Wirtschaft und Weiterbildung 3/2022

wirtschaft + weiterbildung 03_2022 15 nicht geimpft ist. Man kann schwer erkranken oder sogar sterben. Wenn also das Ziel ist, in einer Gesellschaft zu leben, in der Menschen gesund sind und die Wirtschaft funktioniert, dann erscheint das mentale Modell der Impfgegner nicht gut zu sein. Ein weiteres Problem ist die Inkonsistenz des Gedankenmodells. So schimpfen viele Impfgegner zwar auf die Pharmaindustrie, die die Impfstoffe herstellt und daran verdient. Viele sind aber nicht gegen Antibiotika und haben kein Problem damit, sie im Bedarfsfall zu nehmen – obwohl die auch von der Pharmaindustrie hergestellt werden und sie daran verdient. Da gibt es also Unstimmigkeiten in dem Denkmodell und das ist ein Anhaltspunkt dafür, ob ein Frame gut funktioniert oder nicht. Zum Frame der Impfgegner gehört auch die persönliche Freiheit, sich nicht impfen zu lassen … de Véricourt: Grundsätzlich ist es nicht schlecht, wenn man manchmal Zweifel daran hat, was Regierungen und Unternehmen tun. Aber es ist schlecht, wenn man diesen Frame auf die falsche Situation anwendet, wie gerade erwähnt. Und hier haben wir ein klares Misframing. Denn bei einer Pandemie geht es nicht nur um den Einzelnen, sondern auch die Gesellschaft und die Wirtschaft. Die Frage ist, wie kann ich einen Frame schaffen, an den Impfgegner glauben und ihre Entscheidung ändern können? Das ist sehr schwierig und ich habe auch keine Lösung. Aber vielleicht kann man von anderen Beispielen lernen. Eines ist die Erlaubnis der gleichgeschlechtlichen Ehe in den USA. Ihre Verfechter haben jahrelang vergeblich dafür gekämpft, weil sie die gleichen Rechte wie heterosexuelle Paare haben wollten. Das war ihr Frame: Sie wollten dasselbe Recht haben, ihren Partner zu heiraten. Dann haben sie begonnen, es anders zu betrachten: als Recht auf Liebe für ihren Partner oder Partnerin. Sie wollen ihren gleichgeschlechtlichen Partner oder ihre Partnerin heiraten, weil sie sich lieben. Das ist ein anderer Frame. Der überzeugte auch mehr die konservativen Vorstadtmütter und heute ist die gleichgeschlechtliche Ehe in vielen US-Staaten erlaubt. Oder nehmen Sie die MeTooBewegung. Davor waren Frauen, die über sexuelle Übergriffe klagten, meist allein und man gab ihnen oft sogar eine gewisse Mitschuld. Mit dem neuen Frame bekamen sie globale Unterstützung. MeToo kehrte das Stigma um: Frauen müssen sich nicht schämen und können Schande über die Männer bringen, die sie missbraucht haben. So entstand eine andere Sicht auf das Problem und es ergaben sich neue Handlungsoptionen. Also bestimmt letztlich der Frame, welche Entscheidungen wir treffen und wie wir handeln? de Véricourt: Genau. Ein gutes Beispiel ist der Ebola-Ausbruch 2014 in Afrika, der mit wenigen lokalen Fällen begann. Damals gab es zwei mit Pandemien sehr erfahrene Organisationen, die WHO und Ärzte ohne Grenzen, die damals vor Ort R Buchtipp. Kenneth Cukier, Viktor Mayer-Schönberger und Francis de Véricourt: Framers, erschienen im Redline Verlag, München 2021, 272 Seiten, 25,00 Euro

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