wirtschaft + weiterbildung 05_2022 39 wichtiger ist es, dass eine Lernplattform nicht nur auf allen Endgeräten zur Verfügung steht, sondern die Nutzung auch synchronisiert wird. Nicht jedes Lernsystem bietet zudem für jedes mobile Endgerät eine passende App oder verfügt über eine White-Label-App, die eine Organisation mit ihrem Logo auf die Kunden zuschneiden kann. Laut Fosway-Umfrage steigt der Druck nachzuweisen, dass all die Investitionen in Lernen sich auch wirklich rechnen. Dahinter steckt mehr: Es geht um Talente, um die passenden Skills und Kompetenzen, es geht um Jobprofile und Lernpfade und vor allem darum, die passenden Talente zur rechten Zeit zur Verfügung zu haben. Bislang sind Lernsysteme vor allem darauf ausgerichtet, den aktuellen Lernbedarf zu erfüllen und möglichst vielen Mitarbeitenden das Lernen zu ermöglichen und die mögliche Karrierewege aufzuzeigen. Das reicht in Zukunft nicht mehr aus, da Kompetenzen und Wissen immer schneller erneuert werden müssen. Unternehmen wollen sowohl wissen, welche Skills und Kompetenzen wo und bei wem vorhanden sind, sie wollen und müssen auch wissen, wie sich der Bedarf voraussichtlich entwickeln wird und wie lange es unter Umständen dauert, diesen zu erfüllen. Dabei helfen Daten, Metriken und Berichte nicht nur, die Entwicklung der einzelnen Person besser zu erkennen. Die Daten aus dem Bereich L&D können auch genutzt werden, um sie mit Geschäftsdaten zu kombinieren und in Business-Intelligence-Systemen zu nutzen. Trivialer ist da noch die Auswertung von Daten zum Lernverhalten, um etwa festzustellen, wie gut Lernende vorankommen, um so auch Phänomenen wie „Online-Fatigue“ entgegenzuwirken. Ein großes Thema sind Skill-Taxonomien, die Jobrollen, Kompetenzen und Lerninhalte miteinander verbinden sollen. Laut Craig Weiss, CEO der US-amerikanischen Craig Weiss Group, könnte das einer der Trends für Lernsysteme im Jahr 2022 sein. Auch die Analysten von Fosway sehen diesen Trend. Weiss und Fosway sind sich allerdings einig darin, dass hier noch viel Arbeit vor den Anbietern liegt und die fehlende Interoperabilität von Skill-Taxonomien zwischen den Systemen einen echten Mangel darstellt. Weniger ein Thema ist im Übrigen „künstliche Intelligenz“. Dass per „Machine Learning“ Daten ausgewertet werden, um Lernempfehlungen zu geben oder Lernen zu personalisieren, ist inzwischen fast selbstverständlich, auch wenn es nicht überall gleich weit entwickelt ist. Aktuelle Anbieterübersichten Seit sich der Markt für Lernsysteme im deutschsprachigen Raum so gut entwickelt, bietet die Fosway Group ihren „Fosway 9-Grid – Learning Systems“ auch auf Deutsch an. Die regelmäßig erscheinende Marktanalyse gibt einen Überblick zu den Trends im Markt und die Lösungsansätze. Der Grid ist kein Ranking, sondern beurteilt die Lösungsanbieter anhand der Aspekte Performance (Markt- und Kundenperformance), Potenzial des Systems, Präsenz auf dem Markt, Gesamtbetriebskosten und die zu erwartende künftige Entwicklung. Die Abbildung und Einteilung der Anbieter in die Kategorien • Potential / Core / Strategic Leader • Potential / Core / Strategic Challenger • Potential / Solid / Strong Performer gibt eine erste Übersicht über die Positionierung (siehe Grafik). In diesem Jahr finden sich im 9-Grid neben SAP Successfactors als „Strategic Challenger“ mit Time-4-you als „Potential Challenger“, IMC als „Core Leader“ und Haufe LS als „Core Challenger“ vier in Deutschland beheimatete Anbieter. Eine detailliertere Übersicht über einzelne Anbieter, insbesondere ihrer Stärken und Schwächen, bieten Craig Weiss Listen zu Top-Learning-Systemen und das von ihm entwickelte Tool „Find An LMS“, mit dem sich die Anbieter vergleichen lassen. Während die Anbieter für ihre Aufnahme in den Vergleich zahlen, ist die Nutzung für potenzielle Kunden und Interessenten kostenlos. Weiss bietet auch Templates an, die bei der Auswahl des passenden Systems helfen können. Was Marktanalysen können, ist einen Überblick über die Entwicklungen zu bieten, Trends aufzuzeigen, in welche Richtung sich Funktionen entwickeln und was wichtig werden könnte. Allerdings sind viele Anbieter, vor allem kleinere und regionale oder auch auf eine bestimmte Branche fokussierte, dort nicht vertreten, auch wenn sie in ihrem Bereich technisch gut aufgestellt sind. Konsolidierung und Wachstum Wachstumsphantasien einerseits und Druck durch gestiegene Anforderungen andererseits führen zu interessanten Entwicklungen im Markt. Schon im vergangenen Jahr sorgte Linkedin Learning mit der Einführung des „Linkedin Learning Hub“ für gesteigerte Aufmerksamkeit, insbesondere aufgrund der Masse des Angebots an Content und der Taxonomien, die Linkedin allein aufgrund der hohen Zahl an Nutzern des Businessnetzwerks und von Linkedin Learning zur Verfügung steht. Auch die Ankündigung von „Microsoft Viva Learning“ fand große Beachtung. Inzwischen gilt aber laut Weiss „MS Teams“ als das bessere „Viva Learning“ und die Integration des Lösungsanbieters Ed-Cast in „MS Teams“ als besser als das Original. Ed-Cast, auf Platz zwei der Top-Ten-Liste von Craig Weiss und als Spezialist für Skills und Learner Experience ein „Strategic Challenger“ bei Fosway, wurde erst im März vom Branchenschwergewicht Cornerstone On Demand übernommen, das in beiden Marktanalysen ebenfalls hoch bewertet wird. Auf der anderen Seite erweitern Lösungsanbieter aus dem Talentmanagement ihre Learning-Funktionalitäten. Dazu kommen Start-ups, die davon profitieren, dass der Ed-Tech-Markt weltweit gerade besonders viele Investoren anzieht. Die Auswahl an Lösungsanbietern ist groß, auch wenn es Konsolidierungstendenzen im Markt gibt. Für Unternehmen ist es deshalb besonders wichtig, sich genau zu überlegen, welche Anforderungen das Lernsystem mit Blick auf die Strategie der Organisation erfüllen soll. Nicht jedes Feature, das auf bunten Webseiten beschrieben wird, hält, was es verspricht oder wird tatsächlich gebraucht. Im Übrigen rät Craig Weiss, sich nicht von der Masse an installierten Lösungen und Nutzern der großen Anbieter irritieren zu lassen. Immer noch, ist der US-Experte überzeugt, sei der (mangelnde) Kundendienst der häufigste Grund, warum sich Unternehmen für ein neues Learning-System entscheiden. Gudrun Porath
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