Wirtschaft und Weiterbildung 3/2022

editorial wirtschaft + weiterbildung 03_2022 3 als ich mich vor einigen Jahren – eher Jahrzehnten – als freie Mitarbeiterin bei einer Tageszeitung beworben habe, gaben mir erfahrene Kommilitonen Tipps für das Vorstellungsgespräch: Auf die Frage, warum ich gerne bei der Zeitung arbeiten möchte, solle ich bloß nicht sagen, dass ich gerne schreibe. Das sei Grundbedingung. Für die redaktionelle Arbeit seien andere Voraussetzungen wichtig. An erster Stelle: Das Interesse an anderen Menschen – vom Kleintierzüchter respektive Kleintierzüchterin bis zum Stadtratsmitglied. Das Interesse an ihren Geschichten, ihren Plänen und ihrem Engagement. Sprich: Für den Journalismus braucht es vor allem Neugierde. Neugierde gilt bei Kindern als Zeichen für Offenheit und Intelligenz. Sie haben einen natürlichen Drang, zu fragen und Zusammenhänge zu verstehen. Wie oft ich die Frage „Warum regnet es?“ beantwortet habe, bis mein Sohn eine zufriedenstellende Antwort hatte, kann ich Ihnen gar nicht sagen. Gleichzeitig wäre die Antwort „Das ist halt so.“ eine der elterlich-pädagogischen Todsünden, die in Elternblogs angeprangert werden. Man soll schließlich die natürliche Neugierde der Kinder fördern. Sobald man das Kindesalter verlassen hat, gilt Neugierde aber als schlechte Angewohnheit, die man der Nachbarschaft gerne unterstellt oder den allzu kommunikativen Kollegen und Kolleginnnen. Wie aber sieht es aus, wenn ein Kollege oder eine Kollegin im Meeting Fakten hinterfragt? Wenn Mitarbeitende in andere Abteilungen „reinschnuppern“ und bei Tätigkeiten begleiten – einfach aus Interesse? Wäre das nicht eine förderungswürdige Neugierde, weil die Mitarbeitenden danach Zusammenhänge besser einordnen können, eine andere Perspektive entwickeln und vielleicht sogar innovative Ideen einbringen können? Man möchte mit „ja“ antworten. Gleichzeitig ist klar, dass nicht jede Unternehmenskultur solch eine Offenheit unterstützt. Unsere aktuelle Titelgeschichte können Sie darum als Appell verstehen, die Neugierde von ihrem schlechten Image zu befreien. Unternehmen wie Merck und Novartis haben Neugierde bereits als Voraussetzung für Erfolg erkannt. Doch lesen Sie selbst, was Neugierde alles bewirken kann. Liebe Leserinnen und Leser, Ich wünsche Ihnen spannende Erkenntnisse! Kristina Enderle da Silva, Chefredakteurin

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