d“ Das Magazin für Führung, Personalentwicklung und E-Learning www.wuw-magazin.de wirtschaft weiterbildung 09_22 Mat.-Nr. 00107-5200 Sascha Lobo_Digitalisierung braucht Weiterbildung S. 14 Werner Sauter_Personalentwicklung zukunftssicher ausrichten S. 24 Stefan Kühl_Workshops besser vor- und nachbereiten S. 34 Mut zur Macht Wie Führungskräfte Stärke und Einfluss erlangen S. 16
editorial wirtschaft + weiterbildung 09_2022 3 Lassen Sie sich von unserer Titelstrecke für Ihre Antwort inspirieren! Kristina Enderle da Silva, Chefredakteurin was Jeffrey Pfeffer in seinem neuesten Buch „7 Rules of Power“ zusammenfasst, ist nicht neu: Er beschreibt, wie Führungswillige Macht als Werkzeug nutzen können, um in der Hierarchie ganz nach oben zu kommen. Ob sie die Macht für einen gesellschaftlichen Nutzen oder allein für persönliche Wünsche einsetzen – ich würde hier nicht nur von Gut und Böse sprechen –, bleibt den Führungskräften dann überlassen. Doch ohne Macht schaffen sie es jedenfalls nicht bis zum gesetzten Ziel. Soweit so gut. Die sieben Regeln, die Pfeffer für den Weg zur Macht aufstellt, sind auch noch nicht überraschend – darunter die Tipps, selbstbewusst aufzutreten, Netzwerke auszubauen oder eine persönliche Marke aufzubauen. Was mich jedoch überrascht hat, ist die Vehemenz, mit der er New-Work-Gedanken widerspricht. Erfolg durch authentische Führung? Nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Hierarchieabbau? Nicht belegte Beobachtung. Gemeinsame Entscheidungsfindung? Eine Illusion; in der Realität setzten sich doch die Mächtigen in Debatten durch. Hier könnte man sicherlich den Kopf schütteln über so viel Starrsinn eines alten Professors. Doch im Grunde legt Pfeffer einfach offen, was in vielen Unternehmen als implizite Spielregel gültig ist – damit hilft er jüngeren Mitarbeitenden dabei, sich zurechtzufinden und manche Entscheidungsfindung nachvollziehbar zu machen. Und er trägt mit der offenen Kommunikation über Machtregeln auch dazu bei, Mitarbeitenden an die Macht zu verhelfen, die dann die Regeln ändern können. Er selbst sagt, dass er damit zum Beispiel Frauen dabei unterstützt, die berühmte gläserne Decke zu durchbrechen. Auf die Frage, ob sich Frauen an einen männlichen Führungsstil anpassen sollten, wäre seine Antwort wohl: Ja, so lange bis sie selbst an der Macht sind und dies ändern können. Auf die Spielregeln einlassen, um sie dann von oben zu ändern. Das klingt durchaus nach einer pragmatischen Lösung, die realistischer erscheint als manch New-Work-Forderung. Wie sehen Sie das? Liebe Leserinnen und Leser,
inhalt 09_2022 4 wirtschaft + weiterbildung 09_2022 06 blickfang aktuell 08 Nachrichten Neues aus der Weiterbildungsbranche: aktuelle Studien, Umfragen und Tipps menschen 14 Sascha Lobo setzt auf PE-Funktion Bei der digitalen Transformation sieht der Blogger und Digitalisierungsexperte Sascha Lobo in Deutschland immer noch große Defizite. Eine wichtigere Rolle sollte der Personalbereich mit speziellen Fort- und Weiterbildungen spielen. titelthema 16 Mut zur Macht Macht ist ein Werkzeug, das zum Guten oder zum Schlechten eingesetzt werden kann. Es gibt sieben Regeln der Macht, mit denen Führungskräfte Gutes durchsetzen können. 20 „Macht ist nur ein Werkzeug“ In einem Interview mit dieser Zeitschrift erklärt Jeffrey Pfeffer seine Ratschläge, wie man im Berufsleben Macht erlangt und nutzt. Alle Anweisungen sind seiner Aussage nach wissenschaftlich belegt. Macht. Im Juni 2022 hat der Stanford-Professor Jeffrey Pfeffer sein neuestes Buch mit dem Titel „7 Rules of Power: Surprising – But True – Advice on How to Get Things Done and Advance Your Career“ veröffent- licht. Die Botschaft: Wenn man Organisationen voranbringen will, braucht man Macht. Fallstudie Transformation. Praktische Arbeiten in einem Labor halfen mit, Gelerntes gleich umzusetzen. 28 personal- und organisationsentwicklung 24 Future Learning – schon heute Sowohl der Lernbedarf als auch die Lerngeschwindigkeit steigen derzeit enorm, denn die Skills für die Zukunft sind andere als vor einigen Jahren. Die Personalentwickung muss nun ihren Fokus und ihr Tempo neu ausrichten. 28 Praxisfall: Die Transformation anpacken Rolls-Royce Power Systems stand vor einer technologischen Transformation. Ein Upskilling-Projekt musste her – die Initiative kam aus der Fachabteilung, die Umsetzungshilfe aus der Personalentwicklung und die Weiterbildung von Externen. 33 Rückkehr des Wissensmanagements Die Halbwertszeit von Wissen sinkt schnell. Wissensmanagement wird immer wichtiger. Simon Dückert, Cogneon, stellte die von ihm veranstaltete Lernos Convention unter das richtungsweisende Motto „The Re-Return of Knowledge Management“. training und coaching 34 Das Davor und das Danach Die Hoffnungen, die an das Format des „Workshops“ geknüpft werden, sind in der Regel sehr groß. Erfahrungsgemäß kann man den hohen Erwartungen nur gerecht werden, wenn man den Phasen vor und nach dem Treffen eine viel größere Bedeutung beimisst. 16
wirtschaft + weiterbildung 09_2022 5 52 fachliteratur 56 kolumne 58 zitate Rubriken 03 editorial 51 vorschau 51 impressum Stefan Kühl. Er will verhindern, dass man in Workshops um den heißen Brei herumredet. 38 Abwanderung ins Virtuelle Der Trend im Business-Coaching geht hin zu einem rein virtuellen Coaching auf einer Videoplattform. Diese Verschiebung ist laut der aktuellen Rauen-Coaching-Marktanalyse 2022 stabil beobachtbar. Sie hat sich im Jahr 2022 sogar deutlich verstärkt. 42 Nachholbedarf bei Executive Education Die britische Tageszeitung „Financial Times“ veröffentlicht jedes Jahr, wie die besten Business Schools auf dem Spezialgebiet „Executive Education“ heißen. Aufgrund der strengen Kriterien tauchen nicht alle deutschen Schulen im Ranking auf. 46 Hybride Lernerfahrungen öffnen die Augen Viele Führungskräfte glauben, sie würden bereits hybrid führen, aber sie haben noch blinde Flecken – zum Beispiel, wenn sie hybride Meetings leiten oder die Rahmenbedingungen für New Work optimieren sollen. 48 Mit Fernlehrgängen raus aus persönlichen Krisen Der Bundesverband der Fernstudienanbieter e.V. zeichnete wie seit 1985 auch in diesem Jahr erfolgreiche Fernstudienabsolventen und Fernstudienabsolventinnen mit seinem „Studienpreis“ aus, um deren Vorbildcharakter zu würdigen. Fernlernen. Fernschulen mit ihren Lehrgängen und Fernunis mit ihren akademischen Abschlüssen halfen vielen Lernwilligen durch die Krise. 34 48
blickfang 6 wirtschaft + weiterbildung 09_2022 WER Ein Londoner Polizist (ohne Dienstmütze) hilft einem Mitglied der Irish Guards (mit Bärenfellmütze) aus einer Wasserflasche zu trinken, da die Palastwache sich auf ihrem Posten nicht bewegen darf. WAS Die berühmten Wachen am Buckingham Palace dürfen im Dienst weder eine Wasserflasche anfassen noch eine Miene verziehen, wenn die Touristen vor ihnen kindische Späße treiben. UND SONST Das Foto wurde von dem Fotoreporter Matt Dunham (DPA) am 18. Juli 2022 aufgenommen. Das war mit knapp über 40 Grad Celsius der bislang heißeste Tag in London. Dein Freund und Durstlöscher. Das Foto ist ein Beweis dafür, dass jede von Menschen gemachte Regel irgendwann auch einmal von der Wirklichkeit ad absurdum geführt wird und dass absurd gewordene Regeln von findigen Individuen immer irgendwie beachtet und gleichzeitig umgangen werden können. Das Foto ist aber auch ein Hinweis darauf, dass spätestens bei Hitze Wasser zum Bürogetränk Nummer eins werden muss. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt einemMenschen schon für normale Tage anderthalb Liter Wasser. Bei Temperaturen über 30 Grad und körperlich wie geistig anstrengenden Tätigkeiten besteht ein erhöhter Flüssigkeitsbedarf von etwa 0,5 Litern pro Stunde. Kaffee ist wie Wasser Flüssigkeitsaufnahme! Aber am besten ist kaltes Wasser aus dem Kühlschrank. Es senkt die Körpertemperatur um ein halbes Grad.
