aktuell 12 wirtschaft + weiterbildung 03_2022 Führungskräfte machen im Umgang mit kreativen Mitarbeitenden immer wieder folgende Fehler: Sie verteilen verbale Ohrfeigen. Sie würgen Ideen, die nicht in ihr (Denk-)Schema passen, vorschnell (und von oben herab) ab. „Da haben Sie sich ja was Schönes ausgedacht.“ Sie benutzen Totschlagargumente. Oft befassen sich Vorgesetzte nicht ernsthaft mit Ideen ihrer Mitarbeitenden, weil sie gerade andere Prioritäten haben. „Dafür haben wir jetzt keine Zeit“ oder „Hierfür fehlt uns das Geld“. Und der Mitarbeiter denkt sich: Einmal und nie wieder. Sie sitzen Innovationen aus. „Spannend, lassen Sie mich darüber nachdenken.“ Das sagen Führungskräfte zuweilen, wenn Mitarbeitende ihnen neue Ideen unterbreiten. Doch dann verstreicht Zeit – viel Zeit. Und der Mitarbeiter hört nie wieder etwas von seiner Idee. Das „Aussitzen“ ist ein Hauptgrund, warum in vielen Unternehmen das Vorschlagswesen nicht funktioniert. Führungskräfte „stehlen“ außerdem gerne die besten Ideen. Der Vorgesetzte sagt: „Geben Sie mir das. Ich stelle das mal in der Abteilungsleiterrunde vor.“ Doch leider präsentieren sie im Kollegenkreis oder bei ihren Vorgesetzten die Idee nicht als Idee ihres Mitarbeiters, sondern als eigene. Sich beschweren? Das bringt nichts. Denn hierauf reagieren die „Ideendiebe“ meist wie folgt: „So neu war Ihre Idee nicht. Und wenn ich Ihr Grobkonzept nicht überarbeitet hätte, dann ...“. Sie machen den kreativen Mitarbeiter „platt“. Der Chef sagt: „Haben Sie nicht besseres zu tun als ...!“. Der Mitarbeiter zieht sich also in sein Schneckenhaus zurück und artikuliert nie wieder eine Idee. Wirklich innovative Unternehmen fordern von ihren Führungskräften, dass sie Ideen ihrer Mitarbeitenden aktiv fördern – und zwar durch einen Managementstil der „katalysatorische Führung“ genannt wird. Er zeichnet sich meiner Beobachtung nach durch folgende Merkmale aus: 1. Die Mitarbeitenden sind nicht von morgens bis abends ins operative Geschäft eingebunden. Sie erhalten (zeitliche) Freiräume, um neue Ideen zu entwickeln. Und dies wird nicht als Zeitverschwendung, sondern als integraler Bestandteil ihrer Arbeit gesehen. 2. Teams werden immer wieder neu und unterschiedlich zusammengesetzt, damit in ihnen keine kollektiven Denkroutinen entstehen, die den Blick für neue Lösungen verstellen. So soll das erhalten bleiben, was man den „Outsider Advantage“ nennt – also den Vorteil, als Außenstehender mit anderen Augen auf ein Problem zu schauen. 3. Außer der offiziellen Unternehmenskultur schätzen auch die Führungskräfte Kreativität als hohes Gut und verankern entsprechende Werte in ihren Teams – beispielsweise durch Maximen wie: „Glaube daran, dass Du die Welt verändern und verbessern kannst.“ 4. Geführt wird nach der Philosophie der offenen Tür. Kein Mitarbeiter soll davor Angst haben, zu seinem Vorgesetzten zu gehen und zu sagen: „Chef, ich habe eine Idee, wie ... Wann können wir darüber reden?“ Eine weitere Maxime lautet: Es gibt keine heiligen Kühe. Alles kann man irgendwie besser machen. 5. Auch das Scheitern wird belohnt. Sie haben richtig gelesen. Die Führungskräfte der innovativsten Unternehmen belohnen ihre Mitarbeitenden selbst dann, wenn deren Ideen nicht funktionieren – und sei es nur mit ausgesprochen viel verbaler Anerkennung. Denn sie wissen: Es müssen immer zuerst einmal viele Ideen geboren werden, um die eine zu finden, die Gold wert ist. Gastkommentar Bitte keine Kreativität abwürgen Dr. Jens-Uwe Meyer Dr. Jens-Uwe Meyer ist CEO der Innolytics AG, Leipzig. Sie entwickelt Software, die Unternehmen beim Ideen-, Innovations- und Wissensmanagement unterstützt. Meyer ist auch Buchautor und Vortragsredner – mehr unter https://jens-uwe-meyer.de. Es gibt keine heiligen Kühe. Alles kann man irgendwie besser machen. „ „
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