Wirtschaft und Weiterbildung 5/2022

personal- und organisationsentwicklung 32 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 Es wurden zwei Dinge deutlich: Alle haben uneingeschränkt den Change verstanden und sind klar ausgerichtet. Es herrscht überhaupt keine Angst vor Feedback. Ganz im Gegenteil: Es wird als Lernchance gesehen. Jeder konnte von den Statements der anderen lernen. Beim Check-out ist Gunther Schmidt klar: „Es fühlt sich stark an, so geschlossen zu sein. Wir sind die ersten am Berg. Ich habe jetzt richtig Lust, gemeinsam loszulegen!“ Bahlsen: Das Zukunftspotential schon jetzt ausdrücken Eine andere Kultur ist bei Bahlsen erlebbar. Bahlsen ist ein deutsches Familienunternehmen in der vierten Generation. Seit über 130 Jahren produziert Bahlsen unterschiedliches Gebäck, wie die berühmten Leibniz-Kekse. In diesem Bereich ist das Unternehmen in Deutschland Marktführer und gehört in Europa zu den führenden Herstellern. Sie produzieren an fünf Standorten in Europa und exportieren in über 80 Länder der Welt. Austausch, Führung und Zusammenarbeit werden bereits seit vielen Jahren großgeschrieben. Insgesamt befinden sich viele Teams bereits im aktiven Stadium. Durch Führungswechsel im Management Board sowie eine Strategieänderung inklusive großer Umstrukturierung wird die Organisation mit allen Beteiligten seit Anfang 2021 stark gefordert. So stand auch innerhalb des Management Boards erst einmal der Austausch zur Zusammenarbeit und das gemeinsame Blicken auf die Ist-Situation sowie die Zukunftsvision im Fokus eines Workshops. Selbst eine klare, stabile Haltung zu der eigenen Rolle in der Organisation und gegenüber den verschiedensten Stakeholdern zu behalten, stand dagegen für das Kernteam der Transformation im Vordergrund der Prozessbegleitung. Das Team war insgesamt schon gut im Kontakt. Es herrschte untereinander eine hohe und zielgerichtete Dialogkultur – ein klares Zeichen, dass sie sich im aktiven Stadium befinden, sich als Team verstehen und auch so wahrgenommen werden. Die Sessions konzentrierten sich im Wesentlichen auf drei Aspekte mit folgenden Kernfragen: 1. Gemeinsame Wahrnehmung unterstützen und die gemeinsame Haltung, sich als Team zu stärken: a. Wo verorten wir uns als ProjectCore-Team als auch die Stakeholder (Management Board, Führungsteam, Mitarbeitende, Betriebsrat) im Transformationsmodell? b. Was sind dazu unsere Gefühle, Gedanken? Was nehmen wir als Herausforderungen, Potentiale wahr? Welche Erfolgsfaktoren sehen wir? 2. Gemeinsame Wahrnehmung zur Teamrolle in der Transformation vertiefen: a. Was ist unsere Hoffnung mit der Transformation für die Organisation? b. Wozu sind wir als Team und individuell da, was ist unser Zweck für die Organisation, was braucht die Organisation jetzt von uns, um ihr Potential zu realisieren? 3. Die Transformationsschwelle in der Zusammenarbeit mit den Stakeholdern erkennen und überwinden: a. Wie verhalten wir uns, wenn es in den Meetings unbequem wird? b. Was vermeiden wir dadurch? Und was passiert, wenn wir mehr das machen, was wir eigentlich vermeiden? „Wir sind da, um es jetzt anders zu machen und die Brücke wirklich zu finalisieren. Da müssen und dürfen wir auch mal unbequem sein und müssen bisherige Muster durchbrechen“, lautet ein Fazit von den Teilnehmenden. Insgesamt dienten die intensiven, kurzen Sessions mit dem Project-Core-Team dazu, „bewusst mal in dem ganzen Trubel innezuhalten und sich als Team zu sammeln, sich wieder gemeinsam auszurichten“, fasst der HR Director Christian Effenberger zusammen. „So konnten wir uns in den Terminen viel besser untereinander den Rücken stärken und uns die Bälle zuspielen.“ Erwähnenswert ist bei diesem Prozess, dass alle Teammitglieder immer mehr die Frage „Was braucht die Organisation jetzt?“ als Fixstern im Kopf hatten – und weniger die Frage „Was brauche ich jetzt?“ Ein klares Symptom für die verbundene Phase. Dazu passend ist, dass wir gemeinsam eine Abschluss-Session zum Ende unserer Zusammenarbeit abhielten. Kurze Zeit später löste sich das Projektteam auf und jeder startete individuell in neu strukturierten Teams in der reaktiven Phase. Und so sind die drei Stadien nicht linear und endlich, sondern als dynamischer Kreislauf zu verstehen. Grundsätzlich gilt zu beachten: „First pace then lead“ Neben dem bildlichen Transformationsmodell gibt es einen weiteren wichtigen Grundgedanken, wie aus Führungsgruppen Teams werden: „First pace then lead“ – sich zunächst sammeln, gemeinsames Tempo aufnehmen und dann führen. Dieser Gedanke gilt auf drei Ebenen: 1. Eine Gruppe muss sich erst einmal in sich ausrichten und sammeln, um ein Team zu werden. 2. Ein Führungsteam kann wiederum andere Gruppen erst dann führen, wenn sie sich zuvor mit der zu führenden Gruppe gemeinsam gesammelt und ausgerichtet hat. 3. Als Facilitator beziehungsweise Facilitatorin oder Führungskraft gilt es, erst einmal die Situation und das Tempo der Menschen aufzunehmen, bevor sie in die nächste Stufe geführt werden – statt mit all den guten Ideen voranzupreschen und zu überfordern. Diese Führungsphilosophie rahmte alle dargestellten Veranstaltungen ein. Das Motto verlangt, dass wir im heutigen dynamischen Arbeits- und Führungsalltag immer wieder innehalten, das Tempo drosseln und reflektieren, wo wir selbst und wo unsere Gesprächspartner aktuell stehen und was die Kooperation gerade benötigt. Denn eine Zusammenarbeit verläuft nie linear und nach Plan. Extern moderierte Workshops sind ein gutes Instrument, um die ersten Schritte in einem Teamprozess zu gehen oder sich mit Inspiration und Prozesssicherheit unterstützen zu lassen. Doch die Umsetzung liegt bei jeder Führungskraft zwischen den Sessions. Dabei gilt, den Grundgedanken „First pace then lead“ mit den drei Faktoren einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zu verbinden und das persönliche Verhalten darauf auszurichten, die Fragen Was?, Wozu? und Wie? kontinuierlich zu beantworten. So werden Sie gute Verbindungen herstellen und stabilisieren – egal, wo Sie und Ihr Team gerade stehen. Anke von Platen R

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