8 wirtschaft + weiterbildung 09_2022 GABAL E.V. Andreas Bellof neuer Vorstandschef 70 Prozent der deutschen Jugendlichen sagen, sie hätten das Gefühl, durch die Pandemie stärker geworden zu sein. 60 Prozent betonen außerdem, sie hätten während der Pandemie Neues gelernt, das für ihre STERN-JUGENDSTUDIE Jugendliche wuchsen über sich hinaus Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hamburg, ist von den Ergebnissen der Studie nicht überrascht. Andere Untersuchungen seien zu vergleichbaren Ergebnissen gekommen: „Rund zwei Drittel der Jugendlichen bewältigen Krisen sehr gut“, sagt er. „Sie sind außerordentlich resilient.“ Die Sorge vor einer vermeintlich verlorenen Generation sei maßlos übertrieben und verrate mehr über die Ängste der Erwachsenen als über die Gefühlslage der Jugendlichen. Aber: Fast jeder dritte Jugendliche war nicht resilient und hatte ein erhöhtes Risiko für psychische Auffälligkeiten. „Schon vor Ausbruch der Pandemie waren 20 Prozent der Jugendlichen behandlungsbedürftig“, sagt Schulte-Markwort. Dieser Anteil ist während der Lockdowns auf etwa 30 Prozent angestiegen. 51 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen halten eine krisenerprobte Führungsfähigkeit für die wichtigste Eigenschaft von Vorgesetzten. Auf dem zweiten Platz landet die „verbale Kommunikationsfähigkeit“ (35 Prozent) dicht gefolgt von Empathie und Problemlösungsfähigkeiten (30 beziehungsweise 29 Prozent). Überraschenderweise steht schriftliche Kommunikationsfähigkeit an letzter Stelle auf der Liste (acht Prozent). Davor rangieren eine hohe Arbeitsmoral (21 Prozent), ein gutes Zeitmanagement (18 Prozent). Das ergab eine Umfrage des Softwareanbieters Digits Financial unter 2.048 Erwachsenen. LEADERSHIP Verbale Fähigkeiten sehr gefragt Zukunft wichtig sei. Beide Zahlen stammen aus der aktuellen Stern-Jugendstudie vom Juni 2022. Das Kölner RheingoldInstitut hatte 1.053 Jungen und Mädchen interviewt. „Tatsächlich sind Jugendliche während Der Weiterbildungsverband Gabal e.V., Ingelheim, hat am 24. Juni Andreas Bellof aus Rosbach zu seinem neuen Vorstandssprecher gewählt. Bellof ist gleichzeitig für das Ressort „Strategie“ zuständig. Die anderen Vorstandsmitglieder sind: Dr. Katja Bett (stellvertretende Vorstandssprecherin und zuständig für das Ressort Digitalisierung), Kassia Ecker (Ressort Marketing), André Jünger (Ressort Koordination mit dem Gabal Verlag), Erna Theresia Schäfer (Ressort Regionalgruppen) und Monika Weitz (Ressort Finanzen). Der neue Vorstandssprecher sagt über sich: „Ich bin einerseits klassischer Unternehmensberater, andererseits auch Trainer, Coach, Autor und Speaker.“ In einem Rundschreiben an alle Mitglieder weist Bellof darauf hin, dass „wir als Gabal Verband mit unserer Expertise dazu beitragen müssen, dass die Welt wieder ein besserer Ort wird“. Bellof will einen Strategieprozess durchführen, denn Gabal steckt nach seinen Worten in einer Sinnkrise: „Wer wollen wir sein und speziell für wen?“ Man wolle sich von innen heraus neu erfinden. Andreas Bellof. Seit Sommer neuer Vorstandssprecher des Gabal e.V. Foto: Gabal aktuell der Coronapandemie über sich hinausgewachsen“, bekräftigt Birgit Langebartels, Leiterin der Stern-Jugendstudie. „Viele haben gelernt, ihr Leben in die Hand zu nehmen.“ Auch Michael Schulte-Markwort,
wirtschaft + weiterbildung 09_2022 9 Kurz und Knapp Motivationszirkus. Das Greator Festival 2022 hat am 29. und 30. Juli 2022 laut Veranstalter, die Kölner Coaching-Plattform Greator, rund 10.000 Teilnehmende in die Lanxess-Arena Köln gelockt. Drei Bühnen wurden bei dem Event für Coaching und Persönlichkeitsentwicklung parallel bespielt. Für das nächste Festival wurde der NLPGuru Tony Robbins als Speaker und die „Fantastischen Vier“ als Abendprogramm eingekauft. L&D pro. Am 13. Oktober 2022 soll in München die nächste Ausgabe des L&D pro Expofestivals stattfinden. Einer der KeynoteSpeaker wird Charles Jennings sein, ein Experte für Talentmanagement und das Lernen am Arbeitsplatz. Er ist in der HR-Szene als Erfinder des 70:20:10-Modells bekannt, dass das Lernen am Arbeitsplatz herausstellt. BPM. Der Personalmanagementkongress findet dieses Jahr vom 29. bis 30. September in Berlin (und online) statt. Die Keynote-Speaker sind: Andrea Nahles, Bundesagentur für Arbeit, Peter Vajkoczy, Direktor der Klinik für Neurochirurgie der Charité, Carlo Masala, Universität der Bundeswehr in München, und Anastasia Biefang, Oberstleutnant der Bundeswehr und die erste offen transgeschlechtliche Bataillonskommandeurin der deutschen Streitkräfte. Auch das noch. Die meisten Menschen in Deutschland glauben einer Allensbach-Umfrage zufolge, dass die Gesellschaft in vielen Fragen gespalten ist. Als besonders unversöhnlich stehe man sich beim Thema „Corona“ gegenüber, sagen 78 Prozent, Eine Freundschaft mit Andersdenkenden halten 42 Prozent der Deutschen für „sehr schwierig“. 71 Prozent im Sommerurlaub beruflich erreichbar BITKOM-UMFRAGE Sieben von zehn Erwerbstätigen (71 Prozent) waren im Sommer 2022 während ihres Urlaubs beruflich erreichbar. Lediglich ein Viertel (27 Prozent) wollte in den Ferien nicht mit dienstlichen Anfragen behelligt werden. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von mehr als 1.000 Andrea Nahles vor großen Aufgaben BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT Andrea Nahles (52), die ehemalige SPDGeneralsekretärin und SPD-Parteichefin, ist seit dem 1. August 2022 Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Nahles hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt. Sie will die einst verstaubte Behörde (das „Arbeitsamt“) zur Vorzeigebehörde machen, indem sie auf eine stärkere Digitalisierung, aber auch auf mehr Kundenorientierung setzt. Die Kundschaft solle sich willkommen fühlen und nicht als Bittsteller. „Aus meiner Sicht brauchen wir eine Dekade der Automatisierung“, sagte Nahles der Deutschen Presseagentur. Die Bemühungen müssten aber auch von der Bundesregierung flankiert werden durch die Bereitstellung einer geeigneten Cloud-Technologie. Nahles übernimmt eine Verwaltung mit mehr als 100.000 