Wirtschaft und Weiterbildung 5/2022

d“ Das Magazin für Führung, Personalentwicklung und E-Learning www.wuw-magazin.de wirtschaft weiterbildung Martin Wehrle_Karrierecoach erfolgreich als Youtube-Star S. 14 Anne M. Schüller_So geht fehlertolerante Lernkultur S. 24 Oliver Maassen_Lieber „Good Work“ als „New Work“ S. 48 Neues Ausmaß von Stress Wie kognitives Verhaltens-Coaching helfen kann S. 16 05_22 Mat.-Nr. 00107-5197

editorial wirtschaft + weiterbildung 05_2022 3 Ich wünsche eine wertvolle Lektüre! Kristina Enderle da Silva, Chefredakteurin es ist schon einige Jahre her, aber ich habe diese Situation immer noch vor Augen: Wir saßen zu fünft beim Mittagessen und haben uns lachend unterhalten. Dabei fiel uns allen auf – darüber tauschten wir uns aber erst später aus –, dass einem in der Runde die Gesichtszüge entglitten. Eine Seite schien gelähmt zu sein, während er etwas schleppend sprach. Das Mittagessen war zu Ende. Der Kollege musste sich beim Aufstehen kurz abstützen, fuhr dann allein nach Hause. Am nächsten Tag erfuhren wir, dass er einen Schlaganfall gehabt hatte. Zum Glück überstand er alles gut. Bis heute frage ich mich, warum es uns allen nicht gelungen war, die eindeutigen Symptome zu deuten und einen Notarzt zu rufen. Warum ich heute wieder daran denke, liegt an diesem Satz in der Titelgeschichte: „Betrachten wir die Menschen in unserem Umfeld regelmäßig daraufhin, ob bei ihnen Symptome von Dauerstress erkennbar sind. Wenn ja, informieren wir sie darüber und übergeben sie in kompetente Hände.“ Gerade jetzt, da die Pandemie ihren Schrecken verliert, aber mit dem Ukraine-Krieg neue existenzielle Sorgen aufkommen, ist es wichtig, die ununterbrochene Belastung zu erkennen. Unser Autor erklärt, dass Menschen im Dauerstress sich nicht mehr selbst helfen können. Sie brauchen einen Kümmerer – in der Familie genauso wie im Unternehmen. Fallen Symptome bei Kolleginnen oder Kollegen auf, empfiehlt er zunächst, den Betroffenen oder die Betroffene feinfühlig auf die eigenen Beobachtungen und dann auf professionelle Hilfsangebote hinzuweisen. Und hier kommen meine Zweifel angesichts der erlebten Situation wieder auf: Wie können wir sicherstellen, dass nicht alle die Symptome sehen, sie aber nicht richtig deuten oder überhaupt bewusst wahrnehmen? Wie gelingt der Übergang von Beobachtung zu Handlung? Vielleicht ist unsere Titelstrecke ein Anfang dafür, die Darstellung der Symptome ein Anlass zum bewussten Reflektieren und das dargestellte kognitive Verhaltenscoaching ein Weg, um Betroffenen einen Weg aus dem Dauerstress zu zeigen. Liebe Leserinnen und Leser,

inhalt 05_2022 4 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 06 blickfang aktuell 08 Nachrichten Neues aus der Weiterbildungsbranche: aktuelle Studien, Umfragen und Tipps menschen 14 500.000er Schallmauer durchbrochen Der Karrierecoach Martin Wehrle hat mit seinem Youtube-Kanal „Coaching- und Karrieretipps“ die Marke von 500.000 Abonnenten geknackt. Jetzt gibt er Tipps, wie das auch anderen gelingen kann. titelthema 16 Ein neues Ausmaß von Stress Viele Menschen rutschen gerade von einem zeitlich befristeten, durchaus auch motivierenden Stress, in einen Dauerstress ab. Die Pandemie und der Ukraine-Krieg sorgen für eine andauernde Grundbelastung, die sich auch in einem Leistungsabfall bei der Arbeit äußern kann. Das kognitive Verhaltenscoaching kann hier helfen, wenn normale Stressabbaumethoden nicht mehr ausreichen. 22 „Nur Affektregulierung hilft gegen Stress“ Erst die Fähigkeit, negative Affekte regulieren zu können, ermöglicht kreative Problemlösungen, lautet eine Botschaft des Resilienz-Kongresses 2022. Dauerstress. Das kognitive Verhaltenscoaching kombiniert einen zukunftsorientierten Coaching-Ansatz mit den Konzepten und Methoden der kognitiven Verhaltenspsychologie. Dieses Konzept kann gegen kontinuierlichen Stress helfen. Fehlertoleranz. Die „Tarte Tatin“ ist ein Paradebeispiel für einen Fehler, der kreativ in einen Erfolg verwandelt wurde. 24 personal- und organisationsentwicklung 24 Die fehlertolerante Lernkultur Erkunden und ausprobieren: Das sollte das Motto der Unternehmen sein, die Innovationen hervorbringen wollen. Fehler sollten dabei mit eingerechnet werden und Teil einer Lernkultur sein. Viele Unternehmensbeispiele zeigen, dass dies gelingen kann. 28 Von der Führungsgruppe zum Team Gut zusammenarbeitende Vorstands- und Führungsteams sind die wichtigsten Vorbilder und Treiber, wenn es darum geht, neue Organisationskulturen und Strategien im Alltag vorzuleben und umzusetzen. Zwei Beispiele zeigen, wie diese Transformationsarbeit gelingen kann. training und coaching 34 Jetzt Bleibegespräche trainieren Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denken derzeit über einen Jobwechsel nach. Bei den ersten Warnsignalen können Führungskräfte mit guten Stay-Interviews gegensteuern. 38 Große Nachfrage, wachsende Konkurrenz Die Pandemie hat dem Geschäft mit digitalem Lernen und damit auch dem Geschäft mit LearningSystemen einen großen Schub versetzt. Das stellt die Anbieter von Lernplattformen allerdings auch vor einige Herausforderungen. 16

wirtschaft + weiterbildung 05_2022 5 Kommunikation. Wie Führungskräfte wechselwillige Mitarbeitende mit Bleibegesprächen überzeugen. 40 Die persönliche Entwicklung wird zum obersten Ziel Selbstreflexion, Selbsterkenntnis, Coaching und die Arbeit am eigenen Mindset – immer mehr Business Schools setzen auf die persönliche Entwicklung ihrer Teilnehmenden – auch weil diese es dringend wünschen, besser auf die zwischenmenschlichen Probleme des Berufsalltags vorbereitet zu werden. messen und kongresse 46 Learntec 2022 erweitert auf drei Messehallen Coronabedingt wurde die Learntec in diesem Jahr vom Januar in den Mai verschoben. Sie soll jetzt vom 31. Mai bis 2. Juni 2022 als Präsenzveranstaltung in der Messe Karlsruhe stattfinden. René Naumann, Projektleiter der Learntec, hat gegenüber der Fachpresse einige Messehighlights verraten. 48 Gesundheitsthemen gewinnen an Bedeutung Mit der Messe „Zukunft Personal Süd“ und der integrierten „Corporate Health Convention“ öffnete Anfang April in Stuttgart die erste große HR-Messe nach der Coronapause ihre Pforten. Einige bekannte Player der HR-Szene fehlten. Dafür trumpften die Dienstleister aus dem betrieblichen Gesundheitsmanagement auf. HR-Messe. Bei der „Zukunft Personal Süd“ standen vor allem Gesundheitsthemen im Fokus der Ausstellenden und Besuchenden. 34 48 52 fachliteratur 56 kolumne 58 zitate Rubriken 03 editorial 51 vorschau 51 impressum

