Wirtschaft und Weiterbildung 5/2022

wirtschaft + weiterbildung 05_2022 21 „Was ist kognitives Verhaltenscoaching?“ „Nicht die Dinge selbst beunruhigen uns, sondern die Meinung, die wir über die Dinge haben“, sagte vor langer Zeit Epiktet, ein römischer Philosoph. Der einflussreiche Vertreter der Stoiker fasst sehr gut die Grundlage des kognitiven Verhaltenscoachings zusammen. Stellen wir uns vor, Michael bittet seine Kollegin Lisa, ihm eine wichtige Arbeit abzunehmen. Ein paar Stunden später schilt sich Lisa in Selbstgesprächen als naive, dumme Kuh und ist wütend auf sich, weil sie einfach nicht daran dachte, Nein zu sagen. Die Aussage, Michael habe Lisa wütend gemacht, trifft aber nicht zu: Es war Lisa selbst, die im konkreten Moment überzeugt war, es sei richtig, Michael zu helfen. In unserem Beispiel wird es also „etwas“ geben, das Lisa davon abhielt, Nein zu sagen: · Ihre Persönlichkeit: Lisa hat eine beziehungsorientierte Persönlichkeitspräferenz und befürchtet, dass das Neinsagen die Beziehung zu Michael beschädigt. · Ihre Glaubenssätze: Lisa hat in ihrer Familie gelernt, dass man nicht Nein sagt. Ihre Versuche, mit ihren Eltern, das dennoch zu tun, führten regelmäßig zu Stubenarrest. · Ihre Werte: Lisa hat eine ‚Can-do-Mentalität“, da ist Neinsagen nun einmal nicht vorgesehen. · Ihre Ängste: Lisa befürchtet, dass das Neinsagen ihre Karriere beschädigt, da Michael gute Drähte nach oben hat. · Ihre Fähigkeiten: Lisa sagt Ja, weil sie glaubt, durch die Zusammenarbeit mit Michael noch etwas zu lernen. · Ihre Umgebung: Als Michael sie fragt, stehen beide vor dem Abteilungsleiter und da traut sich Lisa nicht, Nein zu sagen. Einige Gründe, die Lisa dazu bewegt haben könnten, Ja zu sagen, mögen uns komplett irrational vorkommen. Sie sind für Lisa aber erlebte Realität, die sie sich nicht erklären kann. Die tieferliegenden Ursachen für ein bestimmtes Gefühl, das einen zu einem bestimmten Verhalten veranlasst, werden im Rahmen eines kognitiven VerhaltenscoaMethode. Das kognitive Verhaltenscoaching (Cognitive Behavioural Coaching) kombiniert Zukunftsorientierung mit den Konzepten und Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. chings auf der Basis der Arbeiten von Dr. Alber Ellis (19132007) gefunden. Ellis ist der Pionier der kognitiven Verhaltenstherapie. Für ihn war das „Wissen“ über die Ursachen von Gedanken und Gefühlen ein zentrales Element, um einer „Lösung“ im Sinne einer erwünschten Verhaltensänderung näherzukommen. Die Schüler von Ellis sprechen von einer Effizienzblockade (man kann nicht mehr klar denken). Das Ziel ihrer Arbeit besteht darin, diese Blockaden abzubauen und eine rationalere Form des Denkens zu entwickeln. In den letzen Jahren legte das Verhaltenscoaching einen größeren Wert darauf, die grundsätzliche Entwicklung von Menschen zu fördern, statt nach unpassenden Glaubenssätzen aus der Kindheit zu suchen. Man spricht von einer „dritten Welle“ der Verhaltenstherapie, zu der Ansätze gehören wie die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), Acceptance und Committment Therapy (ACT), Schematherapie, Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP), Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie (MBCT) und die Metakognitive Therapie (MCT). sollte das Gespräch mit den Vorgesetzten und einem zuständigen Personalexperten gesucht werden, um die Betroffenen in die kompetenten Hände eines auf Dauerstress spezialisierten Coachs zu geben. Die Lösung besteht darin, einen neuen, vom Management des normalen Stresses getrennten Ansatz zur Bekämpfung von Dauerstress einzuführen, der idealerweise die Erfahrungen und Erkenntnisse aus Psychologie und Neurowissenschaften zur Behandlung von Dauerstress nutzt, um die individuellen Ursachen für Stress zu eruieren und dauerhafte Veränderungen an stresserzeugenden Ereignissen und der Reaktion darauf zu entwickeln und umzusetzen. Das kognitive Verhaltenscoaching ist solch ein Ansatz. Betroffenen die Hand reichen Zuvor sind wir aber alle aufgerufen, den von Dauerstress Betroffenen eine Hand zu reichen. Betrachten wir die Menschen in unserem Umfeld regelmäßig daraufhin, ob bei ihnen Symptome von Dauerstress erkennbar sind. So wurde Peter Power geholfen und so können wir vielen anderen Menschen helfen. Dies ist umso wichtiger, als die aktuellen Krisenjahre tiefe Spuren hinterlassen haben. Dazu kommen neue Herausforderungen wie das Schaffen der Energiewende, der Umgang mit der Klimakrise und die neuen geopolitischen Verhältnisse, welche weiteren Dauerstress erzeugen können. Heute eine Lösung für die Bekämpfung von Dauerstress einzuführen, ist also nicht nur eine Maßnahme, die jetzt wirkt, sondern die die Leistungsfähigkeit des Unternehmens für viele Jahre sichert. Felix Müller Buchtipp I. Jonathan Passmore, Sarah Leach: Third Wave CBC, Pavilion, 2022, 306 Seiten, 39 Euro Buchtipp II. Michael Neenan: Cognitive Behavioural Coaching, Routledge, 2020, 218 Seiten, 30 Euro

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