziele zu unterstutzen, „Learning Journeys“ auszuarbeiten und alle Gelegenheiten „on the Job“ und „off the Job“ fur eine individuelle Entwicklung nutzbar zu machen und bei der Standortbestimmung und Evaluation im Prozess ihrer eigenen Karriere zu professionalisieren. Der Auf- oder Ausbau einer professionellen Beratungskompetenz wird weiterhin das zentrale Thema für HR- und PE-Professionals sein. Anja Klein, Frank Sieber Bethke „New Career“. In ihrem Buch beschreiben die Autoren weitere Karrieremodelle und die Erwartungen von Mitarbeitenden an ihre Entwicklung (Haufe, 2021, 39,95 Euro).

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