blickfang 6 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 WER Das Foto zeigt den amerikanischen Schauspieler Will Smith weinend während seiner Dankesrede – kurz nachdem ihm in diesem Jahr der Oscar als „Bester Hauptdarsteller“ überreicht wurde. WAS Will Smith weinte auch, weil er sich dafür entschuldigte, wenige Minuten zuvor einen Moderator der Veranstaltung geohrfeigt zu haben, der über seine Ehefrau einen schlechten Witz gemacht hatte. UND SONST Das Foto wurde von Robyn Beck, Fotograf der Agentur AFP, am 27. März 2022 bei der 94. Oscar-Verleihung in Los Angeles aufgenommen. Es wird weltweit von Getty Images vertrieben. Gute Gewalt? Will Smith entschuldigte sich – nachdem er seinen Oscar entgegengenommen hatte – für die von ihm verteilte Backpfeife mit den Worten: „Ich bin in meinem Leben dazu berufen, Menschen zu lieben und Menschen zu beschützen ...“ Er fügte noch die etwas wirren Bemerkungen hinzu, vieles sei in diesem Moment kompliziert für ihn und die Liebe würde die Menschen nun einmal dazu bringen, verrückte Dinge zu tun. Die ganze Rede machte die Sache (den „Ohrfeigen-Skandal“) noch viel schlimmer: Will Smith begründete seine Entgleisung mit der Liebe zu seiner Familie. Er instrumentalisiert so seine Lieben und benutzte sie als Rechtfertigung für ein inakzeptables Verhalten. Sollte es erlaubt sein, Gewalt auszuüben, wenn man es aus Liebe (oder aus „berechtigter“ Rache) tut? Foto: ROBYN BECK / Kontributor / gettyimages.de

8 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 DATI Neue Agentur für Innovationen Die vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) vierteljährlich durchgeführte Geschäftsklimabefragung in der Consultingbranche kommt für das 1. Quartal 2022 zu dem Ergebnis, dass die aktuell UMFRAGE BDU-Consultants trotz Krieg zuversichtlich hinsichtlich der weiteren Konjunkturentwicklung.“ Knapp 80 Prozent der befragten Berater bleiben trotz wachsender Unwägbarkeiten bei ihren bisherigen Umsatzplanungen. Die Consultingfirmen korrigieren ihre Planungen „nur“ um durchschnittlich 2,4 Prozent nach unten. Kleinere Unternehmensberatungen passen ihre Erwartung (-3,5 Prozent) stärker nach unten an als mittelgroße und große Consultingfirmen (-1,5 beziehungsweise -1,3 Prozent). Bei etwas mehr als der Hälfte sind bislang noch keine Beratungsmandate durch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs unmittelbar betroffen. Kleine Änderung, großes Signal: das Kürzel BDU steht ab sofort für „Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen“. Es heißt nicht mehr „Bundesverband Deutscher Unternehmensberater“, weil schon lange keine Einzelpersonen mehr aufgenommen wurden und man so auch ein Bekenntnis zur Vielfalt herausstellen will. Eine Vielzahl von Coaching Apps sind in den vergangenen zwei Jahren auf den Markt gekommen. Welche Erfahrungen gibt es? Zu diesem Thema findet am 4. Mai auf der Messe „Zukunft Personal Nord“ eine Podiumsdiskussion statt, an der Lars-Peter Linke, stellvertretender DVCTVorstandsvorsitzender, Vincent Oswald, Co-Founder von Becoach, und Rebecca Rutschmann, Co-Founderin von Evoach, teilnehmen werden. Die Moderation liegt in den Händen von Kristina Enderle da Silva, Chefredakteurin von „Wirtschaft+Weiterbildung“. Die Messe findet vom 3. bis zum 4. Mai in den Hamburger Messehallen statt (www. zukunft-personal .com/de/events/zpnord/). Da die Logistik ein wichtiger Wirtschaftsmotor im Norden Deutschlands ist, widmen die Messemacher dieser Branche einen Schwerpunkt. ZUKUNFT PERSONAL NORD Nutzen von Coaching Apps aktuelle Geschäftslage vielfach noch als gut eingeschätzt wird, sich die Aussichten aber eintrüben. BDU-Präsident Ralf Strehlau erklärte: „Durch den Ukraine-Krieg wächst auch bei den Beratern die Unsicherheit Technologische und soziale (!) Innovationen von Hochschulen und Universitäten sollen künftig schneller von kleinen und mittleren Unternehmen in die Praxis umgesetzt werden. Dazu will die Bundesregierung die „Deutsche Agentur für Transfer und Innovation“ (DATI) ins Leben rufen. Erste vorläufige Konzepte wurden jetzt Mitte April in Berlin vom Bundesforschungsministerium (BMBF) vorgestellt. Sogenannte Regional-Coachs sollen flexibel vor Ort arbeiten, um eine schnelle Umsetzung der Ideen zu erlauben. Eine zentrale Servicestelle von DATI soll außerdem als Kompetenzzentrum für ganz Deutschland dienen. Für den Aufbau der Organisation sind in diesem Jahr 20 Millionen Euro vorgesehen, später will das Ministerium dreistellige Millionenbeträge zur Verfügung stellen. Foto: BDU Ralf Strehlau. Der BDU-Präsident sieht in der Krise steigenden Beratungsbedarf. Bettina Stark-Watzinger. Bundesforschungsministerin

