Wirtschaft und Weiterbildung 3/2022

personal- und organisationsentwicklung 34 wirtschaft + weiterbildung 03_2022 sich Leute registriert haben in unserem System, hat sich verdreifacht. Genau das Gleiche für die Schulungsabschlüsse und die Lernzeiten.“ Vielfach ist die Zahl der Trainings gestiegen, die digitalen Formate haben aber auch Schranken überwunden: Bei Chiesi zeigt sich die hohe Akzeptanz auch daran, dass selbst Coachings nun virtuell gut angenommen werden – ein Format, das noch zu Beginn der Pandemie als reines Präsenzformat gesehen wurde. Gleichzeitig werden die Mitarbeitergruppen, die beim digitalen Lernen berücksichtig werden, erweitert: „Wir haben tatsächlich als eins der ersten Produktionsunternehmen, Linkedin-Learning für unsere Produktionsmitarbeitenden ausgerollt, mit extremem Erfolg“, erklärt die Infineon-Personalentwicklerin. Die am häufigsten genutzten Angebote drehen sich um Team- und Konfliktkommunikation sowie Zeitmanagement. Die Mitarbeitenden sehen darin die Wertschätzung des Unternehmens, das nicht nur auf Schulungen an den Maschinen setzt. Dafür wurden Lernphasen definiert und Lernräume in der Produktion geschaffen. Und nicht nur die digitalen Formate finden Anklang, sondern auch das Lernen an sich habe einen viel höheren Stellenwert bekommen, ergänzt Markus Grunwald von Know How. Dabei sei auch die Personalentwicklung „so sichtbar geworden, wie schon lange nicht mehr“. Die Personalentwicklung habe inzwischen eine ähnliche Ausnahmestellung wie die IT – „ohne sie funktioniert nichts mehr“. Diesen Bedeutungszuwachs beobachtet auch Baader-Kröger: „Die Personalentwicklung wird jetzt noch ernster genommen – gerade die strategische Personalentwicklung und die Organisationsentwicklung. Alle haben verstanden, dass Weiterbildung einen Impact auf den Geschäftserfolg hat.“ Auch Jessica Richter bestätigt, dass die Personalentwicklung bei Infineon einen Booster bekommen habe. „Ich habe gleich am Anfang zu meinem Team gesagt: ‚All hands on deck.‘ Wir müssen sichtbar werden und liefern.“ Das habe gewirkt und gerade die Führungskräfte, die sonst schwieriger zu erreichen seien für Lernthemen, hätten sich zu Promotoren entwickelt. „Die haben unsere Angebote durch Mund-zuMund-Propaganda weitergegeben.“ Dass die Personalentwicklung ihre Erfolge sichtbar machen muss, betont auch Rusch von Cornerstone. Er schränkt aber ein: „In einigen Unternehmen klappt das. In vielen Unternehmen ist die Personalentwicklung aber immer noch eine Supportfunktion, die nebenherläuft. Sie ist kein strategischer Partner.“ Passende Daten im Controlling In der Pandemiephase war der Nutzen der Personalentwicklung für alle spür- und erkennbar. Sie hat ermöglicht, dass die Arbeitsorganisation auf hybrid umgestellt wird und die Beschäftigten damit klarkommen. Bald wird sich die Situation erneut ändern, der Nutzen muss wieder in Zahlen dargestellt werden: „Die Personalentwicklung muss ihren Impact auf das Unternehmen konkret darstellen können“, so Grunwald. „Dafür ist es sehr wichtig zu definieren, welche KPIs man überhaupt erreichen will.“ Doch bisher erfassen viele Unternehmen nur die klassischen Daten, wie Lernzeiten, Teilnehmerzahlen, Mitarbeitergruppen und Ähnliches. So auch bei Chiesi: „Bisher haben wir eine Excel-Liste erstellt, die unser Mutterkonzern anfordert. Aber diese alte Welt von KPIs hat wenig Aussagekraft, um unseren Beitrag für den Erfolg der Firma darzustellen.“ Erfolgsfaktoren für die Personalentwicklung seien eben nicht allein Trainingszeiten, sondern die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, Krankheitstage, Stabilität der Teams, psychologische Sicherheit, das mache den Erfolg am Ende aus. Auch bei der Erhebung der Lernzeiten brauchen die Unternehmen Veränderungen: „Wir müssen neu definieren, was wir unter Lernen verstehen“, erläutert Jessica Richter. Bislang werden in den meisten Unternehmen die Lernzeiten von offiziellen Trainingsangeboten genau erfasst – nicht aber Lernangebote wie Mentoring, Coaching oder informelle Lernangebote, die genauso zum Lernen dazuzählen müssten. „Bei uns sind die Lernzeiten bei den offiziellen, vorrangig Präsenztrainings gesunken. Da wurde ich gefragt, ob wir nicht genug tun und in die Weiterbildung unserer Mitarbeitenden investieren. Aber die Antwort zeigt das Problem auf: Unsere Lernzeit war noch nie so hoch, wenn wir Lernen richtig definieren und informelles Lernen mitberechnen.“ Sie verweist auf ein Unternehmen als Vorbild, das die Mitarbeitenden selbst dokumentieren lasse, was sie gelernt haben – dazu zähle auch das Lesen von Fachartikeln genauso wie die Teilnahme am Mentoring. „Alle Lernszenarien können im Dashboard einer Lernplattform erfasst werden“, sagt Grunwald, der auf die 70-2010-Regel verweist. Danach findet Lernen nur zu zehn Prozent in klassischen Trainings oder Seminaren statt. Zu 20 Prozent besteht Weiterbildung aus dem Lernen voneinander. Der größte Anteil am Lernen – 70 Prozent – geschieht über die Bewältigung von schwierigen Aufgaben im Beruf. „Dafür braucht es ein passendes Learning Eco System, das hierzu Lerneinheiten bereitstellt.“ Eine Lernplattform müsse heute aber auch persönliche Interaktionen, etwa Feedbacks oder Weiterempfehlungen, abbilden können. „Der Einsatz von KI kann helfen, Angebotsempfehlungen fürs Weiterlernen zu machen“, erläutert Rusch und ergänzt „Die KI kann eine Empfehlung geben, entscheiden muss der Lernende oder die Führungskraft.“ Technologische Ausstattung Neben dem Datenschutz und der Mitbestimmung ist die technologische Ausstattung für die Personalentwicklung ein limitierender Faktor. „Ich suche schon lange nach einer Lösung aus einer Hand, um nicht nur mit fragmentierten SysteR „ Nun folgt die nächste Herausforderung: die Personalisierung. Digitales Lernen soll alle im Unternehmen erreichen mit dem individuell passenden Angebot.“ Thorsten Rusch

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