Mitarbeitenden und einem Jahresetat von 40 Milliarden Euro. Insgesamt ist die Finanzlage der Bundesagentur derzeit etwas angespannt. Die Foto: SPD Personen in Deutschland ab 16 Jahren, die vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) durchgeführt wurde. Sieben von zehn Erwerbstätigen, die einen Sommerurlaub planen (70 Prozent), sind per SMS oder Messenger erreichCoronapandemie hat die angesparte Rücklage von fast 27 Milliarden Euro wegen der Kosten für Kurzarbeit mehr als aufgefressen. Sorgen macht Nahles, dass die Qualifikationen vieler Arbeitskräfte nicht mehr zwangsläufig mit dem übereinstimmen, was morgen von ihnen verlangt wird. Diese Transformation müsse von der Bundesagentur künftig eng begleitet werden. Andrea Nahles. Niemand sollte sich als Bittsteller fühlen müssen. bar. Zwei von drei (64 Prozent) sind zu Telefonaten bereit. Ein gutes Viertel liest und beantwortet E-Mails (27 Prozent) und würde an Videokonferenzen teilnehmen (27 Prozent). Ein Sechstel (16 Prozent) ist über Kollaborationstools wie Microsoft Teams oder Slack ansprechbar. Hauptgrund ist die Erwartungshaltung des beruflichen Umfelds: Zwei von drei Erwerbstätigen (63 Prozent) sind im Sommerurlaub beruflich erreichbar, weil sie davon ausgehen, dass Kolleginnen und Kollegen dies erwarten. Bei der Hälfte (50 Prozent) erwarten es nach Meinung der Befragten die Vorgesetzten. Lediglich 15 Prozent möchten von sich aus erreichbar sein.
aktuell 10 wirtschaft + weiterbildung 09_2022 UNIVERSITÄT HOHENHEIM Verständlichkeit von Vorständen gemessen BDU E.V. Headhunter gefragt wie nie Geht es nach dem „Verständlichkeitsindex“ der Universität Hohenheim, dann hat Nikolai Setzer, CEO von Continental, mit 20,0 Punkten im Jahr 2022 die formal verständlichste Rede auf einer Dax-40-Hauptversammlung gehalten. Ihm folgte der Vorstandsvorsitzende der Telekom, Timotheus Höttges, mit 19,8 Punkten. Auf dem ständlichkeitsindex“ reicht von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich). Im Schnitt erreichen die Reden einen Verständlichkeitswert von 14,3 Punkten. Das sind 0,6 Punkte weniger als im vergangenen Jahr (14,9), aber 4,5 Punkte mehr als noch vor zehn Jahren (9,8). Grundsätzlich gilt: Ungünstige Botschaften werden gerne in unverständliche Schachtelsätze gepackt. Positive Botschaften, mit denen man in die Offensive gehen will, werden gezielt für eine breitere Öffentlichkeit verständlich formuliert. Bandwurmsätze, Fachbegriffe, Wortungetüme werden seltener. Doch auch im Jahr 2022 griffen einige Redner auf komplizierte Fachausdrücke zurück. Vor allem Anglizismen und Ausdrücke wie „Digital Car Tech Stack“ (Zipse, BMW), „Remote Software Updates over-the-air“ (Zipse, BMW), „Ready-toeat-Angebot“ (Richter, Hellofresh) und „Cross-domain-HPC” (Setzer, Continental) verwirrten branchenfremde Zuhörer. Immer mehr Betriebe greifen bei der schwierigen Suche nach Personal auf die Unterstützung durch Personalberater zurück. Aus der Branchenstudie „Personalberatung in Deutschland 2022“ des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) geht hervor, dass mit Hilfe der Headhunter im vergangenen Jahr 16 Prozent mehr Stellen besetzt werden konnten. Parallel ist der Branchenumsatz auf ein neues Allzeithoch von 2,7 Milliarden Euro geklettert, dies entspricht einem prozentualen Plus von 17 Prozent. BDUVizepräsident Wolfram Tröger ist sich sicher: „Nicht wenige Unternehmen verzweifeln zunehmend am engen Personalmarkt und an Nachwuchsproblemen. Oft fehlt das spezielle Methodenwissen sowie die personelle Ausstattung, um gezielt und effizient an die begehrten Kandidatinnen und Kandidaten zu kommen und sie für die Mitarbeit zu gewinnen.“ Die Managementdiagnostik wird als Geschäftsfeld für Personalberater immer wichtiger. „Bereits heute kommen bei fast 60 Prozent der von uns durchgeführten Personalauswahlprojekten eignungsdiagnostische Verfahren zum Einsatz“, so Arne Adrian, Vorsitzender des BDU-Fachverbands Personalberatung. Berufsbezogene Persönlichkeitstests würden zum Beispiel bei jedem zweiten, Assessmentcenter angewendet. CORONAPANDEMIE Zwölf Prozent der Erwachsenen in Deutschland leiden gemäß einer Erhebung des Robert Koch-Instituts (RKI) an einer depressiven Symptomatik. Das sind deutlich mehr als vor der Pandemie als der Anteil noch bei neun Prozent lag. In Deutschland hat sich eine „ausgeprägte und möglicherweise erklärungsbedürftige Symptomatik“ breit gemacht – dies geht aus einem RKIBericht vor, aus dem „Die Welt“ (23. Juni 2022) zitierte. Es handele sich bei den Beschwerden insbesondere um „Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit“. Am stärksten zeigte sich der Anstieg bei den 18- bis 29-Jährigen und den 30- bis 44-Jährigen. Das RKI hat zwischen April 2019 und April 2022 eine Vielzahl bundesweiter Gesundheitsstudien analysiert und zweieinhalb Jahre lang 1.000 Menschen zu ihrer seelischen Verfassung interviewt. Starker Anstieg von psychischen Problemen dritten Platz landet Theodor Weimer, CEO der Deutschen Börse, mit 18,8 Punkten. Die Wissenschaftler des Instituts für Kommunikationswissenschaft in Hohenheim achten bei der Analyse der Reden auf die Länge der Sätze, auf unklare Fachbegriffe und Fremdworte und verwirrend zusammengesetzte Wörter. Der „Hohenheimer VerNikolai Setzer. Der Conti-Chef hielt die verständlichste Hauptversammlungsrede. Foto: Continental AG