wirtschaft + weiterbildung 05_2022 9 Kurz und Knapp Beraternachwuchs. Gute Weiterbildungsangebote und transparente Karriereperspektiven sind für Studierende das Wichtigste, um bei einem Unternehmensberater anzuheuern. Für 82 Prozent stehen diese Forderungen bei der Arbeitgeberwahl auf der Liste mit Pro-Argumenten ganz oben. Erst an zweiter Stelle orientiert sich der Consulting-Nachwuchs an den Verdienstmöglichkeiten (72 Prozent), gefolgt von der Erreichbarkeit des Unternehmensstandorts (54 Prozent). Dies hat eine Befragung des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) ergeben. Auszeichnung. Das Great Place to Work Institut hat im April die neuen 100 Unternehmen veröffentlicht, die sich „Deutschlands Beste Arbeitgeber 2022“ nennen dürfen. In der Konzernkategorie gehen die ersten drei Plätze an die Techniker Krankenkasse, an Siemens Healthineers und an die Allianz Deutschland. Das vollständige Ranking findet sich unter www.greatplacetowork.de. Event. Das 17. Corporate Learning Camp (CLC22) wird am 24. und 25. Mai live in Walldorf (bei SAP) und zeitgleich live in Hamburg-Harburg (Technische Hochschule) durchgeführt (www.colearn.de). Wer beide Orte nicht besuchen kann, darf online mitmachen. Auch das noch. Die BBC-Serie „Teletubbies“ feierte im April 25. Geburtstag. Tinky Winky, Dipsy, Laa-Laa, Po und ihr Staubsauger Noo-Noo haben das Kinderfernsehen revolutioniert. Die Elterngeneration reagierte gespalten auf die Sendung: Die Babysprache sorgte für Entsetzen und die Geschichten, die erzählt wurden, waren für viele Erwachsene ohne jeden Sinn. Trailrunning beliebtester Fitnesstrend 2022 REEBOK Der Sportartikelhersteller Reebok hat versucht die beliebtesten Fitnesstrends herauszufinden, indem er die auf Pinterest veröffentlichten Fotos auswertete. Pinterest ist eine Onlinepinnwand für Grafiken und Fotografien. Auf Platz 3 landete „Yoga“. Die 1,2 Millionen Pins auf Pinterest sprechen für die Be- „ Ängste ausblenden hilft nicht“ KRIEG IN DER UKRAINE Der Krieg in der Ukraine lässt niemanden unberührt. Das merkt auch Kerstin Hillbrink, die Beschäftigte im Rahmen einer externen psychologischen Gesundheitsberatung unterstützt. „Zu uns in die Beratung kommen aktuell sehr viele Menschen, die aufgrund der Situation und der damit verbundenen Ängste schlecht schlafen, zum Teil sogar über Panikattacken berichten“, berichtet die Diplom-Psychologin. Es sei sinnvoll, die Angst zu akzeptieren. Sie dürfe sein. In einem zweiten Schritt gelte es dann zu überlegen, was einen beruhigen könne. Hillbrink: „Was Menschen grundsätzlich Halt gibt, sind Beziehungen, soziale Kontakte zu anderen Menschen, mit denen sie sich austauschen können.“ Seien persönliche Treffen coronabedingt nicht möglich, dann laute die Alternative, auf digitalem Weg zu kommunizieren, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Es sei wichtig, über die Ängste zu reden, sich verstanden zu fühlen und mitzukriegen, wie andere damit umgingen. Habe man die Wahrnehmung, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin es nicht allein schafft, ist es naliebtheit der Sportart. Yoga entspannt offenbar nach langen, stressigen Tagen. Auf Platz 2 kamen „Mindfulness-Übungen“. Gemeint sind damit alle Arten von Meditation. Platz 1 belegt das „Trailrunning“. Über acht Millionen Mal wurde Trailrunning auf Pinterest geteilt und wurde damit laut Reebok zum beliebtesten Fitnesstrend des Jahres 2022. Beim Trailrunning rennt man einfach querfeldein drauf los. Ein grober Untergrund und Hindernisse trainieren angeblich neben der körperlichen Ausdauer auch die Koordinations- und Konzentrationsfähigkeit des Läufers. Da der gesamte Körper stabilisiert werden muss, werden mehr Muskelgruppen als beim Laufen auf der Straße beansprucht. Reebok sagt über die Trends: Die Menschen wollen zur Ruhe kommen und haben verstanden, dass Sport unabdingbar ist, um auch die Psyche gesund zu halten. Foto: Ahmet Aglamaz / AdobeStock türlich sinnvoll, professionelle Beratung anzubieten. Kerstin Hillbrink ist Beraterin Gesundheitsmanagement bei der BAD Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH in Bonn und bietet psychosoziale Beratungen für Unternehmen und deren Beschäftigte im Rahmen des Employee Assistance Program (EAP) an. Im Podcast „Ukraine-Krieg: Jetzt dürfen wir auch im Job über Ängste reden“ berichtet Hillbrink über Wege aus der Angstspirale (www.bad-gmbh. de/podcast/jetzt-duerfen-wirauch-im-job-ueber-aengstereden/).

aktuell 10 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 „Cornerstone Ondemand“, Santa Monica (USA), ist ein Softwareanbieter für die Personalentwicklung und für moderne Lerntechnologien. Das Unternehmen (740,9 Millionen Dollar Jahresumsatz) hat jetzt den Pionier für Learning Experience Plattformen (LXP) „Edcast“ gekauft. LXP-Plattformen erleichtern das Auffinden von bestimmten Inhalten innerhalb einer Plattform enorm. Die Transaktion, deren Bedingungen nicht bekannt gegeben wurden, soll im zweiten Quartal 2022 abgeschlossen sein. In den Vorjahren hatte Cornerstone bereits die AnbieE-LEARNING I Cornerstone kauft LXP-Anbieter Edcast CAL HENDERSON IM INTERVIEW Die zwei zentralen Nachteile von Slack ter von Learning Management Systemen (LMS) „Saba“ und „Lumesse“ sowie „Halogen“ übernommen und mit „Xplor“ auch ein eigenes LXP auf den Markt gebracht. Mit Edcast übernimmt Cornerstone jetzt einen hochwertigen Learning Experience Plattformanbieter, dessen Wachstumsraten in den vergangenen Jahren über 80 Prozent pro Jahr lagen. Durch die Fusion will Cornerstone den Markt für Lernsoftware revolutionieren. Die Kombination von Cornerstone und Edcast soll das Innovationstempo auf dem Markt beschleunigen. Slack-Bürowelt. So arbeitet die Belegschaft in Melbourne. Slack-Marketing. Die Eröffnung eines neuen Büros wird gefeiert. Cal Henderson, Mitgründer der Kooperationssoftware „Slack“ (Mutter: Salesforce) mit Sitz in San Francisco, betonte im Interview mit „Brand Eins“ (4/2022): „Eine kollaborative Zusammenarbeit wie bei Brainstormings, bei der viele Leute mit hoher Geschwindigkeit ihre Ideen zusammenschmeißen, kann derzeit nicht durch eine Software ersetzt werden.“ Es gebe zwar Miro und andere Digitalwerkzeuge, aber das sei einfach nicht dasselbe. Ebenfalls noch nicht ersetzt werden könnten die „Nebenbeigespräche“ im AufFoto: Slack zug, die zufälligen Aufeinandertreffen in der Kantine mit Kolleginnen und Kollegen. „Für Firmen ist das soziale Kapital enorm wichtig. Ganz egal, ob es um berufliche Themen oder private Interessen geht – je besser die Leute untereinander vernetzt sind, umso eher fühlen sie sich als Teil eines großen Teams“, so Henderson. Der Vorteil von Slack ist nach Expertenmeinung, dass man sehr schnell auf Nachrichten der Kollegen reagieren könne, aber man spüre leider permanent den Druck, auch tatsächlich sofort zu antworten. Henderson bestätigt das: „Der Austausch ist viel schneller und informeller geworden. Ich glaube, in zehn Jahren wird es Usus sein, eine Nachricht so zu schreiben, dass gleich klar ist, ob man eine unmittelbare Antwort erwartet oder nicht.“ Henderson bedauert: „Uns allen ist Konzentrationsfähigkeit verloren gegangen, als wir auf Remote Work umgeschaltet haben.“ Bei Slack habe deshalb jeder das Recht, zehn Stunden pro Woche bei der Arbeit durch nichts gestört zu werden, um konzentriert arbeiten zu können. E-LEARNING II Skillsoft übernimmt Codecademy Der E-Learning-Inhalte-Anbieter „Skillsoft“ hat die Übernahme der „Codecademy“, einer Plattform, auf der man im Selbststudium 14 Programmiersprachen und ein breites IT-Wissen lernen kann (40 Millionen registrierte Profis weltweit) abgeschlossen. Skillsoft wurde einer breiten Öffentlichkeit unter anderem durch die Übernahme von „Sum Total“ bekannt. Man bietet seinen Usern die größte Inhaltsbibliothek der Welt (mehr als 40.000 Bücher und Tausende von Zertifizierungsprogrammen). „Codecademy soll die Fähigkeiten von Skillsoft im wachstumsstarken Techniksegment erheblich erweitern“, sagt Jeffrey R. Tarr, Chief Executive Officer von Skillsoft. Skillsoft hat über 46 Millionen Lernende und Codecademy rund 40 Millionen Lernende.

