R wirtschaft + weiterbildung 05_2022 43 Jahren das Thema Selbstlernkompetenz stärker in den Mittelpunkt gerückt. Dazu gehören Fragen wie: Wie kann ich kurz- und langfristige Ziele für meine eigene Entwicklung setzen? Wie formuliere ich überhaupt ein gutes Ziel? Welche Hindernisse werden mir bei der Umsetzung begegnen? Und wie kann ich strukturiert reflektieren? „Unser Ziel ist es, die Teilnehmenden zu befähigen, dass sie ihr Lernen und ihre Entwicklung selbstgesteuert fortsetzen können.“ Zum Führungsprofil gehört auch eine sogenannte Toolbox der Führung mit ganz konkreten verhaltensbezogenen Vorschlägen, wie man bestimmte Aspekte von Führung verbessern kann. Zum Beispiel, wie man das Zielbild der Organisation vermitteln könne, indem man das nächste Meeting mit Warum-Fragen beginne: Warum engagieren wir uns in diesem Projekt? Warum haben wir diese strategische Ausrichtung? Ein weiterer zentraler Aspekt sei es, sich seiner persönlichen Werthaltungen bewusst zu werden und darüber auch mit den Mitarbeitenden zu sprechen. Das werde in der Praxis leider nur selten gemacht. Auch hier gibt es eine klare Anleitung: Was sind meine persönlichen Werte? Wie bestimmen sie meine Entscheidungen? Welche Entscheidungen habe ich in der letzten Woche getroffen? Waren sie kongruent mit meinen Werten? „Dabei muss man eine Verhaltensroutine aufbauen und sich zum Beispiel einmal in der Woche Zeit dafür nehmen“, so die Psychologin. „Führung lernt man nur durch Üben.“ Dass die persönliche Entwicklung ein immer wichtigeres Thema im MBAStudium ist, beobachtet auch Professor Timo Meynhardt. Einen Grund dafür sieht er im gesellschaftlichen Rahmen, in dem wir in der sehr individualisierten westlichen Welt stark auf Selbstverwirklichung, Selbstoptimierung und Sinnerwartung zielen. „Da entsteht beim Einzelnen sofort das Gefühl von Defizit und der Wunsch nach Optimierung“, erklärt der Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspsychologie und Leadership an der HHL Leipzig Graduate School of Management. „Und darauf springen dann auch die Business Schools mit entsprechenden Angeboten auf.“ Business Schools seien von jeher konservativ, indem sie die aktuellen Themen in der Gesellschaft und Wirtschaft verstärken. Vorsicht vor zu viel schicken Modethemen „Meiner Meinung nach werden sich die Business Schools durchsetzen, die es schaffen, diese neue Innerlichkeit mit gesellschaftlichen Themen zu verbinden“, so Professor Meynhardt. Das bedeute, dass die Arbeit an der eigenen Person nicht nur zur Selbstoptimierung und zu einem aufgeblasenen Ego führt, sondern zu verantwortungsvoll handelnden Führungskräften. „Die großen Herausforderungen wie Geopolitik oder Klimakrise brauchen Menschen mit gereiften Persönlichkeiten“, so der Psychologieprofessor. Persönliche Entwicklung dürfe nie ein Selbstzweck sein und ein Coaching für mehr Karriereerfolg müsse im Dienst gesellschaftlicher Anforderungen und verantwortungsvoller Führung stehen. Dabei müssten die Angebote aber auch professionell sein. Dazu seien auch die Arbeits- und Organisationspsychologen gefordert, die den Business Schools gegenüber oftmals eher negativ eingestellt seien. „Sie müssen mit ihren Methoden das Feld professionalisieren“, fordert Professor Meynhardt. „Das heißt auch, dafür zu werben, dass bestimmte Sachen nicht gemacht werden.“ Dazu gehöre zum Beispiel der Einsatz von fragwürdigen Persönlichkeitstests wie dem Typentest MBTI, der immer noch an etlichen Business Schools genutzt wird. „Wenn Business Schools ernst genommen werden wollen, müssen sie sich professionellen Diagnostikstandards öffnen“, mahnt der Psychologe. Auch beim Coaching müsse zumindest versucht werden, den wissenschaftlichen Charakter hoch zu halten. Dabei brauche Coaching einen Kompass, mahnt Professor Meynhardt. An der HHL sei das das Leipziger Führungsmodell. „Gute Füh-
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