Wirtschaft und Weiterbildung 5/2022

personal- und organisationsentwicklung 24 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 gen fortlaufend optimiert, um frühzeitig auszusondern, was niemand braucht. So kommt validiert nur das auf den Markt, wofür die Menschen tatsächlich Geld ausgeben wollen. Das ständige Feedback über testen – lernen – verbessern – testen macht sofortige Kurskorrekturen möglich. Ein wertvolles Extra: Man ist regelmäßig in Kontakt mit Kunden und Kundinnen und sorgt für den „Mein-Baby-Effekt“. pivotieren. Beim Pivotieren verschiebt man etwas an einen anderen Platz. Insofern ist ein Pivot kein Komplettausstieg, vielmehr wird mindestens ein erfolgversprechender Aspekt des ursprünglichen Geschäftsmodells gezielt in eine neue Richtung gelenkt. Als man zum Beispiel beim Instagram-Vorläufer Burbn erkannte, dass die User hauptsächlich die Fotopostingfunktion nutzten, richtete sich das Start-up neu aus und legte damit den Grundstein für die Instagram-Erfolgsgeschichte. „Ich verliere nie,“ hat Nelson Mandela einmal gesagt. „Entweder ich gewinne, oder ich lerne.“ Das zeugt von Größe und Demut zugleich. Aus Fehlern lernen: in komplexen Zeiten ein Muss In Old-School-Unternehmen finden wir oft eine angstvolle Fehlerkultur. Hingegen haben junge Unternehmen längst verstanden: Nur da, wo nichts passiert, passieren garantiert keine Fehler. Deshalb probiert man dort alles Mögliche aus und kalkuliert das Scheitern mit ein. „Start many, try cheap, fail early”, heißt das Prinzip: Viele Projekte starten, sie mit kleinen Mitteln testen, Flops schnell erkennen und sofort eliminieren. Für den Fall, dass man scheitert, scheitert man früh. Kosten halten sich so in Grenzen. In der Digitalwelt ist eine fehlertolerante Lernkultur demnach völlig normal. Manche New-School-Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für Fehlstarts sogar eine Bühne: „Stelle ein Projekt vor, das so richtig gegen die Wand gefahren ist“, lautet die Aufforderung dort. Der dahinterliegende Sinn: Alle sollen daraus lernen. Nicht der Fehler, sondern die Lernerfahrung wird dort gefeiert. Denn eine negative Haltung gegenüber Fehlern erstickt jeden Hauch von Wagemut schon im Keim. Über einen Mangel an Innovationen darf man sich dann natürlich nicht wundern. Vielerorts ist Scheitern inakzeptabel. In der digitalen Szene hingegen fühlt man sich inspiriert von den Geschichten bekannter Unternehmer und Unternehmerinnen, die vor ihrem Durchbruch gescheitert sind. So erging es auch Max Levchin, ein Serien-Entrepreneur mit ukrainischen Wurzeln. Die erste Firma, die er gründete, scheiterte mit einem großen Knall. Die beiden nächsten Firmen scheiterten auch, nur nicht ganz so dramatisch. Die vierte wäre beinahe nicht gescheitert. Die fünfte war Paypal, ein grandioser Erfolg - wie Wolf Lotter die Kurzvita von Levchin in seinem Brandeins-Artikel „Wird schon schief gehen“ von 2014 zusammenfasst. Mancherorts werden bereits Bewerbende bevorzugt, die schon gescheitert sind. Dort weiß man um den Wert dieser Erfahrung. In gescheitert steckt nämlich gescheiter. Woher kommt also diese Angst vor Fehlern? In der alten Industriekultur konnte jeder Produktionsfehler den Ruin bedeuten, weil klassische Herstellungsprozesse teuer waren. Heute gilt es zu differenzieren. Was folgenschwere Nachwirkungen haben kann, verlangt zwangsläufig eine Vor Jahren hatte ich in der Hamburger Google-Zentrale zu tun. Gerade war die Google Glass herausgekommen, ein Minicomputer, den man wie eine Brille trägt. Die wollte ich natürlich gleich ausprobieren. Man konnte auf ein Touchpad am Gestänge tippen oder Sprachbefehle eingeben und bekam die gewünschten Informationen auf ein Prisma vor dem rechten Auge eingespielt - auch solche vom Gegenüber. Die Gegenüber fanden das gruselig. „Glassholes“ wurden die Träger genannt. Die Brille floppte. Zunächst. Zwei Jahre nach dem vorübergehenden Ende verkündete Google mehrere Großprojekte mit namhaften Konzernen. Seitdem wird die Google Glass mit großem Erfolg im B2B-Geschäft eingesetzt, zum Beispiel in Werkshallen und in der Logistik. Ja, wirklich Neues gelingt nur dem, der den Mut hat, zwischendurch auch zu straucheln. Der Experimentiermodus ist dort ständig auf „on“. Eine fehleroffene, sanktionsfreie Lernkultur ist hierfür ein Muss. Wenn das Umfeld komplex und die Zukunft unvorhersehbar ist, werden Fehlversuche zur Normalität. Erfolgreiche Unternehmen … experimentieren. Sie probieren vieles aus, um zu sehen, was für den Markt das Richtige ist. Sie testen „jedes Jahr, jeden Monat, jede Woche, jeden Tag“ (Jeff Bezos), um mit den stets steigenden Kundenerwartungen Schritt zu halten. „Experimentability“ sei die wichtigste Managementressource in einer digitalen Welt, sagt der Verhaltensökonom Ernst Fehr, Professor an der Universität Zürich. Geplante Vorgehensweisen werden dabei sofort über Bord geworfen, wenn sie sich in Testphasen als untauglich erweisen. iterieren. Über permanente Lernschleifen wird mithilfe von KundenmeinunDie fehlertolerante Lernkultur RATGEBER. Erkunden und Ausprobieren: Das sollte das Motto der Unternehmen sein, die Innovationen hervorbringen wollen. Fehler sollten dabei mit eingerechnet und Teil einer Lernkultur sein. Viele Unternehmensbeispiele zeigen, dass dies gelingen kann. Dabei sollten Führungskräfte und Mitarbeitende einige Ratschläge beherzigen, um ihr Unternehmen auf einen fehlertoleranten Weg zu bringen. R

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