RANKING Die Social-Media-Influencer der HR-Szene Das „Personalmagazin“ (Heft 5/2022) hat ein Ranking erstellt, das jene HR-Verantwortlichen würdigen soll, die sich in den sozialen Medien inhaltlich besonders gut und regelmäßig präsentieren und eine entsprechend hohe Reichweite erzielen (inner- und außerhalb ihrer Firma). In der Kategorie „HR-Verantwortliche“ landeten folgende Profis auf den ersten drei Plätzen: Platz 1: Cawa Younosi (@CYounosi). Er ist der beste HR-Kommunikator der Republik. Über Linkedin vermittelt der Global Head of HR Experience bei SAP Einblicke in HRThemen – stets auf den Punkt gebracht, kurzweilig und oft mit kreativen Visuals. Cawa Younosi beteiligt sich an Debatten, mobilisiert Unterstützung, wie zuletzt für die Ukraine-Flüchtlinge. Seine Empathie, seine Leidenschaft und sein Engagement sind glaubwürdig und wirken ansteckend. Ein Vorbild. (Linkedin-Follower: 64.041, Twitter-Follower: 2.833). Platz 2: Marc Wagner (@MarcWagner1975). Er gehört zu den Vordenkern und Gestaltern der neuen Arbeitswelt. Bei der Atruvia AG wirkt er als Pionier für Employee Experience und treibt die praktische Umsetzung voran. In der HR-Community beteiligt er sich an den Diskussionen zur Zukunft der Arbeit, gibt Einblicke in seine vielfältigten Erfahrungen. Er ist ein guter Netzwerker, der in den Dialog geht. Seine Beiträge sind intelligent und inspirierend – ein Vordenker. (Linkedin: 22.172, Twitter: 6.170) Platz 3: Birgit Bohle (@bibohle). Die Farbe Magenta dominiert den Auftritt der Personalvorständin der Deutschen Telekom. Sie schreibt regelmäßig eigene Texte, liked fast täglich Tweets von Mitarbeitenden, denen sie zu mehr Sichtbarkeit verhilft. An ihren Aktivitäten wird ihr gesellschaftliches Engagement deutlich, ebenso ihr Interesse am politischen Dialog. Mit ihrem Auftritt verleiht sie dem Arbeitgeber ein nahbares und soziales Image. (Linkedin: 14.217, Twitter: 1.808)

aktuell 12 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 Aktuell herrscht in vielen Unternehmen eine Aufbruchsstimmung in Sachen digitales Lernen. Beim Umsetzen ihrer Ideen erliegen sie jedoch oft fünf Irrtümern: Irrtum 1: Präsenzseminare werden 1:1 in die virtuelle Welt übertragen. Nutzen Sie das Entwickeln Ihres E-Learning-Angebots als Chance, um den erforderlichen Veränderungen beim Lernen und Lehren in der modernen Arbeitswelt Gestalt zu geben. Das erfordert auch, die Struktur und Aufbereitung der Lernmaterialien, die Formulierung der Aufgabenstellungen sowie die Kommunikation und Betreuung der Lernenden zu überdenken. Irrtum 2: Interaktion kommt im virtuellen Raum von selbst in Gang. Leider reicht es nicht, ein Forum oder einen Chat für die Kommunikation mit den Teilnehmenden und zwischen ihnen einzurichten und schon werden diese Tools von ihnen rege genutzt. Diesen Prozess müssen Sie aktiv steuern. Das Signal, das bei den Teilnehmenden ankommen muss, ist: „Hier tut sich etwas! Es lohnt sich, hier aktiv zu sein!“ Stellen Sie gezielt Aufgaben, wie in Posts Ihre Erwartungen und Lernerfahrungen publik zu machen oder dass jeder zu mindestens zwei, drei Einträgen der Kollegen ein Statement abgibt. Irrtum 3: Das unterschätzte Wir-Gefühl. Viele Weiterbildner, Personalentwickler und Trainer fokussieren sich zurzeit stark auf den technischen Aspekt des Onlinelernens. Sie vergessen jedoch oft den Menschen dahinter. Menschen sind soziale Wesen, deshalb sollte Ihnen die humane Gestaltung der neuen, digitalen Lernwelt ein wichtiges Anliegen sein. Grundsätzlich gilt: Beim Design des Onlinekurses oder E-Learning-Programms sollte stark darauf geachtet werden, inwieweit dieses eine Interaktion und Kollaboration zulässt. Irrtum 4: Bearbeitungszeit gleich Lernzeit. Oft wird vergessen, dass das Lernen seine Zeit braucht. Zeitdruck und Stress sind für alle Lernprozesse kontraproduktiv. Dass die Lerner bei E-Learning-Programmen zeit- und ortsunabhängig Zugriff auf die Lernmodule und -inhalte haben, verspricht zwar eine höhere Effektivität, doch Vorsicht: Die Bearbeitungszeit darf nicht mit dem wirklichen Lernen verwechselt werden. Lernen bedeutet „Zeit lassen, Zeit nehmen und Zeit geben“. Kurze Lerneinheiten zwischen drei und fünfzehn Minuten sind der Hit. Das können kurze Lernvideos, Podcasts, Quiz oder Texte sein. Alles, was eine tiefe Reflexion und Abstand zum Nachdenken braucht, sollte in Ruhe in den Randzeiten stattfinden. Irrtum 5: Digitale Lerninhalte fördern selbstorganisiertes Lernen. Fragen Sie sich, ob Ihre Mitarbeiter oder Kollegen überhaupt über die Kompetenz verfügen, mit den digitalen Angeboten wirkungsvoll umzugehen. Denn beim Einführen neuer Lernformate gilt es auch, die Lerngewohnheiten und -biografien der Adressaten zu beachten. Der lange geforderte Kulturwandel, dass die Mitarbeiter auch beim Lernen mehr Eigenverantwortung zeigen, erfordert Zeit. Was in der Theorie so einfach klingt, ist für viele Menschen mit einer „alten“ schulischen Biografie völlig ungewohnt. In der Schule gaben die Lehrer und später im Betrieb die Führungskräfte oder Trainer den Umfang und Inhalt des Lernens vor. In der modernen E-Learning-Welt sollen die Lerner sich nun plötzlich die Lernzeiten selbst einteilen und auch noch selbst für ihre Motivation sorgen. Gastkommentar Learntec: Auf diese fünf E-Learning- Irrtümer achten Sabine Prohaska Sabine Prohaska ist Expertin im Bereich Learning & Development. Sie hat langjährige Erfahrung in der Beratung und Begleitung von E-Learning Projekten und unterstützt Organisationen dabei, professionelle (Online-) Trainingskonzepte zu erstellen und umzusetzen (www.seminarconsult.at). Die Bearbeitungszeit eines E-LearningKurses darf nicht mit der wirklichen Lernzeit verwechselt werden. „ „

