Wirtschaft und Weiterbildung 1/2022

wirtschaft + weiterbildung 01_2022 21 • vom Arbeits-Ich („Work-Self“) zum ganzheitlichen Ich („Whole Self“) • vom Know-how zum Learn-how Der Mittelweg: die Kompetenzkarriere Werfen wir neben der proteischen Karriere noch einen Blick auf die Kompetenzkarriere anhand des Kompetenzrads nach Jürgen Fuchs. Die Kompetenzkarriere ist nicht brandneu, jedoch gerat sie unter dem zwischenzeitlich gescharften Verstandnis des Kompetenzbegriffs und den Entwicklungen mit Blick auf die Digitalisierung mehr in den Fokus, als dies bislang der Fall war. Die Pyramide war – und ist – das vorherrschende Bild von Karriere in Organisationen. Es zeigt durch die geometrische Form die Verteilung von Macht und Aufstieg, wobei mit zunehmender Höhe der Platz geringer wird. Der bestechende Aspekt beim Kompetenzrad nach Fuchs besteht vor allem in einer visualisierten Dekonstruktion des Bildes dieser Pyramide. Es entsteht eine Kreisflache, in der die Kompetenzen der Mitarbeitenden abgebildet werden. Es geht darum „Fläche“ in diesem Kreis zu gewinnen. Dabei ist es zunächst einmal nachrangig, ob es sich um eine Vertiefung in einem bestehenden Kompetenzfeld handelt oder um eine Erweiterung des gegenwärtigen Kompetenzprofils um zusätzliche Segmente. Diese Komponente kann mit Blick auf die Implementierung eines neuen KarriereMindsets – weg von der Hierarchie – gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dabei müssen Mitarbeitende und Unternehmen nicht nur für die Entwicklung der Kompetenzen, die für eine Knowhow-Karriere notwendig sind, Sorge tragen. Vielmehr braucht es einen Orientierungsrahmen über die Kompetenzen, die einen Mitarbeitenden für das Unternehmen wertvoll machen – die Verzahnung mit Unternehmenszielen und -strategien. Als Ausgangspunkt für die Kompetenzkarriere skizziert Fuchs das Unternehmen der Zukunft. Hier ist der Kunde Arbeitgeber, und Mitarbeitende sowie Vorgesetzte agieren auf Augenhohe. Die Führungskraft steht somit nicht mehr uber den Mitarbeitenden, sondern hinter ihnen und starkt den Rucken. Die Fuhrungsarbeit verschiedene Komponenten ausgerichtet an den Bedürfnissen und Anforderungen der Mitarbeitenden zusammenzustellen. Fur Organisationen lassen sich aus unserer Sicht folgende Arbeitshypothesen fur New Career formulieren: Es hat sich bewahrt, die klassische Fuhrungslaufbahn als Ausgangspunkt fur die Strukturierung eines Karrierepfads und entsprechende Karriere- beziehungsweise Entwicklungsanreize als Grundlage heranzuziehen, das heißt, diese mit Blick auf Verantwortung, Entscheidungsbefugnisse et cetera zu beleuchten. Eine klassische Fuhrungskarriere ist fur viele nach wie vor attraktiv und – wo sinnvoll – kann diese beibehalten werden. Sofern es einen organisatorischen Bedarf fur eine vergleichbare Laufbahn als Experte oder Expertin oder in der Projektleitung gibt, kann auch dieser Neoklassiker entsprechend erganzt werden. Eine strikte Kontingentierung und gleichwertige Ausgestaltung dieses Karrieretyps ist fur einige Menschen eine sinnvolle und attraktive Alternative zur Fuhrungskarriere. Der Aufwand fur die relativ geringe Zahl an potenziellen Stellen sowie das Erosionsrisiko des Konzepts ist dennoch als sehr hoch einzuschatzen. Der Ansatz des Kompetenzrads bietet gerade mit Blick auf die gleiche Wertigkeit der verschiedenen Karrieren eine fur die Organisation nachvollziehbare Logik. Entscheidend ist auch hier die vergleichbare Ausgestaltung von Anreizen. Gerade dann, wenn eine Organisation • bereits durch neuere Organisationsformen strukturiert ist (zum Beispiel durch Kreisstrukturen) oder ist Dienstleister und nicht mehr Hierarch. Und in diesem Verstandnis ist auch Karriere nicht mehr auf die zehn Prozent Fuhrungshierarchie innerhalb eines Unternehmens beschrankt, sondern bietet Optionen fur alle Mitarbeitenden, „wertvoller“ zu werden, zum Beispiel, weil man einen großeren Wert fur den Kunden schafft oder eine großere Komplexitat beherrscht und somit einen Mehrwert fur das Unternehmen darstellt. Und doch handelt es sich bei der Kompetenzkarriere ebenso wie bei den Alternativen wie Experten- oder Projektleitungskarrieren um Derivate der klassischen Führungslaufbahn. Gerade unter dem Blickwinkel sich ändernder Organisationsstrukturen (zum Beispiel hin zu Holacracy) und Prozesse sowie Verfahren (zum Beispiel agiles Projektmanagement) und veränderten Werthaltungen der Menschen weltweit braucht es eine radikalere Sicht auf Karriere als nur alten Wein in neuen Schläuchen. Kommen wir nun also zu den Komponenten von „New Career“. Bausteine einer „New Career“ Fur das Grundverstandnis von „New Career“ ist es bedeutsam, den grundlegenden Wunsch nach Entwicklung nicht zwingend mit einem Wunsch nach Karriere gleichzusetzen. Die Erwartungen von Menschen an eine Karriere zeigen eine große Bandbreite, die mit Sicherheit eine hohe Ambiguitatstoleranz fordert. Im Ergebnis handelt es sich allerdings oft nicht um unvereinbare Positionen. Bei „New Career“ geht es also darum, nicht den einen Karriereweg zu suchen, sondern R Frank Sieber Bethke ist geschäftsführender Gesellschafter von Toolbox & Services GmbH, einem Beratungsunternehmen für PE/OE. Er ist Autor sowie Berater und Trainer für Personal- und Organisationsentwicklung. fsb@toolbox-services.de www.toolbox-services.de AUTOREN Anja Klein ist Führungskraft im HR-Management und besitzt internationale Erfahrung aus verschiedenen Branchen und HR-Bereichen, darunter Personalentwicklung, Compensation & Benefits, HR-Strategy und Labor Relations. www. l inkedin.com/in/anja-klein4404a2147

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