Mit 64 Einreichungen bewegte sich der „HR Innovation Award“ in diesem Jahr wieder auf „Vor-Corona-Niveau“. Mittlerweile stehen die Top-Drei-Anbieter in jeder Kategorie fest. Wer in seiner Kategorie zum Sieger gekürt wurde, erfährt man am 13. September auf dem AbendEvent der Messe Zukunft Personal Europe 2022. HR INNOVATION AWARD Verleihung am 13. September SPRING MESSE MANAGEMENT Volle Gänge und ein reges Besucherinteresse wie zuletzt im Jahr 2019, das erwarten die Veranstalter der nächsten HR-Messe „Zukunft Personal Europe“, die vom 13. bis 15. September in Köln stattfinden wird. Auch mit rund 700 Ausstellern und erwarteten 20.000 Besuchern wollen die Veranstalter an die Zeiten vor der Pandemie anknüpfen. Unter dem Motto „Celebrating Connections“ stehen Livebegegnungen und Networking im Mittelpunkt. Möglichkeiten zum Austausch gibt es zum Beispiel auf einer Abendveranstaltung: Am Abend des 13. September trifft sich die HR-Szene im „Tanzbrunnen“ zur HR-Party und zur Verleihung des „HR Innovation Awards“. Zukunft Personal Europe: Messefeeling wie früher Mit rund 550 Programmpunkten auf 17 Bühnen deckt die Messe die Themen der HRWertschöpfungskette ab. Den Schwerpunkten „Recruiting & Attraction“, „Operations & Services“, „Learning & Development“, „Corporate Health“ und „Future of Work“ wird jeweils eine Bühne gewidmet, um die Orientierung zu erleichtern. Zudem sind für die drei Messetage 15 Keynotes geplant. In diesem Jahr findet die Zukunft Personal Europe in den Hallen 4.1 und 4.2 der Koelnmesse statt. Die Halle 4.1 beinhaltet die Themen Recruiting & Attraction, Employer Branding sowie Learning & Development. In der Halle 4.2 finden sich die Aussteller zu Operation & Services, Start-ups und Corporate Health. LEASING 59 Prozent der deutschen Angestellten wünschen sich von ihrem Arbeitgeber ein Dienstrad. Das hat eine Umfrage von „Lease a Bike“ herausgefunden. Mit 41 Prozent belegt das Fahrrad den zweiten Platz als wichtiges Fortbewegungsmittel fur den Arbeitsweg. Nur das Auto wird mit 81 Prozent noch mehr als das Fahrrad in Anspruch genommen. Wachstumsmarkt Diensträder HR PEPPER „Das Boot, mit dem Unternehmen und Gesellschaft derzeit fahren, hat Leckagen“, meinte Matthias Meifert, Gründer und Partner der Unternehmensberatung HR Pepper, anlässlich des „HR Pepper Hoffestes“ Ende Juni in Berlin. Er warnte insbesondere die Unternehmensvertreter davor, dem Ruf nach mehr Hierarchie nachzugeben. Mehr Eigenverantwortung sei wichtig. Eigenverantwortung wichtig Foto: Pichler, Köln 2018
aktuell 12 wirtschaft + weiterbildung 09_2022 Wie schafft man Beziehungen, wie kann man sie entwickeln? Auch wenn die meisten der Fragenden die Antworten bereits kennen, ist es offensichtlich ein weiter Weg vom Wissen zum Tun. Hier in aller Kürze die aus meiner Sicht fünf wesentlichen Punkte – meine „Essenz des Beziehungsaufbaus“: #1 Beziehungen sind interessengetrieben! Während im privaten Bereich Beziehungen überwiegend emotional begründet sein dürften, gilt im beruflichen Umfeld: Die sachlich begründete Nützlichkeit steht im Vordergrund. Diese Aussage mag zunächst sehr berechnend wirken und für manchen befremdlich, trotzdem ist es eine unumstößliche Tatsache und wir tun gut daran, sie zu akzeptieren. Dadurch werden Aufbau und Pflege von Beziehungen im beruflichen Umfeld versachlicht. Es fällt einem leichter, aktiv zu werden. #2 B eziehungen muss man aufbauen, bevor man sie braucht! Es braucht Zeit, um Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, bevor man die Früchte aus ihnen ernten kann. Deshalb gilt: Gute Netzwerker knüpfen Beziehungen, ohne vorher genau zu wissen, wie sie sie konkret nutzen werden. Sie bauen darauf, dass sie ihnen eines Tages nützlich sein könnten. #3 P rofessionelle Beziehungen benötigen immer einen Inhalt Niemand interessiert sich für ein Gegenüber, wenn es nicht ein beiderseits interessierendes Thema gibt. Also muss man für die Anbahnung einer Beziehung im beruflichen Umfeld wissen, womit man das Interesse der Zielperson wecken kann. Es geht nicht darum, über die Dinge zu reden, die mich selbst interessieren, sondern die mein Gegenüber interessieren. Das ist quasi der „Henkel an der Tasse“, den man finden muss, um in einen wirklich nachhaltigen Kontakt zu kommen, in Erinnerung zu bleiben und Gelegenheit für weiterführende Gespräche zu haben. #4 I n Beziehungen muss man investieren, nicht nur Zeit, sondern auch Vorleistungen Damit meine ich nicht die kleinen Geschenke, die angeblich Freundschaften erhalten, sondern in erster Linie Vertrauen. Erst wenn man selbst Vertrauen in ein Gegenüber setzt, wird Vertrauen zurückkommen. Und erst dann entwickelt sich die Beziehung und wird tragfähig. #5 Dranbleiben! Viele Beziehungen „versanden“ im Laufe der Zeit, weil sie nicht genügend gepflegt werden. Manche nehmen dabei sogar irreparablen Schaden. Man sollte sich also immer mal wieder in Erinnerung bringen. Dafür kann man ja immer den „Henkel“ nutzen. Es sind in der Tat nur diese fünf Punkte, die man verinnerlichen muss, um professionelle Beziehungsarbeit zu machen. So vorbereitet, kann man einfach auf Menschen zugehen, sie ansprechen und in Kontakt treten. Es braucht nur einen kleinen Ruck. Gastkommentar Beziehungen müsste man haben … Stefan Fourier Stefan Fourier ist Physiker, Unternehmer und Autor (www.fourier.de). Er lebt in der Nähe Hannovers und arbeitet als Impulsgeber und Sparringspartner für Unternehmer, Führungskräfte und Politiker. Im Jahe 2017 erschien sein Buch „Die Sandwich-Connection: Wie Sie tragfähige Netzwerke aufbauen und Ihre Souveränität zurückgewinnen“ (Verlag Business Village, Göttingen). Foto: Sabina Przybyla Beim Netzwerken sollte man auf Versuch und Irrtum vertrauen und einfach in den Kontakt gehen. „ „
wirtschaft + weiterbildung 09_2022 13 DIDACTA 2022 FACHKRÄFTEMANGEL Anfang Juni 2022 trafen sich nach drei Jahren ohne persönlichen Austausch vor Ort wieder Interessierte aus den Bereichen Kindergarten, Schule und berufliche Aus- und Weiterbildung zur „Didacta“ in Köln. Nach Angaben der Messe kamen rund 35.000 Besucherinnen und Besucher nach Köln, um sich bei 555 Ausstellern über akRestaurants und Hotels leiden seit der Pandemie unter verstärktem Fachkräftemangel, vielerorts müssen Lokale an einzelnen Wochentagen sogar geschlossen bleiben. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, wo ehemalige Kellnerinnen und Kellner oder Hotelfachfrauen und -männer abgeblieben sind. 216.000 Menschen kehrten 2020 ihrem Beruf in der Hotellerie oder Gastronomie den Rücken. Im Jahresschnitt waren in der Branche rund 788.600 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die allermeisten Jobwechsler fingen in Verkaufsberufen neu an, beispielsweise als KassieSchwacher Start für Europas große Bildungsmesse Früher Hotel oder Gastronomie, heute Supermarkt tuelle Neuheiten zu informieren. Die letzte „Didacta“ vor Ort fand im Jahr 2019 in Köln statt. Damals wurden 915 Aussteller und rund 100.000 Besucher gezählt. Trotz deutlichem Besucherschwund sehen die Veranstalter die Didacta als „zentrales Diskussionsforum, größten Weiterbildungskongress und wichtigste gesellschaftsporer im Supermarkt: Hier wurden rund 34.800 Wechsler aus Gastronomie, Hotels und Tourismus registriert. Rund 27.200 Menschen traten einen neuen Job im Verkehr- und Logistikbereich an. Auch der Bereich Unternehmensorganisat ion profitierte von Jobwechseln: Hier fingen 27.100 Menschen neu an, unter anderem in den Sekretariaten. Beliebte Ziele waren zudem die Lebensmittelherstellung, Reinigungsberufe und Erziehung. Ohne politische Maßnahmen wie Kurzarbeit hätten höchstwahrscheinlich deutlich mehr Menschen ihren Job verlassen, schreiben die IW-Wissenschaftlerinnen. „Während der spielsweise die Vereinbarkeit von Schichtarbeit und Familie verbessern, mit Arbeitszeitkonten für mehr Flexibilität oder der Organisation von KitaBetreuung in Randzeiten. „Allerdings wird sich das Problem des Fachkräftemangels damit nicht komplett lösen lassen“, so Risius. „Ohne die Förderung von Fachkräftezuwanderung, wird es nicht gehen.“ litische Bühne der Branche“. Die Messe habe ein starkes Signal für die Zukunft der Bildung gesetzt und gezeigt, dass alle Bildungsbereiche einen dynamischen Reform- und Veränderungsprozess durchlaufen müssten, um erfolgreich auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Raum zum Diskutieren und Netzwerken bot das Kongressprogramm aus Foren, Workshops, Vorträgen, Seminaren, Sonderschauen und Podiumsdiskussionen. Insgesamt traten an den fünf Messetagen 485 Referentinnen und Referenten mit fast 300 Stunden Programm auf. KoelnmesseGeschäftsführer Oliver Frese betonte, die Aussteller hätten das große Interesse und die „sehr hohe Qualität aufseiten der Besucherinnen und Besucher“ gelobt. Die nächste „Didacta“ findet vom 7. bis 11. März 2023 in Stuttgart statt und die übernächste vom 20. bis 24. Februar 2024 wieder in Köln. Krise dürfte für viele Sicherheit noch wichtiger geworden sein“, sagt Studienautorin Paula Risius. „Auch weichere Faktoren spielen eine größere Rolle, beispielsweise feste Arbeitszeiten, die sich gut mit dem Privatleben verbinden lassen.“ Damit Unternehmen wieder mehr Arbeitskräfte finden können, müssen sie als Arbeitgeber attraktiver werden – also beiDidacta. In diesem Jahr war es recht ruhig bei den Ausstattern von Lehrwerkstätten. Foto: PIchler
menschen 14 wirtschaft + weiterbildung 09_2022 HR UND DIGITALISIERUNG. Bei der digitalen Transformation, der Veränderung der Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung, sieht Blogger, Keynote Speaker und Digitalisierungsexperte Sascha Lobo in Deutschland immer noch große Defizite. Eine wichtigere Rolle sollte der Personalbereich mit speziellen Fort- und Weiterbildungen spielen. Viele Unternehmen buhlen derzeit um wenige Fachkräfte. Kann das auf Dauer gut gehen? Sascha Lobo: Ich spreche ausdrücklich nicht vom Fachkräftemangel, sondern davon, dass die Zahl der möglichen Mitarbeitenden geringer wird. Wir stehen vor einer demografischen Herausforderung. Fachkräftemangel hört sich an wie ein isoliertes Problem, das in manchen Branchen auftritt. Aber es geht tatsächlich darum, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter sich in Zukunft aussuchen kann, wann, wo und wie sie oder er arbeitet. Das gilt aber wohl nur für diejenigen Personen, die digital gut aufgestellt sind? Lobo: Ja. Der sogenannte Digital Divide ragt bis in die Beschäftigtenstruktur hinein. Die einen werden, so befürchte ich es, von der digitalen Transformation nicht bevorzugt. Sie werden Probleme bekommen. Die anderen werden von der digitalen Transformation und der Entwicklung dahinter dramatisch bevorzugt. Dieses beides gilt es miteinander zu vereinen. Das wird die zentrale Aufgabe der Personalerinnen und Personaler der Zukunft. Heute müssen die Unternehmen die Menschen dazu bringen, sich zu bewerben. Wenn das nicht innerhalb weniger Sekunden auf dem Smartphone möglich ist, bewirbt sich ein substantieller Teil dieser Menschen nicht bei dem Unternehmen, weil das Unternehmen das Gefühl vermittelt, dass es die Gegenwart nicht in den Griff bekommt. Wenn das alles nicht so stromlinienförmig ist, wie es diese Generation erwarFotos: Martin Pichler „ Die digitale Transformation ist eine Bildungsfrage“ tet, dann können die Unternehmen ein Problem bekommen. Das ist im Moment noch klein, aber es wird größer. Es gibt auch noch die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Manche sind durchaus digital affin, andere nicht. Wie wichtig wird Weiterbildung? Lobo: Die digitale Transformation in Deutschland ist eine Bildungs- und insbesondere eine Fort- und Weiterbildungsfrage. Wenn Fort- und Weiterbildung in Unternehmen nicht vernünftig stattfindet, können wir uns die digitale Transformation in die Haare schmieren. Und man muss mir glauben, dass ich diese Metapher nicht leichtfertig verwende. Das ist nicht meine exklusive Meinung. Es gibt ein Papier des World Economic Forum von 2020. Dieses geht davon aus, dass 40 Prozent der Mitarbeitenden in den nächsten fünf Jahren ihre Core Skills – ihre Kernfähigkeiten, die sie für ihre Arbeit brauchen – neu lernen müssen. Ich würde sogar sagen, dass es in einzelnen Branchen mehr als 40 Prozent sind. Dabei spielt sicherlich nicht nur das Alter eine große Rolle, sondern auch Ängste und Vorbehalte der Mitarbeitenden ... Lobo: Die Altersfrage bleibt tatsächlich essenziell. Zwar ist Digitalisierung in erster Linie eine Frage der Haltung und keine des Alters. Aber wenn wir von Durchschnittswerten ausgehen, sind sowohl die Kenntnisse als auch ein gewisses Gespür für Vernetzungszusammenhänge bei jüngeren Menschen eher vorhanden als bei älteren. Die Frage ist: Wie bekomme ich Sascha Lobo (47). Er gilt als einer der profiliertesten Digitalisierungsexperten in Deutschland. Seit 2006 trägt er einen Irokesenschnitt, um nach eigenen Aussagen einen höheren Wiedererkennungswert zu erzielen.