menschen 14 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 YOUTUBE-TIPPS. Der Karriere-Coach Martin Wehrle hat mit seinem Youtube-Kanal „Coaching- und Karrieretipps“, der dreimal in der Woche mit einem neuen Bewerbungs- oder Rhetorikvideo bestückt wird, die respektable Marke von 500.000 Abonnenten geknackt. Jetzt veröffentlichte er, wie ihm dieser Erfolg gelang. Martin Wehrle (52) aus Appel bei Hamburg ist ein systemischer Coach und Ausbilder von Karriere-Coaches, der sowohl durch Fachbücher („Die Coaching-Schatzkiste“, „Die 100 besten Coaching-Übungen“, „Die 500 besten Coaching-Fragen“) als auch durch seine Management-Bashing-Werke wie „Ich arbeite in einem Irrenhaus“ berühmt wurde. Im Mai 2016 startete er auf Youtube, einem Videoportal, das zu Google gehört, den Kanal „Martin Wehrle: Coaching- und Karrieretipps“, den Mitte April 2022 die sehr beachtliche Anzahl von 513.000 Menschen abonniert hatten. Das ist so, als ob alle Einwohner von Städten wie Hannover oder Bremen sich Wehrle anschauen würden. Ein Guru wie Jürgen Höller schafft es zum Beispiel nur auf rund 57.000 Abonnenten. Als im März die 500.000er-Marke überschritten wurde, bedankte sich der Coach bei den „vielen feinfühligen, nachdenklichen, intelligenten Menschen“, die seinem Kanal folgen, mit der Offenbarung seiner Erfolgsgeheimnisse, die natürlich auch für andere Coaches interessant sein dürften: 1. Beginnen Sie mutig mit Neuem – auch wenn Sie am Nullpunkt starten. Wehrle war bereits ein in der Öffentlichkeit bekannter Karriereberater, als er im Jahr 2016 mit fünf Abonnenten seinen Kanal startete. Er sagte sich, dass es bei fünf Abonnenten sehr leicht sein werde, die Abonnentenzahl zu verdoppeln. Wehrles Tipp: „Jeder, der mit irgendetwas startet, muss sich sagen, wie schnell er von null kommend seine Erfolge verdoppeln kann.“ 500.000er Schallmauer durchbrochen Jeder, der eine fremde Sprache lerne, beginne schließlich auch mit einer allerersten Vokabel. 2. Definieren Sie sich von Anfang an als Könner. Angehende Youtuber sollten sich einreden, nicht nur im normalen Leben, sondern auch vor der Kamera eine gute Figur machen zu können. Wer sich vor dem Beginn eines Wissenstests für einen gescheiten Menschen halte, schneide besser ab, sagen Studien. Also hilft es laut Wehrle auch, wenn man sich einredet, man sei ein Youtube-Talent. Wehrle ist sich sicher: „Was sie heute denken, das werden sie morgen sein.“ 3. Mit einem anderen Menschen ein Gespann zu bilden, hilft ungemein. Wehrle beruft sich auf die alte Trimm-dich-Regel: Wer jeden Tag joggen will, suche sich jemanden, der mitkommt. Dann würden einem auch keine Ausreden einfallen, nicht loszulaufen. Wehrle suchte sich schon früh jemanden, der für ihn die Videos aufgenommen und geschnitten hat. Seine Beobachtung: „Es macht einfach Spaß, wenn jemand am selben Ziel arbeitet wie man selbst.“ 4. Jede destruktive Kritik ist eine Selbstaussage. Unter fast jedem Youtube-Video steht irgendwann einmal ein hämischer, bösartiger Kommentar. Wehrle weist auf die Psychologenerkenntnis hin, dass insbesondere derjenige, der andere heftig kritisiert, sehr viel über sich selbst aussagt. Wehrle: Martin Wehrle. Sein Youtube-Kanal glänzt mit hochwertigem, druckreif vorgetragenem Content. Manchmal gibt es auch Werbung für das jeweils neueste Buch. Foto: Screenshot Youtube

wirtschaft + weiterbildung 05_2022 15 „Wenn Sie jemand unfähig nennt, beweist er nur seine eigene Unfähigkeit zu einem freundlichen Umgangston. Wer Sie hässlich nennt, hat garantiert ein Problem mit seinem eigenen Äußeren. Andere laden ihre Probleme bei Ihnen ab, wenn Sie nicht schlau genug sind, die Annahme zu verweigern.“ 5. Offenheit gegenüber konstruktiver Kritik lohnt sich. Der Unterschied von konstruktiver beziehungsweise destruktiver Kritik besteht darin, dass konstruktive Kritik einen richtig voranbringt. Ein Student gab Wehrle ungefragt die Anregung, die kleinen Aufmacherbildchen (Thumbnails) seiner Videos zu verbessern. Ein Thumbnail ist eine Art Buchumschlag für ein Video. Wenn es ansprechend gestaltet ist, steigen die Chancen, dass jemand das Video unter all den anderen Videos, die Youtube anbietet, auswählt. In den meisten Fällen zeigen Thumbnails eine Momentaufnahme aus dem Video. Wehrles Rat: „Bitten Sie Kritiker um Vorschläge, was Sie anders machen sollten.“ Ein anderer Zuschauer kritisierte den Hintergrund von Wehrles Videos und empfahl ihm mehr Abstand zur Wand. „Keiner der Tippgeber hat als Profi angeklopft, dennoch habe ich von ihren Ratschlägen profitiert“, sagt Wehrle. 6. Suchen Sie den Rat von Menschen, die es schon geschafft haben. Wehrle hat ganz bewusst den Rat von einem erfolgreichen Youtuber gesucht, der einen populären Kanal mit Lebenstipps aufgebaut hat. Dieser Mann heißt Jonathan Laufer. Man sagt ihm nach, er habe den Youtube-Algorithmus durchschaut. Bei Youtube kann man nicht nur die Kanäle sehen, die man abonniert hat, Youtube schlägt einem auf der Basis eines Algorithmus auch Videos vor, die man vermutlich gut finden könnte. Der Algorithmus ist ein Computerprogramm, das sich die UserDaten anschaut, um zu messen, wer sich für ein bestimmtes Videos interessieren könnte. Wenn man als Kanalbetreiber diese Daten nicht zur Verfügung stellt, verschenkt man Zehntausende Klicks. Jonathan Laufer gab Wehrle den Tipp, die eine oder andere reißerische Überschrift zu verwenden. Jetzt heißt der Titel eines Videos zum Beispiel: „Meide dieses Wort. Sag das nie, sonst bist Du erledigt.“ Im Video selbst geht es dann ganz brav um fünf Sätze (!), die man vermeiden muss, wenn man nicht arrogant erscheinen will (zum Beispiel statt „an deiner Stelle würde ich“ lieber „vielleicht ist der folgende Gedanke hilfreich“ zu sagen). 7. Zeigen Sie Ihre ganze Persönlichkeit. Wehrle teilt mit seiner Community auch die Erfahrung, dass es als erfolgreicher Youtuber nicht ausreicht, Experte für ein bestimmtes Fachgebiet zu sein, von dem man letztlich nicht weiß, ob er ein Mensch aus Fleisch und Blut ist. Man müsse sich als ganzer Mensch mit all seinen Interessen und politischen wie ökonomischen Ansichten zeigen. Wehrle: „In meinem Kanal spiegeln sich die Facetten meiner Persönlichkeit.“ Martin Pichler

METHODE. Viele Menschen rutschen von einem zeitlich befristeten, durchaus motivierendem Stress, in einen Dauerstress ab. Die Coronapandemie und der UkraineKrieg sorgen für eine negative emotionale Grundbelastung, die sich auch in einem Leistungsabfall bei der Arbeit äußern kann. Kognitives Verhaltenscoaching kann hier helfen, wenn normale Stressabbaumethoden nicht mehr ausreichen. Neues Ausmaß von Stress Foto: StudioM1 / gettyimages.de titelthema KOGNITIVE UMSTRUKTURIERUNG ... ... im Coaching: 16 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 R

