Wirtschaft und Weiterbildung 5/2022

man, wenn man wählen könne, ob man einen Konflikt eskaliere oder deeskaliere. „Dieses Differenzierungsvermögen fällt nicht vom Himmel, sondern muss erlernt werden“, betonte der DBVC-Senior-Coach und forderte, Menschen müssten sich die Mühe machen zu lernen, „Konflikte zu regulieren“. Ein Konflikt entsteht laut Eidenschink dadurch, dass ein Mensch eine Erwartung hat, diese Erwartung enttäuscht wird und der betreffende Mensch sich nicht mit der Enttäuschung abfinden will. Dass Erwartungen enttäuscht werden, gehört zum menschlichen Leben dazu. Wenn die meisten Menschen hoffen, ohne Konflikte durchs Leben zu kommen, dann ist das laut Eidenschink so schlau, wie zu hoffen, ohne regelmäßiges atmen durchs Leben zu kommen. Teilnahme am Leben bedeutet, in Konflikte einzutauchen. Es geht nicht darum, ob ein Mensch Konflikte erlebt, sondern nur in welcher Form. Konflikte entstehen zum Beispiel mit Sicherheit früher oder später, wenn ein Mensch zu einem anderen sagt: „Damit ich zufrieden bin, möchte ich, dass du folgendes tust …“. Wer so etwas sagt, macht sein Wohlbefinden abhängig von spezifischen Verhaltensweisen der Umwelt (der Chef lobt mich, mein Mitarbeiter tut, was ich sage, mein Kollege nimmt mir mein Budget nicht weg, mein Partner betrügt mich nicht …). Eidenschink: „Es wird eine Kausalität konstruiert zwischen dem eigenen Wohlbefinden und dem, was der andere tut oder lässt. Das ist das Gegenteil von Resilienz, weil kein Mensch auf Dauer die Umwelt so kontrollieren kann, dass keine Enttäuschungen und keine unangenehmen Gefühle entstehen.“ Der Münchner Coach fordert dazu auf, man möge sich genau für jene unangenehmen Gefühlen in sich interessieren, von denen man glaubt, dass der Partner sie auslöse. Ein erster Schritt in Richtung Resilienz lautet deshalb für Eidenschink: „Es kommt darauf an hinzuschauen, wie ich mir unangenehme Gefühle mache, statt dem Partner die Verursachung dieser Gefühle zu unterstellen.“ Anselm Grün: Zugang zur inneren Weisheit suchen „Der größte Fehler, den wir machen können, besteht darin, ständig um das zu kreisen, was nicht in unserer Verfügungsmacht steht“, warnt der Benediktinerpater und Bestsellerautor Anselm Grün auf dem „Resilienz-Kongress 2022“. Er outet sich damit als Anhänger der stoischen Philosophie und zitiert den römischen Stoiker Epiktet: „Hältst du für dein eigen, was fremd ist, so wirst du viel Verdruss haben, Aufregung und Trauer, und wirst mit Gott und allen Menschen hadern. Hältst du aber nur das Deine für dein eigen und Fremdes für fremd, so wird … niemand dir schaden, denn du wirst weit und breit keinen Feind haben.“ Die Botschaft, die der Pater daraus ableitet, lautet: „Es kommt letztlich darauf an, weise unterscheiden zu lernen zwischen dem, was wir ändern können, und dem, was nicht in unserer Macht steht.“ Immerhin ist sich GRün sicher: „Ein Mensch sei nie ganz hilflos. Ohnmacht spiele eher in der Gedankenwelt eine Rolle, als in der Realität.“ Er weiß natürlich auch, dass es keinen schnellen Trick gibt, negative in positive Energien zu verwandeln und betont deshalb: „Wir brauchen Geduld mit uns selbst. Die destruktiven Energien werden immer wieder in uns auftauchen. Dann gilt es, sie anzunehmen, sie zu verstehen und zu hoffen, dass langsam eine Wandlung in uns geschieht.“ Anselm Grün erlebt Führungskräfte als „sehr offen“ gegenüber spirituellen Ritualen wie einem Gebet oder einer Segnung. In diesen Ritualen stecke die Lebenskraft, die diejenigen hatten, die diese Rituale über Jahrhunderte entwickelt haben. „Es ist viel da, was uns Stütze gibt.“ Außerdem rät der Pater zu mehr Lockerheit: „Resilienz heißt nicht, das Leben im Griff zu haben, sondern sich auf das Leben einzulassen.“ Martin Pichler

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