wirtschaft + weiterbildung 09_2022 15 die älteren und nicht überragend-sachkundigen Personen, die sich weiterentwickeln wollen, dazu, dass sie mitmachen können? Man muss leider sagen, dass es einen Anteil von Menschen gibt, die nicht auf das ständige Lernen als Muster des Arbeitsalltags im 21. Jahrhundert aufspringen wollen. Für diese Personen müssen wir verträgliche Lösungen finden. Das wird auch ein Teil der Aufgabe von HR sein. Ich weiß nicht, wie groß dieser Anteil ist. Das wird von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein. Noch wichtiger ist jedoch, mit denjenigen umzugehen, die zwar wollen, aber die noch nicht sehen, wie sie das bewältigen können. Dieses Mindset zu erlernen und ein Digital-Gespür zu bekommen erfordert massive Schulungen der Mitarbeitenden in den Unternehmen. Massive Schulungen bedeuten eine große Investition. Wird sie sich lohnen? Lobo: Ich glaube, dass sich das lohnen wird. Gerade deshalb, weil Menschen mit einer gewissen Erfahrung – wenn sie gegenüber diesen Veränderungen offen sind – einen eigenen und sehr besonderen Mehrwert liefern können. Wo sehen Sie die größte Verantwortung des Personalbereichs? Lobo: Aus meiner Sicht ist das eindeutig die Bildung. Zum Glück liegt Bildung an sich nicht in der Verantwortung der HR´ler. Zum Glück deshalb, weil Bildung in Deutschland bisher leider sehr „undigital“ ist. Aber die Fort- und Weiterbildung ist häufig in den Händen der Personalverantwortlichen. Da können sie ihre Fähigkeiten voll ausspielen. Die Fähigkeiten sind die Vernetzung, die digitale Transformation auf Mitarbeiterlevel richtig zu verstehen und dann danach zu handeln. Das sagt sich leicht. Es ist superschwer, aber essenziell dafür, die digitale Transformation zu bewältigen. Inwiefern muss sich hierfür die Rolle der Personal- verantwortlichen in den Unternehmen verändern? Lobo: Der digitale Wandel durch die Vernetzung macht nicht vor dem Aufgabengebiet von HR Halt. Wir haben seit vielen Jahren das Phänomen, dass Teile von dem, was früher das Personalmanagement gemacht hat, ins Marketing wandern – Stichwort Employer Branding. Jetzt sehen wir, dass sich auch die Rolle der HR´ler selbst wandelt, unter anderem weil es weniger wichtig wird, aus 150 Bewerberinnen und Bewerbern mittels Assessment Center die absolut besten auszuwählen. Stattdessen wird es wichtiger, zum einen die schon vorhandenen Kräfte weiterzuentwickeln und zum anderen den wirklich guten einen Grund zu geben, im Unternehmen zu bleiben. Wir haben in vielen Unternehmen massive Probleme nicht nur neue Kräfte zu bekommen, sondern auch die vorhandenen Kräfte zu halten, weil sie extrem attraktive Angebote von anderen bekommen. Diese Verschiebung des Aufgabengebiets ist bei den meisten HR´lern angekommen. Ob sie alle danach handeln, steht auf einem anderen Blatt. Interview: Daniela Furkel Keynote Speaker. Sascha Lobo eröffnete am 31. Mai 2022 die neue HR-Veranstaltung „Copetri Convention“ in Offenbach.
LEADERSHIP. Wer seine Ideen durchsetzen und Organisationen verändern oder gar die Welt verbessern will, braucht Macht. Sie ist ein Werkzeug, das zum Guten oder zum Bösen eingesetzt werden kann. Es gibt sieben Regeln, die fest in der sozialwissenschaftlichen Forschung verwurzelt sind, dank derer Berufstätige in einer Organisation eine mächtige Position einnehmen können. Mut zur Macht Foto: tomertu / AdobeStock PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN ... zum Aufbau von Macht (nach Jeffrey Pfeffer): 16 wirtschaft + weiterbildung 09_2022 titelthema
01. Ehrgeiz – auf den eigenen Nutzen gerichtetes, starkes Durchhaltevermögen 02. Energie – eine Kraft, sich mehr anzustrengen und weniger auszuruhen 03. Konzentration – nach tieferen Zusammenhängen und besseren Beziehungen suchen R wirtschaft + weiterbildung 09_2022 17
titelthema 18 wirtschaft + weiterbildung 09_2022 Jeffrey Pfeffer (76), Professor für Organisationstheorie an der Graduate School of Business der Stanford University, widmet sein neues Buch „7 Rules of Power“ seiner Frau, deren Tod in seinem Herzen und seiner Seele eine große Leere hinterlassen hat. Ein amerikanischer Journalist sprach Pfeffer in einem Youtube-Interview auf diese sehr anrührende Widmung an und wollte mehr wissen. Der Professor berichtete von der „Liebe seines Lebens“, von einer sehr glücklichen Ehe und sagte dann, dass seine Frau vor einem Jahr zur Überraschung aller Selbstmord begangen habe, weil sie nicht mehr mit ihrer schweren Krankheit weiterleben wollte. Der Journalist bedankte sich für so viel Offenheit und gestand, dass ihm Pfeffer jetzt noch um einiges sympathischer und liebenswerter erscheine als vorher. Da der Interviewer Pfeffers Bücher gut kannte, fragte er verdutzt, warum er um alles in der Welt aufstrebenden Führungskräften davon abrate, anderen zu viel von sich zu erzählen – schließlich kämen sich Menschen dadurch näher und es entstünden wertvolle Verbindungen. Pfeffer antwortete, er sei alt und wolle keine Karriere mehr machen. Deshalb könne er es sich leisten, über seine Verletzlichkeit zu reden. Im Berufsleben würden aber besondere Spielregeln gelten. Kollegen kämpften schließlich untereinander um die nächste Beförderung. „Gefühle zeigen am Arbeitsplatz schadet der Karriere“ Die eigenen Schicksalsschläge und Schwachstellen freiwillig offenzulegen, sei so, als würde man dem Feind Munition übergeben. Außerdem würden die Mitarbeitenden Führung erwarten. Da seien Berichte über die eigene Verletzlichkeit nicht sehr hilfreich. Von einem Abteilungsleiter erwarte die Belegschaft, dass er konkret zu den anstehenden Einsparungen Stellung nehme. Es würde alle Zuhörer irritieren, wenn er auf einem Abteilungsmeeting seine Rolle als Führungskraft verließe und davon redete, wie sehr er es vermisse, abends seine Kinder zu sehen. Pfeffer schreibt sein Buch offensichtlich für eine bestimmte Zielgruppe. Dazu gehören nicht die Führungskräfte, die beliebt sein wollen, die hoffen, unter ihren Mitarbeitenden und Kollegen Freunde fürs Leben zu finden und die mit einer Position im mittleren Management für den Rest ihrer Berufstätigkeit zufrieden sind. Ultimative Ratschläge für alle, die ganz nach oben wollen Der Stanford-Professor schreibt zum einen für Berufsanfänger, die nicht gekündigt werden wollen, weil sie (aus Versehen) den Mächtigen auf die Füße treten. Laut Pfeffer werden nach inoffiziellen Schätzungen rund 20 Prozent der Stanford-MBA-Absolventen von ihrem ersten Arbeitgeber gekündigt, weil sie in