01. Modell erklären – Klient erfährt alles über das methodische Vorgehen 02. Selbstbeobachtung – durch Selbstbeobachtung unpassende Gedanken aufdecken 03. Hinterfragen – unangemessene Kognitionen hinterfragen und überprüfen wirtschaft + weiterbildung 05_2022 17

titelthema 18 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 Marketingleiter Peter Power bekam von seiner Umgebung immer öfter gespiegelt, dass etwas mit ihm nicht mehr in Ordnung sei. Seine Kollegen sagten zu ihm, dass er ihnen immer gehetzt, gereizt und unter Druck erscheine. Seine Frau beobachtete, dass er viel mehr und häufiger Süßigkeiten aß und statt nur am Wochenende auch unter der Woche regelmäßig Alkohol trank, wobei es häufig nicht bei einem Glas blieb. Seiner Chefin fiel auf, dass die Qualität seiner Arbeit schleichend zurückging und er generell unkonzentrierter wirkte. Sie war es dann auch, die ihm ein Gespräch mit der Personalabteilung empfahl. Die HR-Business-Partnerin vermutete, dass Peter Power nicht mehr nur an normalem Stress litt, sondern in eine Art „Dauerstress“ abgerutscht war. Als Führungskraft im mittleren Management übertrug er außerdem seinen Stress auf sein ganzes Team, welches schlechter zusammenarbeitete, mehr Konflikte und Reibereien hatte und dadurch Abgabetermine verpasste. Geschichten wie diese häufen sich aktuell in Deutschlands Unternehmen. Es geht um Menschen, deren Leistungsfähigkeit durch Dauerstress massiv heruntergesetzt ist. Zuerst war es die Coronakrise, die Stress verbreitete. Die bewährte Trennung von Beruf („Arbeit bleibt im Büro“) und Privatleben („Familienmensch ist man zu Hause“) wurde durch das Homeoffice abrupt aufgelöst. Das elementare Bedürfnis nach Nähe wurde nur mühsam mit sozialen Medien befriedigt, die ihrerseits ihre Nutzer gehörig stressen. Außerdem führte Corona zu einer Spaltung der Gesellschaft („Wie steht mein Gegenüber zum Thema Impfen?“). Zuletzt erschütterte der Ukraine-Konflikt die Menschen („Krieg in Europa ist wieder Realität“), da schwer zu ertragende TV-Bilder den Zuschauern ihre Ohnmacht vor Augen führen. Die ununterbrochene Anspannung führt zu ganz neuen Belastungen in Form von körperlichem und seelischem Dauerstress bei vielen Menschen. Neben dem individuellen Leiden entsteht auch für die Unternehmen ein Schaden: Diese Menschen sind unkonzentriert, machen mehr Fehler, deren Beseitigung andere Menschen belastet, die dann wieder an Stress leiden – ein Teufelskreis. Interne und externe Geschäftsbeziehungen werden langfristig belastet. Die Kreativität und Innovationskraft der Betroffenen sinkt, sodass die Konkurrenzfähigkeit zurückgeht und die gerade in solchen Zeiten wichtige Ideenfindung für neue Ansätze (zum Beispiel bei der Neugestaltung von Lieferketten) doch sehr leidet. Was es bedeutet, wenn die Mitarbeitenden mehr Fehler machen, Konflikte austragen und weniger kreativ sind, kann sich jeder selbst ausrechnen. Die Konflikte werden weiter zunehmen, da im Businessbereich jahrelang Bewährtes wie Just-in-time-Lieferketten oder globaler Einkauf von Halbprodukten infrage gestellt wird. Entsprechend nimmt der Druck auf die Mitarbeitenden und damit der Schaden für die Unternehmen weiter zu. Diesem Schaden dauerhaft abzuhelfen, gehört daher ab sofort zu den neuen Aufgaben der Unternehmensführung und des Personalwesens. Viele Personalverantwortliche wissen (noch) nicht, dass bei Dauerstress andere körperliche Prozesse als beim punktuellen Stress ablaufen. Sie sind wesentlich schädlicher. Selbst wenn Dauerstress als eigenes Phänomen erkannt werden sollte, so wird doch häufig versucht werden, diesen besonderen Stress mit den Mitteln des normalen Stressmanagements zu behandeln, was aufgrund physischer und psychischer Faktoren nicht funktionieren kann. Es gilt, ein ganz neues Bewusstsein für Dauerstress zu entwickeln. Der Fokus muss auf der Ermittlung der Ursachen des Dauerstresses liegen. Sowohl zur Diagnose als auch für Lösungen braucht man die neuesten Erkenntnisse aus der Psychologie und den Neurowissenschaften. Dazu gehören die folgenden drei zentralen Erkenntnisse: 1. Dauerstress bringt die Betroffenen in einen schädlichen Notbetrieb Stress ist eigentlich etwas Sinnvolles. Er entsteht, wenn das Unterbewusstsein ein Ereignis als bedrohlich einstuft und den Körper auf eine Flucht- oder Kampfreaktion vorbereitet. Wenn wir hören, dass sich uns ein bremsendes Auto nähert, bereitet sich unser Körper darauf vor, wegzuspringen, da er weiß, dass Autos stärker als der menschliche Körper im direkten Aufeinandertreffen sind und daher ein großer, wenn nicht sogar lebensbedrohender Schaden entstehen kann. Entsprechend ist Stress ein Teil des Repertoires, das die Natur entwickelt hat, um ihr übergelagertes Prinzip des Überlebens der Spezies sicherzustellen. Über die Jahrtausende hat sich gezeigt, dass Kämpfen oder Fliehen die beiden Strategien sind, die das Überleben am besten sichern. Weiter hat die Natur gelernt, dass man sich auf Kampf und Flucht vorbereiten sollte, indem man die Muskeln – wie beim Sport – aufwärmt (man schwitzt), mehr Leistung zur Verfügung hat (die Glukoseproduktion steigt), mehr Sauerstoff in den Muskeln ist (zum SchaR 04. Kognitionen reflektieren – unangemessene Gedanken automatisch ablegen 05. Umstrukturierung – Entwicklung angemessener kognitiver Alternativen 06. Training – funktionale Kognitionen im Alltag einüben und Erfolge kontrollieren.

