titelthema 20 wirtschaft + weiterbildung 05_2022 andererseits ist es wirtschaftlich einfach erforderlich, etwas zu tun. Die Betroffenen funktionieren im Notbetrieb, bringen nicht ihre optimale Leistung und beeinflussen ihre Umgebung negativ – wie lange kann man sich dies betriebswirtschaftlich leisten? Der Schaden, der entsteht, übersteigt die Investition, die ein Dauerstress-Coaching erfordert, bei weitem, wie man leicht ausrechnen kann: Wenn ein Team von sechs Mitarbeitenden eine Stunde in der Woche gewinnt, weil sie weniger Reibereien haben, ergibt dies einen potenziellen Gewinn durch das Coaching von 300 Mannstunden im Jahr. 3. Dauerstress macht die Betroffenen hilflos Bleibt die Frage, in wessen Verantwortung die Bekämpfung von Dauerstress liegt. Bei normalem Stress findet eine Aufteilung zwischen Betroffenen und Unternehmen statt. Erstere können in den Erholungsphasen zwischen den Stressphasen darüber nachdenken, wie es ihnen im Stress erging und ob sie etwas verändern wollen. Letztere bieten, oft zusammen mit den Krankenkassen, Workshops oder Apps zum Stressmanagement an. Diese werden aktiv an die Mitarbeitenden herangetragen, meist für wenig oder gar kein Geld. Damit kann die Verantwortung für die Entscheidung, sich um seinen Stress zu kümmern, in die Hände der Mitarbeitenden gegeben werden. Die Dauergestressten hingegen können dies nicht tun. Durch die dauerhaft hohen Adrenalin- und Cortisolspiegel sind sie neurologisch nicht in der Lage, ihre Situation wahrzunehmen. Sie erkennen sich (und andere Menschen) und ihre Situation nicht. Sie können sich nicht fühlen (wenn man sie fragt, ob sie gestresst sind, sagen sie „nicht übermäßig“), weil sie es nicht anders empfinden können. Sie können keine Lösungen entwickeln, um aus dem Dauerstress auszubrechen. Ihnen fehlen die Ressourcen zur Veränderung und sie stehen ihrer Situation hilflos gegenüber. Wenn die Betroffenen sich also nicht selbst helfen können, müssen dies andere tun und die Rolle der Kümmerer übernehmen: Im privaten Umfeld bieten sich dafür Familie und Freunde an, während im Unternehmensrahmen Vorgesetzte, Kollegen und Personaler diese Rolle übernehmen sollten. Peter Power vom Anfang dieses Artikels ist hierfür ein gutes Beispiel: Die Analyse mit einem Coach hatte gezeigt, dass er sehr viele Symptome für Dauerstress aufwies, aber es brauchte vorher das Feedback seiner Frau, seiner Kollegen und seiner Vorgesetzten, damit er sich seines Problems bewusst wurde. Selbst konnte er nichts tun. Und auch für die Lösung benötigte er Hilfe von außen durch seine Chefin und seine HR-Business-Partnerin. Wenn wir Menschen im Dauerstress sehen, besteht der erste Schritt zur Besserung darin, ihnen mitzuteilen, dass sie nach unserer Beobachtung Symptome von Dauerstress aufweisen. Dies benötigt etwas Fingerspitzengefühl, da die Betroffenen gereizt und angespannt sein können und diese Information als Bedrohung verstanden werden könnte, da sie auf etwas Negatives hinweist. Wenn diese Mitteilung aber aus einer Position der ehrlichen Betroffenheit und persönlichen Fürsorge geschieht, kann sie meist gut angenommen werden. Im zweiten Schritt R Dauerstress Psychische Symptome Körperliche Symptome Beobachtbares Verhalten Antriebslosigkeit Schmerzen Hoher Konsum von Alkohol, Süßem, Tabak Unentwegtes Gedankenkreisen Verspannung Streitlust Unbegründete Traurigkeit Verdauungsstörungen Andere nicht verstehen Gefühl von Hilflosigkeit „Herzrasen“ Termine nicht einhalten, Gehetztsein Schlafstörungen Kopfschmerzen Mehr Fehler, mehr Nacharbeit Angst Herzklopfen Weniger Kreativität Innere Unruhe Magenschmerzen Begriffsstutzigkeit Anspannung Schlafprobleme Keine Geduld Schwindelgefühle Unklare Kommunikation Kreislaufprobleme Unklare Entscheidungen Dauerschwitzen Häufige Kursänderungen Schlechte Stimmung im Team Heftige Konflikte brechen aus Hoher Krankenstand Hohe Fluktuation Anzeichen von Dauerstress Definition. Vorgesetzte und Personaler sollten auf folgende Symptome achten, um herauszufinden, welche Menschen unter Dauerstress leiden.
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==