irgendwelche Fettnäpfchen getreten sind. Zum anderen soll das Buch allen Berufstätigen helfen, die in einem Unternehmen oder einer Organisation möglichst weit nach oben kommen wollen. Pfeffer berichtet, dass er als Berater und Lehrer insbesondere karriereorientierten Frauen helfe, die berühmte „gläserne Decke“ zu durchbrechen und dass er auch vielen asiatisch- und afrikanischstämmigen Amerikanerinnen und Amerikanern geholfen habe, an die Spitze eines Unternehmens aufzusteigen, von wo aus sie dann viele Dinge zum Besseren hätten wenden können. Für Pfeffer gibt es einige unumstößliche sozialwissenschaftliche Grundlagen, die sein Denken bestimmen: • Es wird auch in Zukunft Hierarchien geben. Der Mensch als „Herdentier“ akzeptiert grundsätzlich Hierarchien. Von „oben“ nach „unten“ können in einer Hierarchie schnell Spielregeln aufgestellt und Entscheidungen getroffen werden – insbesondere, wenn ein Unternehmen sich an Marktveränderungen anpassen muss. • Die Menschen wollen grundsätzlich weit oben in der Hierarchie stehen. An der Spitze lebt man angenehmer und man hat mehr Kontrolle über sein Leben. Außerdem gilt seit Urzeiten: Menschen suchen die Nähe von Gewinnern und meiden gezielt Verlierer. Wer die Macht hat, hat deshalb auch viele Freunde, die einem manche Trickserei verzeihen (solang wie man Macht hat). • Wer aufsteigen will, befindet sich im Wettbewerb mit anderen und muss um die raren Plätze an der Spitze kämpfen. Um nach oben zu kommen, reicht es nicht aus, in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet zu haben. Man muss auf sich aufmerksam machen und den Eindruck erwecken, dass man kompetent genug ist, noch höhere Anforderungen zu erfüllen. Den Eindruck von Kompetenz erwecken ausgerechnet jene Menschen, die eine große Portion Selbstbewusstsein ausstrahlen. Wer das nicht kann, muss laut Pfeffer so tun, als habe er bereits sehr viel Selbstbewusstsein. Pfeffer erklärt seinen Lesern: „Jeder der aufsteigen will, spielt anderen etwas vor. Die Welt ist öfter eine Bühne als Sie denken.“ Pfeffer hat bereits einige Bücher und ArR 04. Selbstvertrauen – die innere Zuversicht, etwas zum Erfolg führen zu können, hilft 05. Einfühlungsvermögen – nur derjenige bekommt Macht, der andere „lesen“ kann 06. Konfliktfähigkeit – wer vor Konflikten nicht davonläuft, ist anderen überlegen Foto: marlanu / gettyimages.de
wirtschaft + weiterbildung 09_2022 19 tikel über das Thema „Macht“ geschrieben. Das Buch „7 Rules of Power“ richtet sich ganz konkret an Berufstätige. Praxisnah wird der Text immer dann, wenn der Autor den Karriereweg von Führungskräften schildert, die er als Studenten kennengelernt hat und die seinen Ratschlägen gefolgt sind. Obwohl der StanfordProfessor auf viele Studienergebnisse der modernen Verhaltensforschung hinweist, ist ihm ein kompakter Text gelungen, dessen Gliederung auf folgenden sieben Regeln fußt: 1. Stehen Sie sich nicht selbst im Weg. Wer nach oben will, sollte zum Beispiel Selbstbewusstsein ausstrahlen und darf nicht bescheiden sein, sondern muss möglichst viel Eigenwerbung machen. Um das hinzubekommen, müssen viele Berufsanfänger erst gewisse Hemmschwellen und Glaubenssätze überwinden („Das lerne ich nie“). Den Habitus des Anführers kann man im Laufe der Zeit einüben. 2. Brechen Sie Regeln. Die Leute an der Spitze einer Organisation bestimmen die Spielregeln, die ihnen nützen. Aufstrebende Führungskräfte brechen die eine oder andere Regel und zeigen damit ihren eigenen Gestaltungswillen und ihre Ambitionen, selbst mächtig zu werden. Oft ist es zum Beispiel verboten, seinen Chef zu übergehen und höheren Orts um einen Termin zu bitten. Aber manchmal macht es Sinn, den Chef seines Chefs gezielt anzusprechen und um ein Karrieregespräch bei einem Mittagessen zu bitten. 3. Erscheinen Sie mächtig (auch wenn Sie sich nicht so fühlen). Um als mächtig eingeschätzt zu werden, müssen Sie sich wie Mächtige verhalten – zum Beispiel genauso wie diese sprechen und insbesondere durch die eigene Körpersprache Macht ausdrücken. Auch hier gilt: So tun als ob führt dazu, dass Sie tatsächlich die richtige Ausstrahlung bekommen. 4. Werden Sie eine starke Marke. Ein guter Ruf ist entscheidend. Üben Sie, einen perfekten ersten Eindruck zu hinterlassen. Erzählen Sie außerdem eine halte. „Ich will niemanden in die Depression treiben, aber wir müssen die Welt so akzeptieren, wie sie ist. Ich schildere nur die Wirklichkeit im Business“, wehrt sich Pfeffer dann regelmäßig. „Ich betrachte die Realität und fantasiere nicht herum, was wünschenswert wäre.“ Viele Managementbücher wollten den Menschen weismachen, dass gute und erfolgreiche Manager bescheiden, aufrichtig und authentisch sein müssten. „Was sie erzählen, sind Mythen und ich vergleiche die Autoren gern mit Laienpredigern.“ Damit spielt Pfeffer auf den US-Managementguru Jim Collins an, der behauptete, die besten Topmanager hätten folgende fünf Eigenschaften („Level5-Führungskompetenzen“): Bescheidenheit, Entschiedenheit, Zurückhaltung, Härte und keine Starallüren. Pfeffer betont, dass sich diese Kompetenzen nur auf Chefs beziehen, die schon an der Spitze angekommen sind und überwiegend untauglich seien, um einen Aufstieg zu meistern. Außerdem seien bei einer Analyse von 1.400 US-Aktiengesellschaften nur 14 Prozent von Level5-CEOs geleitet worden. Von solch einer Minderheit könne man keine realitätsnahen Erfolgsrezepte ableiten, so Pfeffer. „New Work ändert nichts an der menschlichen Natur“ Für besonders problematisch hält der Stanford-Professor die Weltverbesserungsidee des New Work. Pfeffer: „Ich sehe nicht, dass sich irgendetwas geändert hat oder ändern wird. Macht funktioniert immer noch genauso. Menschen sind Menschen und menschliche Psychologie funktioniert genauso wie immer und zwar über alle Kulturen hinweg, weil wir nun mal so veranlagt sind, uns in einer bestimmten Weise zu verhalten. Dazu gibt es unzählige Belege.“ Kritisch gesehen werden müsse auch die New-Work-Idee, dass Experten durch kreative Diskussionen bessere Entscheidungen als die Hierarchie treffen würden. Pfeffer vermutet: Selbst in herrschaftsfreien Diskursen kämen nicht die zu Wort, die sich am besten auskennen, sondern die, die so tun, als ob sie sich auskennen. Martin Pichler Geschichte über sich, die Ihre Erfolge erklärt und weitere Erfolge möglich erscheinen lässt. Bringen Sie andere dazu, sich lobend über Sie zu äußern. Wer erfolgreich sein will, darf nicht bescheiden sein, sondern muss möglichst viel Eigenwerbung machen. 