wirtschaft + weiterbildung 05_2022 19 den des Gehirns, das dann unterversorgt wird und mehr Fehler macht), Blut aus den Hautregionen abzieht, da Wunden dort rasch zum Verbluten führen (spürbar als kalte Hände und Füße), sich größer macht, um bedrohlicher zu wirken (Aufstellen der Haare durch Gänsehaut) und generell aufmerksamer ist (spürbar durch Nervosität). All diese körperlichen Prozesse werden bei Bedrohung durch die automatische Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol in Millisekunden eingeleitet, sodass man rasch in der optimalen Verfassung für Kampf oder Flucht ist. Nach dem Kampf oder der Flucht werden Adrenalin und Cortisol wieder abgebaut und man erholt sich vom Stress. Entsprechend wenig schädlich ist diese Art von gelegentlichem Stress, da er sich auf einen eng begrenzten Zeitraum beschränkt. Er kann sogar als positiv gesehen werden, erlaubt er uns doch auch, uns zu fokussieren, zu konzentrieren und Spitzenleistungen zu liefern, wie das Beispiel der stressbedingten Nervosität einer Ballerina vor dem Auftritt zeigt. Dieselben Prozesse laufen auch beim Dauerstress ab, allerdings ohne Lücken zwischen den einzelnen Stressphasen, in denen sich der Körper wieder etwas erholen könnte. Der Körper befindet sich in einem permanenten Stresszustand und weiß nicht, wohin die Reise geht. Adrenalin und Cortisol werden weiter ausgeschüttet und halten den Körper im Kampf- oder Fluchtzustand gefangen. Er schaltet in einen Notbetrieb, der ihn noch am Leben erhält, aber keine Spitzenleistungen mehr hervorbringen kann. Manche mögen das Konzept des Notbetriebs von ihrem neuen Auto kennen, wenn der Bordcomputer aufgrund eines Motorproblems in eine Betriebsart wechselt, bei der zum Beispiel die Drehzahl deutlich begrenzt wird, um einen Motorenschaden zu verhindern. Damit kommt der Fahrer in der Regel noch in die Werkstatt, aber mehr ist nicht drin, und wer will schon permanent mit nur 60 oder 80 Kilometer pro Stunde Auto fahren? Aber genau dies tun die Menschen im Dauerstress: Sie verrichten mit wenig Ressourcen ihre Arbeit und tun das, was sie noch können, was nicht mehr viel und oft fehlerhaft ist – mit dem dann über mehrere Monate in der Praxis eingeübt und verfestigt. Nun sind viele Führungskräfte zum Glück noch nicht krank (wenngleich weniger leistungsfähig) und immer noch aktive Stützen des Unternehmens. Daher steht ihnen eine Psychotherapie nicht zur Verfügung – ungeachtet der Tatsache, dass sie im Fall der Fälle monatelang auf einen Therapieplatz warten müssten. Die Alternative dazu ist das kognitive Verhaltenscoaching, bei dem ein psychologisch ausgebildeter Coach mit den Betroffenen an Erfahrungen, Persönlichkeit, Werten, Glaubenssätzen, Fähigkeiten, Ängsten und Umgebungseinflüssen arbeitet. Hierbei empfiehlt sich das Engagement eines unternehmensexternen Coachs. Heute hat sich zwar das Konzept, dass Führungskräfte oder andere Unternehmensvertreter als interne Coachs wirken, etabliert, allerdings übersteigt die Arbeit an den Ursachen von Dauerstress den Umfang dessen, was diese Personen auch auf der Basis einer soliden CoachingAusbildung abdecken können. Einerseits erfordert dieses spezielle Coaching tiefe Kenntnisse und Erfahrung mit psychologischen Konzepten. Andererseits führt so ein Coaching nur zu Ergebnissen, wenn sich die Betroffenen öffnen und bereit sind, ihr Unterbewusstes zu erforschen und dabei auch Unangenehmes zu entdecken, das sie oft selbst noch gar nicht kennen. Dies wird im Zusammenspiel mit internen Coachs kaum möglich sein, da (trotz aller gegenteiligen Beteuerungen) die große Angst mitschwingt, dass es negative Folgen für die Karriere mit sich bringt, unter Dauerstress zu leiden. Der Vollständigkeit halber sei hier nochmals erwähnt, dass Nichtstun oder Aussitzen nach der Devise „So schlimm ist das doch gar nicht“ keine Optionen darstellen, da die menschliche und wirtschaftliche Sicht dagegen sprechen: Einerseits erfordert es die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, der Personalverantwortlichen und der Führungskräfte, etwas zu tun, damit es den Betroffenen körperlich und seelisch wieder besser geht und sie nicht an Burn-out erkranken (Dauerstress erzeugt schon Entzündungen im Körper der Betroffenen, die dann schwerwiegendere Erkrankungen bis hin zu Depression und Alzheimer auslösen können), Unterschied zum Autobeispiel, dass weit und breit keine Werkstatt in Sicht ist. 2. Dauerstress muss an den Ursachen bekämpft werden Normaler Stress geht von selbst wieder weg. Sein Auftreten und die Geschwindigkeit der Erholung können durch Maßnahmen, welche auf die Stresssymptome ausgerichtet sind, beeinflusst werden. Dazu zählt das Abstandnehmen von der stressigen Situation und die rasche seelische Entlastung mit Methoden wie Achtsamkeit, Meditation, Yoga, Body Scan, Muskelentspannung, wie sie zum Angebot des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) gehören. Diese Behandlung von Stresssymptomen bringt bei Dauerstress nichts (mehr), da ein Kipppunkt überschritten wurde und die Adrenalin- und Cortisolproduktion nicht mehr gestoppt werden kann. Jetzt hilft nur noch, an den Ursachen des Stresses anzusetzen, wie es die Stressforschung schon seit längerem empfiehlt und womit die kognitive Verhaltenstherapie in der psychotherapeutischen Behandlung von an Burn-out und Depression erkrankten Menschen einige Erfolge feiert. Dabei werden die Stresssituationen analysiert, um die individuellen stresserzeugenden Ereignisse und die spezifischen Reaktionen zu verstehen. Die daraus abgeleiteten Veränderungen werden R Felix Müller ist kognitiver Verhaltenscoach mit 25 Jahren Führungser fahrung . Er hat Studienabschlüsse der Universität St. Gallen (BWL), der Duke University (MBA) und der Henley Business School (Coaching & Verhaltensänderung). Müller lebt in Erding bei München und hat sich auf das Thema Dauerstress spezialisiert: Da den Betroffenen die Ressourcen fehlen, können dauergestresste Menschen ohne Hilfe von außen ihre Situation nicht verändern. www.felix-mueller.coach AUTOR

titelthema 20 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 andererseits ist es wirtschaftlich einfach erforderlich, etwas zu tun. Die Betroffenen funktionieren im Notbetrieb, bringen nicht ihre optimale Leistung und beeinflussen ihre Umgebung negativ – wie lange kann man sich dies betriebswirtschaftlich leisten? Der Schaden, der entsteht, übersteigt die Investition, die ein Dauerstress-Coaching erfordert, bei weitem, wie man leicht ausrechnen kann: Wenn ein Team von sechs Mitarbeitenden eine Stunde in der Woche gewinnt, weil sie weniger Reibereien haben, ergibt dies einen potenziellen Gewinn durch das Coaching von 300 Mannstunden im Jahr. 3. Dauerstress macht die Betroffenen hilflos Bleibt die Frage, in wessen Verantwortung die Bekämpfung von Dauerstress liegt. Bei normalem Stress findet eine Aufteilung zwischen Betroffenen und Unternehmen statt. Erstere können in den Erholungsphasen zwischen den Stressphasen darüber nachdenken, wie es ihnen im Stress erging und ob sie etwas verändern wollen. Letztere bieten, oft zusammen mit den Krankenkassen, Workshops oder Apps zum Stressmanagement an. Diese werden aktiv an die Mitarbeitenden herangetragen, meist für wenig oder gar kein Geld. Damit kann die Verantwortung für die Entscheidung, sich um seinen Stress zu kümmern, in die Hände der Mitarbeitenden gegeben werden. Die Dauergestressten hingegen können dies nicht tun. Durch die dauerhaft hohen Adrenalin- und Cortisolspiegel sind sie neurologisch nicht in der Lage, ihre Situation wahrzunehmen. Sie erkennen sich (und andere Menschen) und ihre Situation nicht. Sie können sich nicht fühlen (wenn man sie fragt, ob sie gestresst sind, sagen sie „nicht übermäßig“), weil sie es nicht anders empfinden können. Sie können keine Lösungen entwickeln, um aus dem Dauerstress auszubrechen. Ihnen fehlen die Ressourcen zur Veränderung und sie stehen ihrer Situation hilflos gegenüber. Wenn die Betroffenen sich also nicht selbst helfen können, müssen dies andere tun und die Rolle der Kümmerer übernehmen: Im privaten Umfeld bieten sich dafür Familie und Freunde an, während im Unternehmensrahmen Vorgesetzte, Kollegen und Personaler diese Rolle übernehmen sollten. Peter Power vom Anfang dieses Artikels ist hierfür ein gutes Beispiel: Die Analyse mit einem Coach hatte gezeigt, dass er sehr viele Symptome für Dauerstress aufwies, aber es brauchte vorher das Feedback seiner Frau, seiner Kollegen und seiner Vorgesetzten, damit er sich seines Problems bewusst wurde. Selbst konnte er nichts tun. Und auch für die Lösung benötigte er Hilfe von außen durch seine Chefin und seine HR-Business-Partnerin. Wenn wir Menschen im Dauerstress sehen, besteht der erste Schritt zur Besserung darin, ihnen mitzuteilen, dass sie nach unserer Beobachtung Symptome von Dauerstress aufweisen. Dies benötigt etwas Fingerspitzengefühl, da die Betroffenen gereizt und angespannt sein können und diese Information als Bedrohung verstanden werden könnte, da sie auf etwas Negatives hinweist. Wenn diese Mitteilung aber aus einer Position der ehrlichen Betroffenheit und persönlichen Fürsorge geschieht, kann sie meist gut angenommen werden. Im zweiten Schritt R Dauerstress Psychische Symptome Körperliche Symptome Beobachtbares Verhalten Antriebslosigkeit Schmerzen Hoher Konsum von Alkohol, Süßem, Tabak Unentwegtes Gedankenkreisen Verspannung Streitlust Unbegründete Traurigkeit Verdauungsstörungen Andere nicht verstehen Gefühl von Hilflosigkeit „Herzrasen“ Termine nicht einhalten, Gehetztsein Schlafstörungen Kopfschmerzen Mehr Fehler, mehr Nacharbeit Angst Herzklopfen Weniger Kreativität Innere Unruhe Magenschmerzen Begriffsstutzigkeit Anspannung Schlafprobleme Keine Geduld Schwindelgefühle Unklare Kommunikation Kreislaufprobleme Unklare Entscheidungen Dauerschwitzen Häufige Kursänderungen Schlechte Stimmung im Team Heftige Konflikte brechen aus Hoher Krankenstand Hohe Fluktuation Anzeichen von Dauerstress Definition. Vorgesetzte und Personaler sollten auf folgende Symptome achten, um herauszufinden, welche Menschen unter Dauerstress leiden.

