Wirtschaft und Weiterbildung 5/2022

training und coaching 36 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 zu wechseln. Auch dann sollten Sie ihm zunächst für seine Offenheit danken und die Motive für den Wechsel erkunden. Zuweilen gibt es persönliche Gründe: Beispielsweise hat sich ein Arbeitnehmer verliebt und möchte deshalb in eine andere Stadt ziehen. Dann können Sie ihm eigentlich nur alles Gute wünschen. Anders ist es, wenn ein Mitarbeitender zum Beispiel sagt, ein Familienmitglied sei ein Pflegefall geworden, weshalb er seinen herausfordernden Job nicht mehr machen könne oder wolle. Dann gibt es in der Regel nur die Alternative, ihn ziehen zu lassen oder mit ihm auszuloten, welche alternativen Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung oder welche Jobalternativen es in der eigenen Organisation gibt. Wieder anders ist die Situation, wenn der geplante Wechsel in der aktuellen Arbeitssituation begründet ist - zum Beispiel durch ein schlechtes Arbeitsklima, einer hohen Arbeitsbelastung, einer schlechten Bezahlung oder durch geringe Aufstiegschancen. Dann hat sich, wenn ein Mitarbeitender geht, obwohl er noch keinen neuen Job hat, meist schon viel Frust bei ihm aufgestaut. Entsprechend schwer ist es, ihn oder sie zum Bleiben zu bewegen. Trotzdem sollten Sie es bei wertvollen Mitarbeitenden versuchen – selbst wenn Sie dann mit einer massiven Kritik an Ihrem Führungsstil und -verhalten rechnen müssen, denn Unzufriedenheit mit der höheren Führungsebene ist ein häufiger Grund für einen Arbeitgeberwechsel. Hören Sie sich die Beschwerden ruhig und gelassen an, und sagen Sie dann beispielsweise: „Ich merke, bei Ihnen hat sich viel Unmut angestaut.“ Vermutlich erwidert der Mitarbeitende daraufhin „Ja“. Darauf können Sie zum Beispiel antworten: „Es tut mir leid, dass ich dies nicht früher registriert und mit Ihnen darüber gesprochen habe. Denn für mich sind Sie ein wertvoller Profi, und ich würde deshalb gerne weiter mit Ihnen zusammenarbeiten. Unter welchen Voraussetzungen könnten Sie sich vorstellen, Ihre Entscheidung zu überdenken?“ Versuchen Sie also, nachdem der Mitarbeitende Dampf abgelassen hat, das Gespräch in ein ruhigeres Fahrwasser zu lenken – unter anderem indem Sie Ihrem Gegenüber Ihre Wertschätzung signalisieren. Danach sollten Sie versuchen, mit dem Mitarbeitenden herauszuarbeiten, unter welchen Voraussetzungen er oder sie sich vorstellen könnte, dem Unternehmen treu zu bleiben. Hierüber eine Einigung zu erzielen, ist in einem Gesprächstermin oft nicht möglich – sei es, weil Sie mit Kollegen oder Vorgesetzten noch besprechen müssen, inwieweit gewisse Wünsche erfüllbar sind. Oder weil der Mitarbeitende auf Ihre Frage, unter welchen Bedingungen er sich ein Bleiben vorstellen könnte, noch keine Antwort weiß. Dann sollten Sie gegen Ende des Gesprächs als positives Gesprächsergebnis zunächst festhalten: „Schön, wir sind beide noch gesprächsbereit.“ Danach sollten Sie gemeinsam in einem Ergebnisprotokoll festlegen, wer was bis wann mit welchem Ziel tut, und einen Termin vereinbaren, bei dem Sie sich erneut zusammensetzen. Nicht selten lassen sich so wechselwillige Mitarbeitende umstimmen und auch emotional wieder ans Unternehmen binden – insbesondere wenn sie im Bleibegespräch eine echte Wertschätzung seitens ihres Arbeitgebers spüren und ein echtes Bemühen, ihre persönlichen Wünsche und Bedürfnisse, soweit möglich, zu erfüllen. Denn sie wissen, dass mit einem Arbeitgeberwechsel stets auch Risiken verbunden sind. Deshalb lohnt sich ein solcher Versuch, denn durch jede ungeplante Kündigung entstehen einem Unternehmen hohe Folgekosten – nicht nur aufgrund der dann nötigen Suche neuet Mitarbeitender und deren Einarbeitung. Viel schwerer wiegen oft die sogenannten „Chaoskosten“, weil dann eine (Schlüssel-)Position meist längere Zeit vakant ist. Was tun, wenn die Kündigung schon auf dem Tisch liegt? Bleibegespräche können Sie übrigens auch mit Mitarbeitenden noch führen, wenn deren Kündigung bereits auf dem Tisch liegt. Dann müssen Sie in der Regel jedoch der betreffenden Person deutlich mehr bieten, als wenn er noch keine neue Stelle gefunden hat, damit er sich seine Entscheidung nochmals überlegt. Zu Recht, denn dann haben Sie im Vorfeld die Wechselsignale nicht erkannt. Ansonsten läge nicht unverhofft die Kündigung auf dem Tisch. Klaus Doll, Nikola Doll R Nikola Doll. Sie arbeitet als Businesscoach für Klein- und Mittelbetriebe (www.dollcoaching.de) und bietet mit ihrem Mann eine „Change-Werkstatt to go“ an. Klaus Doll. Der Trainer und Berater ist Inhaber der Klaus Doll Organisationsberatung, Neustadt an der Weinstraße (www. doll-beratung.de). „ Kündigungswillige aufzuhalten erfordert, ihnen echte Wertschätzung entgegenzubringen.“ Klaus Doll

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