Wirtschaft und Weiterbildung 5/2022

personal- und organisationsentwicklung 30 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 Zwischen der reaktiven und der aktiven Phase befindet sich die sogenannte „Transformationsschwelle“. Dies ist der Punkt, an dem alte Verhaltensweisen in einer Zusammenarbeit ausgedient haben und nicht mehr zuträglich sind. Mit dem Überschreiten der Transformationsschwelle verlassen wir deutlich die Komfortzone. Es ist der Punkt, an dem wir merken, dass wir eine neue Haltung in der Zusammenarbeit benötigen. Die häufigste tatsächliche Transformationsschwelle in Organisationen ist, dass sich die Menschen mehr als Menschen begegnen – mit Gefühlen, Unsicherheiten und Bedürfnissen. Meist wird zu wenig über Stress, Ängste, Unsicherheiten gesprochen. Veränderungen und Zusammenarbeit werden oft zu rational geplant. Dabei ist genau das so wichtig: die emotionale Reaktion der Betroffenen auf die Zahlen, Daten, Fakten. Denn es ist völlig normal, dass Veränderungen im Menschen Stress erzeugen oder dass wir uns zumindest unsicher fühlen. Die gute Nachricht: Obwohl jeder einzelne seine persönliche Schwelle überschreiten muss, geht es zusammen als Team in einem sicheren Umfeld leichter. Dies veranschaulichen die folgenden beiden Praxisbeispiele. Möller Group: Raus aus den Silos, rein in den Austausch „Wir müssen raus aus dem eigenen Kopf, wertschätzender und abteilungsübergreifender agieren“ benennt Personalleiterin Julia Quest die übergeordnete Transformationsschwelle in der Möller Group. Die Bielefelder Möller Group GmbH, ein Familienunternehmen mit fast 300-jähriger Geschichte und starken Wurzeln in Deutschland, ist heute eine global agierende Organisation mit weltweit circa 2.100 Mitarbeitenden. Die Konzerntöchter Möller-Tech und Möller-Flex produzieren Kunststoffteile für den automobilen Innenraum; die Möller-Werke stellen Zulieferteile für den Maschinenbau und die Sonderfahrzeugindustrie her. Um die erkannte Transformationsschwelle nachhaltig zu überwinden, wurden in Zusammenarbeit mit einem weiteren externen Partner in einem mehrmonatigen Prozess Haltungsdimensionen in der Führung durch einen gesellschaftsR Baustein Konzeptionelle Idee dazu Lockerer Einstieg/Check-in: zum Beispiel erst einmal Austausch zu zweit: Wie ist meine aktuelle Wetterlage in meinem Führungsalltag, was beschäftigt mich noch vom Vormittag? Wann wird der Nachmittag wertvoll für mich? Schaffen von psychologischer Sicherheit. Menschen öffnen sich lieber einer kleinen Gruppe/Paaren, bevor sie sich im Plenum melden. Sie erkennen zum Beispiel „Ich bin nicht allein, dem anderen geht es ähnlich.“ Einstiegsparcours mit drei Flipcharts, jeweils mit einer Frage, zum Beispiel: Was ist für uns gute Führung und Zusammenarbeit? Was ist uns zuletzt gut gelungen? Was sind aktuelle Herausforderungen? Fördern des Austauschs, Aufbrechen von Unsicherheiten, Sammeln von Ideen zum Thema der Führungswerkstatt, eine gemeinsame Wahrnehmung und Blickrichtung entwickeln. Impuls Führung und Zusammenarbeit heute und morgen: Skizzieren des Transformationsmodells, dabei Aufgreifen der Ideen aus dem Einstiegsparcours. Unterstützen einer gemeinsamen Blickrichtung auf Führung und Zusammenarbeit; Verorten der Haltungsdimensionen; Schaffen einer gemeinsamen Gesprächsbasis als Grundlage zur Diskussion: Wo stehen wir aktuell und wo wollen wir hin – und wozu überhaupt? Austausch/Abfrage I: Wo stehe ich mit meinem Team? Individuelle Verortung der Abteilungsleiter mit Punktekleben im Transformationsmodell und Begründung Austausch von Sichtweisen auf das Modell, Verständnis untereinander wird gefördert. Austausch/Abfrage II: Wie empfinden wir die Zusammenarbeit in unserem Führungsteam? Wo stehen wir? Dies ist immer ein starker sowie entscheidender Moment in den Impulsworkshops: „Sehen wir uns überhaupt als Team?“ Durch den Austausch zuvor ist nun die Grundlage gelegt, einen Schritt auf die Brücke in Richtung aktives Stadium zu setzen. Wichtig ist der Austausch, wozu lohnt es sich, als Team zu agieren und anders zusammenzuarbeiten? Skalenabfrage zur Zusammenarbeit: Die drei grundsätzlichen Fragen zur vertrauensvollen Zusammenarbeit (siehe oben) werden als Skalen auf ein Flipchart geschrieben und die Teilnehmenden punkten, wie sie die Zusammenarbeit aktuell empfinden. Weiterer Austausch und entwickeln einer gemeinsamen Sichtweise auf die Zusammenarbeit. Gemeinsame Vereinbarung formulieren: Basierend auf den Ergebnissen der Skalenabfrage wird eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit getroffen, zum Beispiel „Wir kommunizieren offener“. Mit dieser Vereinbarung wird der erste Schritt als Team gesetzt, denn es gibt ein gemeinsames Ziel in der Zusammenarbeit. Nachhaltiger Umsetzungsprozess: Zwei Umsetzungslotsen bekommen einen einfachen Prozess zur Umsetzung bis zum nächsten Workshop an die Hand. Die nächsten Schritte als Team im aktiven Stadium werden unterstützt. Die Transformationsschwelle wird dadurch verkleinert. Ausklang und Check-out: zum Beispiel mit einer spontanen Runde Feedback-Dusche und der Frage „Was war wertvoll?“. Wertschätzende Kommunikation üben, würdigen von dem, was gut und wertvoll war. Die Führungswerkstätten Aufbau. Die Impulsworkshops für Führungskräfte folgen einer klaren Struktur aus einigen grundsätzlichen Bausteinen, um allen Beteiligten Prozesssicherheit und Orientierung zu geben. R

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