wirtschaft + weiterbildung 05_2022 21 „Was ist kognitives Verhaltenscoaching?“ „Nicht die Dinge selbst beunruhigen uns, sondern die Meinung, die wir über die Dinge haben“, sagte vor langer Zeit Epiktet, ein römischer Philosoph. Der einflussreiche Vertreter der Stoiker fasst sehr gut die Grundlage des kognitiven Verhaltenscoachings zusammen. Stellen wir uns vor, Michael bittet seine Kollegin Lisa, ihm eine wichtige Arbeit abzunehmen. Ein paar Stunden später schilt sich Lisa in Selbstgesprächen als naive, dumme Kuh und ist wütend auf sich, weil sie einfach nicht daran dachte, Nein zu sagen. Die Aussage, Michael habe Lisa wütend gemacht, trifft aber nicht zu: Es war Lisa selbst, die im konkreten Moment überzeugt war, es sei richtig, Michael zu helfen. In unserem Beispiel wird es also „etwas“ geben, das Lisa davon abhielt, Nein zu sagen: · Ihre Persönlichkeit: Lisa hat eine beziehungsorientierte Persönlichkeitspräferenz und befürchtet, dass das Neinsagen die Beziehung zu Michael beschädigt. · Ihre Glaubenssätze: Lisa hat in ihrer Familie gelernt, dass man nicht Nein sagt. Ihre Versuche, mit ihren Eltern, das dennoch zu tun, führten regelmäßig zu Stubenarrest. · Ihre Werte: Lisa hat eine ‚Can-do-Mentalität“, da ist Neinsagen nun einmal nicht vorgesehen. · Ihre Ängste: Lisa befürchtet, dass das Neinsagen ihre Karriere beschädigt, da Michael gute Drähte nach oben hat. · Ihre Fähigkeiten: Lisa sagt Ja, weil sie glaubt, durch die Zusammenarbeit mit Michael noch etwas zu lernen. · Ihre Umgebung: Als Michael sie fragt, stehen beide vor dem Abteilungsleiter und da traut sich Lisa nicht, Nein zu sagen. Einige Gründe, die Lisa dazu bewegt haben könnten, Ja zu sagen, mögen uns komplett irrational vorkommen. Sie sind für Lisa aber erlebte Realität, die sie sich nicht erklären kann. Die tieferliegenden Ursachen für ein bestimmtes Gefühl, das einen zu einem bestimmten Verhalten veranlasst, werden im Rahmen eines kognitiven VerhaltenscoaMethode. Das kognitive Verhaltenscoaching (Cognitive Behavioural Coaching) kombiniert Zukunftsorientierung mit den Konzepten und Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. chings auf der Basis der Arbeiten von Dr. Alber Ellis (19132007) gefunden. Ellis ist der Pionier der kognitiven Verhaltenstherapie. Für ihn war das „Wissen“ über die Ursachen von Gedanken und Gefühlen ein zentrales Element, um einer „Lösung“ im Sinne einer erwünschten Verhaltensänderung näherzukommen. Die Schüler von Ellis sprechen von einer Effizienzblockade (man kann nicht mehr klar denken). Das Ziel ihrer Arbeit besteht darin, diese Blockaden abzubauen und eine rationalere Form des Denkens zu entwickeln. In den letzen Jahren legte das Verhaltenscoaching einen größeren Wert darauf, die grundsätzliche Entwicklung von Menschen zu fördern, statt nach unpassenden Glaubenssätzen aus der Kindheit zu suchen. Man spricht von einer „dritten Welle“ der Verhaltenstherapie, zu der Ansätze gehören wie die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), Acceptance und Committment Therapy (ACT), Schematherapie, Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP), Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie (MBCT) und die Metakognitive Therapie (MCT). sollte das Gespräch mit den Vorgesetzten und einem zuständigen Personalexperten gesucht werden, um die Betroffenen in die kompetenten Hände eines auf Dauerstress spezialisierten Coachs zu geben. Die Lösung besteht darin, einen neuen, vom Management des normalen Stresses getrennten Ansatz zur Bekämpfung von Dauerstress einzuführen, der idealerweise die Erfahrungen und Erkenntnisse aus Psychologie und Neurowissenschaften zur Behandlung von Dauerstress nutzt, um die individuellen Ursachen für Stress zu eruieren und dauerhafte Veränderungen an stresserzeugenden Ereignissen und der Reaktion darauf zu entwickeln und umzusetzen. Das kognitive Verhaltenscoaching ist solch ein Ansatz. Betroffenen die Hand reichen Zuvor sind wir aber alle aufgerufen, den von Dauerstress Betroffenen eine Hand zu reichen. Betrachten wir die Menschen in unserem Umfeld regelmäßig daraufhin, ob bei ihnen Symptome von Dauerstress erkennbar sind. So wurde Peter Power geholfen und so können wir vielen anderen Menschen helfen. Dies ist umso wichtiger, als die aktuellen Krisenjahre tiefe Spuren hinterlassen haben. Dazu kommen neue Herausforderungen wie das Schaffen der Energiewende, der Umgang mit der Klimakrise und die neuen geopolitischen Verhältnisse, welche weiteren Dauerstress erzeugen können. Heute eine Lösung für die Bekämpfung von Dauerstress einzuführen, ist also nicht nur eine Maßnahme, die jetzt wirkt, sondern die die Leistungsfähigkeit des Unternehmens für viele Jahre sichert. Felix Müller Buchtipp I. Jonathan Passmore, Sarah Leach: Third Wave CBC, Pavilion, 2022, 306 Seiten, 39 Euro Buchtipp II. Michael Neenan: Cognitive Behavioural Coaching, Routledge, 2020, 218 Seiten, 30 Euro

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