5. Netzwerken Sie unablässig. Niemand kann allein Macht erlangen. Sie brauchen die Hilfe anderer, um an die Spitze zu gelangen. In Netzwerken unterstützt man sich gegenseitig mit Informationen und dem Austausch von Erfahrungen. Man sollte anderen Hilfe anbieten, um dann im Gegenzug auch Hilfe zu erhalten. 6. Nutzen Sie Ihre Macht auch. Macht nimmt man sich und man muss anschließend aber auch den Umgang mit ihr einüben. Nutzen Sie Ihre Macht, um Menschen zu beeinflussen, Dinge zu erledigen und Konkurrenten auszuschalten. 7. Haben Sie keine Bedenken: Ihr Erfolg entschuldigt fast alle Tricks, die Sie angewandt haben, um Macht zu erlangen. Solang Sie an der Macht sind, werden Sie Freunde haben und die werden Ihre Fehltritte mit den Worten „So ist er eben“ entschuldigen. Außerdem werde in Unternehmen oft gelogen, weil das nützlich sei. Pfeffer: „Laut einer Studie waren 74 Prozent der befragten Vorstände der Meinung, dass es richtig sei, die Mitarbeitenden über ihre wahren Aufstiegschancen zu belügen, weil sie sonst nicht mehr so engagiert arbeiteten.“ Pfeffer rät Führungskräften, die Vorstand werden wollen, unter anderem auch im Umgang mit anderen ein dominantes Verhalten an den Tag zu legen – zum Beispiel, indem sie Wut zeigen sollten, wenn sie mit etwas nicht einverstanden seien. Psychologische Studien hätten herausgefunden, dass Menschen, die ihre Wut leicht zum Ausdruck bringen könnten, als stark, kompetent und intelligent wahrgenommen würden. In seinen Seminaren wird Pfeffer gelegentlich von entsetzten Teilnehmenden als Niccolò Machiavelli der Neuzeit beschimpft, der Bluff und Gerissenheit für gute, nützliche Werkzeuge
20 wirtschaft + weiterbildung 09_2022 titelthema Führungspersönlichkeiten die Regeln der Macht vorleben und wichtige Lektionen zum Thema Führung bieten. Ich finde es interessant, dass alles, was ich sage und schreibe, oft als kontrovers oder unkonventionell bezeichnet wird, obwohl alles durch zahlreiche wissenschaftliche Studien gestützt wird. Eine Ihrer Regeln lautet, man solle „mächtig erscheinen“. Sie raten zu mehr Schein als Sein? Pfeffer: Sie müssen über sich selbst hinauswachsen. Die meisten glauben, das könnten sie nicht. Aber das sind Fähigkeiten, die gelernt werden können. Und wenn man sie lernen will, muss man sie üben. Das ist wie Schlittschuhlaufen oder Golf spielen. Man fühlt sich nicht wohl, weil man es nicht gut kann. Aber mit der Zeit wird man besser. Wir mögen das, was wir können. Und mögen das nicht, was wir nicht können. So ist es auch mit den „Power Skills“. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Regeln der Macht nicht erfordern, dass Sie Ihre Persönlichkeit ändern. „Power Skills“ und das entsprechende Verhalten können je nach Situation erlernt und selektiv geübt werden. Sie bestimmen nicht unbedingt, wer Sie sind oder wie Ihre Persönlichkeit ist. Sie können Ihre strategischen Interaktionen verbessern, ohne ein extrovertierter Netzwerker zu werden. Sie können selbstbewusst auftreten, auch wenn Sie sich nicht so fühlen. Sie können Dinge lernen und umsetzen, die Ihre Macht erhöhen, unabhängig davon wer Sie sind. Der bloße Anschein von Kompetenz kann also tatsächlich zu einer echten Realität werden? Pfeffer: Auf jeden Fall. Wir leben in einer Welt, in der es fast unmöglich ist, die Wahrheit herauszufinden. Deshalb ist der Schein immer die Wirklichkeit. Wenn alle denken, Sie sind ein Genie, dann sind Sie es auch. Daher empfehlen Sie auch jedem, sich als eine starke persönliche Marke aufzubauen. Pfeffer: Jeder braucht eine Marke. Machen Sie mal folgende Übung: Denken Sie sich zwei oder drei Sätze aus, um sich und Ihre Leistungen, Ihr Fachwissen, Ihre Erfahrung zu beschreiben und eine Möglichkeit, dies mit einem Aspekt Ihrer persönlichen Geschichte zu verbinden. Dann holen Sie sich Feedback dazu von Berufskollegen und Freunden ein. Und dann überlegen Sie, wie Sie diese Botschaft in die Welt hinaustragen wollen. Das kann ein Podcast sein, das Schreiben eines Buchs, der Vortrag auf einer Konferenz oder gestalten Sie Ihre eigene Konferenz. Tun Sie alles, um Ihre Geschichte zu verbreiten. Und Sie müssen es auch gut machen. Ihre Regeln widersprechen dem Zeitgeist von Kooperation, Wertschätzung und politisch korrektem Verhalten in den Unternehmen. Sind sie daher nicht überholt? Pfeffer: Elon Musk ist nicht nett zu seinen Mitarbeitern, Jeff Bezos sicher auch nicht. Es gibt keine Evidenz dafür, dass jetzt alles anders ist. Das ist einfach Wunschdenken. Was in der Führungsliteratur und im Gespräch über Organisationen geschieht, ähnelt sehr dem, was man in der Politik beobachten kann. Die Menschen verwechseln das, was sie gerne glauben würden oder was sie gerne hätten, mit dem, was sie tatsächlich anwenden müssen, wenn sie wirklich effektiv sein wollen. Sie haben ein Buch mit sieben Regeln geschrieben, um mehr Macht im Berufsalltag zu bekommen. Das liest sich teils wie eine Anweisung zum Bluffen … Jeffrey Pfeffer: Wenn Sie etwas in Ihrer Karriere erreichen wollen, müssen Sie diese Regeln befolgen. Wenn Sie eine Organisation oder die Welt ändern möchten, brauchen Sie Macht. Macht ist ein Werkzeug, das man für verschiedene Zwecke nutzen kann, für gute und für weniger gute. Ein Grund, warum ich das Buch geschrieben habe, war die beobachtbare Realität der heutigen politischen und wirtschaftlichen Anführer, einschließlich, aber sicherlich nicht beschränkt auf Donald Trump, Jeff Bezos, Bill Gates, Meg Whitman und Elon Musk. Viele halten diese Personen und ihr Verhalten für anormal, erkennen aber nicht, dass diese „Macht ist ein Werkzeug“ INTERVIEW. Jeffrey Pfeffer, Professor an der Stanford University, beschäftigt sich schon sein Forscherleben lang mit dem Thema „Macht“. Nun hat er ein Buch geschrieben, das praxisnahe Anweisungen geben will, wie man im Berufsleben Macht erlangt und behält. Alle Anweisungen sind seiner Aussage nach wissenschaftlich durch Studien belegt. Coaching. Jeffrey Pfeffer würde jungen Menschen, die ganz nach oben wollen, folgende Ratschläge geben: 1. Lernt sehr viel über die Dynamiken der Macht. Beobachtet Mächtige genau. Begreift, dass Mikropolitik unvermeidlich ist. 2. Zeigt die Führungskompetenz, die eure Mitarbeiter erwarten, sonst verunsichert ihr sie. 3. Sucht euch einen BusinessCoach, der euch beim Ausüben der Macht begleitet. Pfeffer: „Ich bin ein großer Coaching-Fan.“ Tipps für den Weg nach ganz oben
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